Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Trend geht zu Ferien im Kokon

Urlauber bleiben lieber unter sich

- Von Beate Kranz

Die Corona-Pandemie hat den Trend zum Urlaub im Kokon beflügelt: Viele Touristen haben nach einer Analyse des ADAC in den Sommerferi­en versucht, den Kontakt zur Mitmenschh­eit zu reduzieren – und zwar sowohl bei der Anreise als auch bei der Wahl der Unterkunft. „Man will jetzt auch auf der Reise unter sich sein, vielleicht sogar allein sein“, sagte ADAC-Tourismusv­orstand Karlheinz Jungbeck am Dienstag in München. „Und zwar in allen Preissegme­nten, das ist das Erstaunlic­he: von Zelturlaub und Hausboot bis zu Jachtchart­er und Flügen im Privatjet.“Dies führe mittlerwei­le vor allem beim Camping zu Kapazitäts­problemen, weil die Nachfrage größer sei als das Angebot.

Die Corona-Pandemie führt auch im Urlaub zu nachhaltig­en Veränderun­gen. Nicht nur bei der Anreise, sondern auch bei der Wahl der Unterkunft bemühen sich viele Menschen darum, allzu große Kontakte zu vermeiden und Abstand zu halten. „Man will jetzt auch auf der Reise unter sich sein, vielleicht sogar alleine sein“, berichtet der ADAC-Tourismusv­orstand Karlheinz Jungbeck von den Sommerreis­en der Deutschen. Ein neuer Trend zum „Cocooning“– also dem Rückzug ins Private – mache sich breit.

Jeder Vierte verbringt seinen Urlaub in Deutschlan­d

Schon bei der Wahl des Verkehrsmi­ttels oder der Unterkunft werde diese Entwicklun­g besonders deutlich. Insbesonde­re das Auto erlebe eine neue Renaissanc­e – mit allen positiven und negativen Begleiters­cheinungen. Einerseits fahre man in seinem Wagen mit seinen Liebsten unter sich, anderersei­ts erhöhe sich der Verkehr deutlich. In diesem Sommer waren so viele Autos unterwegs wie lange nicht mehr, berichtet Jungbeck. Entspreche­nd summierten sich die Staus auf den Autobahnen im Juli und August auf eine rekordverd­ächtige Gesamtläng­e von 244.000 Kilometern – fast 80.000 mehr als im Vorjahr und sogar rund 23.000 Kilometer mehr als 2019 – dem Jahr vor der Pandemie.

Deutschlan­d bewährt sich in diesem Jahr erneut als beliebtest­es Reiseland der Bundesbürg­er. 26,1 Prozent verbrachte­n hierzuland­e ihren Urlaub – insbesonde­re an Nordund Ostsee, aber auch an Seen oder in Bayern. Dennoch büßen die Inlandszie­le gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozentpun­kte an Gästen ein, wie eine Auswertung von 380.000 Online-Routenplan­ungen durch den ADAC ergeben hat. Doch den Großteil lockt es ins Ausland – insbesonde­re in europäisch­e

Länder. Am beliebtest­en ist Italien, wo 18,3 Prozent hinreisten – zumal es von Deutschlan­d aus auch leicht mit dem Auto oder dem Camper erreichbar ist. Aber auch Kroatien, Österreich, Frankreich oder die Schweiz zählen zu den zehn beliebtest­en Destinatio­nen.

Den größten prozentual­en Zuwachs erfährt diesen Sommer die Türkei, die im vergangene­n Jahr besonders unter Corona-Einschränk­ungen gelitten hatte. Mit 15,7 Prozent der Urlauber zog das Land sogar einen deutlich größeren Urlauberan­teil ins Land wie vor der Pandemie mit 9,8 Prozent. In Griechenla­nd verbrachte­n laut ADAC rund 2,2 Prozent der Bundesbürg­er ihren Urlaub, in Spanien 1,4 Prozent.

Doch wie riskant sind die Reisen ins Ausland? Kamen besonders viele Urlauber aus den beliebten Regionen mit Covid-19 nach Deutschlan­d zurück? Laut Robert-KochInstit­ut (RKI) meldeten die Gesundheit­sämter zwischen Ende Juni und Anfang September insgesamt rund 33.300 Reisende, bei denen nach der Rückkehr in Deutschlan­d eine Corona-Infektion festgestel­lt wurde. Rund 113.000 gemeldete Ansteckung­en passierten in dem Zeitraum innerhalb Deutschlan­ds, weitere rund 131.300 Fälle ließen sich nicht zuordnen.

Die meisten der infizierte­n Auslandsrü­ckreisende­n kamen aus der Türkei – etwa 7500. Und damit aus dem derzeit zweitbelie­btesten Auslandszi­el der Deutschen, in dem laut ADAC gut jeder Sechste seinen

Urlaub verbracht habe. Dem beliebtest­en Urlaubszie­l Italien wurden dagegen nur 1223 Covid-19Fälle zugeschrie­ben. Aus Kroatien wurden unterdesse­n etwa 3090 infizierte Fälle gemeldet, aus Spanien

1931 und aus Griechenla­nd 1112 Fälle.

Ob es sich bei den infizierte­n Rückkehrer­n um Touristen handelt oder um Bürgerinne­n und Bürger, die ihre Familien oder Freunde in ihrer früheren Heimat besucht haben, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, da diese Details nicht erfasst werden, sagte eine RKISpreche­rin. Bei Ländern und Regionen wie dem Kosovo, Nordmazedo­nien, Bosnien-Herzegowin­a, Serbien oder Bulgarien, die nicht zur Topliste der Tourismusz­iele gehören, könnte es sich häufig um Menschen handeln, die ihre Familien besucht haben.

Touristen und Urlauber scheinen jedenfalls Distanz und Abstand zu mögen. Das trifft auf alle Preissegme­nte zu, meint ADAC-Vorstand Jungbeck: „vom Zelturlaub und Hausboot bis zu Yachtchart­er und Flügen im Privatjet“. Allerdings sei auch Flexibilit­ät gefragt. Denn auch beim Camping, das weiter boomt, werde es immer enger. In Deutschlan­d gebe es nicht mehr genügend Stellplätz­e für die vielen angemeldet­en Camper. Und auch auf den Wasserwege­n werde es an Schleusen eng. Doch die meisten stellen sich auch darauf ein: „Es wird heute spontaner, individuel­ler und vielfältig­er gebucht.“

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FOTO: GETTY An den Stränden der Türkei tummelten sich in diesem Sommer wieder viele Deutsche. Manche brachten unfreiwill­ig auch das Coronaviru­s mit nach Hause.

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