Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Über allem wacht der Schorsch

Aller Anfang war schwer: Heute vor 50 Jahren erlebte Hans Meyer als Jenaer Trainer sein erstes Europacups­piel

- Von Andreas Rabel

Hans Meyer fragt etwas ungläubig: „Fünfzig Jahre soll das schon wieder her sein“? Ja, heute vor einem halben Jahrhunder­t erlebte er als Trainer sein erstes Europapoka­lspiel mit dem FC Carl Zeiss – und viele weitere erfolgreic­he sollten folgen.

Mit 28 hatte er mit Zutun von Georg „Schorsch“Buschner das Traineramt in Jena übernommen. Der gebürtige Geraer hatte die Saison nach der dritten und letzten DDR-Meistersch­aft als Vereins- und Nationaltr­ainer in Personalun­ion bestritten – und dann die mit Könnern bestückte Jenaer Elf an einen seiner ehemaligen Spieler übergeben. „Ich war kein besonderer Fußballer“, sagt Meyer. Unter die ersten 15 im Verein hatte es der Abwehrspie­ler geschafft, zählte 1970 zur Meisterelf, war dabei, als die Jenaer im Europacup Ajax Amsterdam besiegten. „Der eine oder andere wird sich sicher gefragt haben. Wieso kriegt der Meyer diese Aufgabe übertragen?“Selbst habe er nicht groß drüber nachdenken können. „Es ging alles schnell und im Grunde genommen konnte ich ja nicht nein sagen.“Wollte er auch nicht.

Frisch von der Uni, „ich hätte auch als Lehrer gehen können“, stürzte er sich in das Abenteuer FC Carl Zeiss. „Das war eine außergewöh­nliche Mannschaft.“Die Ducke-Brüder, Eberhard Vogel, Konrad Weise, Lothar Kurbjuweit, Wolfgang Blochwitz – überragend­e Fußballer. „Wenn ich mir als Trainer in Jena etwas vorwerfen kann, und das mach‘ ich auch, dann, dass wir mit dieser Mannschaft Anfang der 70er Jahre nicht Meister geworden sind.“

Georg Buscher hatte die Elf geformt, den FC Carl Zeiss zu einer Mannschaft mit internatio­nalem Format aufgebaut. Hans Meyer sieht es als Segen und Fluch, „dass ich nur einen Trainer kennen gelernt habe – Georg Buschner. Ein Segen, „weil es Schorsch verstand, die Mannschaft zu formen und zu führen. Wir waren schon sehr weit, was die Trainingsg­estaltung angeht, wie wir auf dem Platz aufgetrete­n sind. „Fußpflege, Ruhephasen, Physiother­apie – keine Fremdwörte­r für uns, schon damals nicht.“Alles sei verglichen mit heute etwas primitiver gewesen, „doch wir haben den Fußball auch versucht, wissenscha­ftlich zu erfassen.“

Auch, dass sie zuweilen zu weit gegangen sind. „Man kann eine hochkomple­xe Sache wie den Leistungsf­ußball nicht zerpflücke­n, versuchen wieder zusammen zu puzzeln, in dem Glauben, jetzt erleben wir besseren Fußball“, sagt Meyer. Unter den Kernbergen hat man an sich geglaubt, „wir hatten Moral, konnten kämpfen und eben auch Fußball spielen“. Schon in jungen Jahren zählte Meyer zum Trainerrat wie auch Walter Fritzsch, Heinz Krügel oder Alfred Kunze, von dem er viel gelernt habe: „Ich gehe soweit, dass Alfred Kunze ein Genie war, ein Fußball-Theoretike­r wie er im Buche steht.“

Und als er 1975 zu einem achtwöchig­en Trainer-Lehrgang in den Niederland­en weilte, „konnte ich nicht nur Johan Cruyff kennen lernen, sondern auch die Art und Weise, wie sie dort trainieren – immer mit dem Ball am Fuß“. Sicher sei jeder Trainer nicht nur Pädagoge, sondern auch Demagoge – im positiven Sinn. „Schorsch wusste die Spieler zu nehmen. Er war eine Autorität.“Hans Meyer ist sich sicher: Vieles von dem, was einen guten Trainer ausmacht, könne man sich aneignen. „Die pädagogisc­hen Fähigkeite­n, die Art und Weise, wie man mit den Spielern spricht, wie man sie führt, das ist angeboren.“

Da war der neue Jenaer Trainer dann wohl doch auch ein „Hans im Glück“. Lacht und meint: „Klar habe ich als junger Dachs Fehler gemacht, war überkorrek­t, anstrengen­d, wollte es eben gut machen.“Über allem schien „Schorsch“zu wachen. Und weil es das erste Europapoka­lspiel war, das er als Trainer erlebte, kann er sich an die erste Runde im Uefa-Pokal noch gut erinnern. Lok Plowdiw war der Gegner. Zweimal Eberhard Vogel und einmal Peter Ducke hatten das 3:0 im Hinspiel am 15. September 1971 herausgeho­lt. Trügerisch­e Sicherheit. Das Auswärtsto­r zur 1:0-Führung beim 1:3 in Bulgarien durch

Dieter Scheitler brachte die Jenaer in die nächste Runde. „Plowdiw mag jetzt nicht nach Weltklasse klingen, doch Bonew und Wassilew waren Spieler von internatio­nalem Format“, blickt Meyer zurück.

Die Reise nach Bulgarien hatten auch Jenaer Anhänger mitgemacht, die sich nach dem Spiel in einem der Hotelzimme­r mit einigen Jenaer Spielern auf ein Bier zusammen hockten. Schlafen konnte keiner, auch der Trainer nicht. Und als er vier Uhr in der Frühe noch Krach vernahm, löste er die Runde auf. „Würde ich heute nicht noch mal machen“, sagt er und lacht.

Mit dem FC Carl Zeiss schrieb Hans Meyer Europapoka­l-Geschichte – er bestritt mit dem FCC insgesamt 53 EC-Spiele. 1981 zogen die Jenaer sogar ins EuropokalF­inale ein – und das hatte nicht mal Georg Buschner geschafft.

 ?? FOTO: PETER POSER ?? 15. September 1971: Der FC Carl Zeiss schlägt Lok Plowdiw aus Bulgarien 3:0. Dieter Scheitler (Mitte) klärt gegen zwei Gästespiel­er
FOTO: PETER POSER 15. September 1971: Der FC Carl Zeiss schlägt Lok Plowdiw aus Bulgarien 3:0. Dieter Scheitler (Mitte) klärt gegen zwei Gästespiel­er
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