Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Sollen Eltern ihre Kinder ab 12 impfen lassen?
Ein Gespräch mit dem Jenaer Medizinethiker Nikolaus Knoepffler über eine schwierige Entscheidung, vor der viele Erziehungsberechtigte stehen
Eltern stehen vor der schweren Entscheidung, ob sie ihre 12- bis 17jährigen Kinder impfen lassen sollen oder nicht. Wir sprachen darüber mit dem Jenaer Medizinethiker Nikolaus Knoepffler.
Es liegen bislang keine Langzeitstudien zu den Corona-Impfstoffen vor. Sollten Eltern dennoch ihre Kinder impfen lassen?
Ich halte die Impfung nach der Pubertät für sinnvoll und auch wichtig, um Infektionsketten zu brechen, Herdenimmunität zu erreichen und auch deshalb, weil es bei jüngeren Erwachsenen vereinzelt schwere Corona-Verläufe gibt.
Wo endet für Sie die Pubertät?
Mit 15, 16 Jahren sehe ich kein Problem für eine Impfung. Ich mache da Kategorien: Ich finde, es ist eine moralische Pflicht für Erwachsene, sich impfen zu lassen. Bei den Jugendlichen nach der Pubertät gibt es ebenfalls gute Gründe, sich impfen zu lassen. Bei allen Jüngeren halte ich es für eine ganz schwierige Situation, weil der Impfstoff eben noch sehr neu ist. Da kann ich Eltern gut verstehen, die die Kinder nicht impfen lassen und noch warten wollen. Zumal es kaum schwere Verläufe zu geben scheint.
Die Politik möchte Impfungen auf Schulhöfen anbieten, was auch kritisch gesehen wird. Es wird befürchtet, dass dadurch Impfdruck auf Kinder ausgeübt werde.
Das ist bewusst suggestiv, wenn man sagt, wenn ich die Impfung an die Schulhöfe bringe, setze ich die jungen Leute unter Druck. Man kann die Situation auch ganz anders darstellen: Indem ich die Impfung an die Schulen bringe, ermögliche ich einen leichteren Zugang.
Eine Impfung kann ja für Jugendliche durchaus sinnvoll sein, wenn man davon ausgeht, dass eine Krankheit immer noch gefährlicher ist als eine Impfung, etwa wegen Long Covid. Es ist eben nicht nur die Impfung, die neuartig ist, sondern auch das Virus. Während die Impfung nur wenige Bausteine in der Zelle verändert, ändert ein Virus eine Zelle komplett. Es baut sie so um, dass diese Zelle nur noch diese Viren produziert. Der genetische Eingriff durch das Virus ist also viel massiver.
Wie sehr sollte der Wille der Kinder einbezogen werden?
Das ist in der Medizin ein ganz schwieriges Feld. Bei bestimmten Behandlungen sagt man, sobald die Kinder begreifen, was da geschieht, geht der Wille der Kinder vor den Willen der Eltern. Bei der Impfung sollte das auch gelten, zumal es ja die Empfehlung der Stiko gibt.
Die Politik hat Anfang September entschieden, dass die Coronatests für die 12- bis 17-Jährigen ab Ende November selbst zu tragen sind.
Die Stiko hat ihre Empfehlung geändert, damit kann die Politik nachziehen und zurecht sagen, wer das Sinnvolle nicht tut, soll zumindest dafür bezahlen.
In Großbritannien empfiehlt die staatliche Impfkommission die Corona-Impfung für 12- bis 15-Jährige nicht, weil sie keinen Nutzen habe.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob man nicht besser die Empfehlung für Jugendliche ab 15 hätte aussprechen sollen.
Das Problem, das wir haben, sind eigentlich nicht die Kinder. Sie leiden jetzt wieder darunter, dass es immer noch unter den Erwachsenen zu viele gibt, die meinen, sie können noch warten. Leider sieht man ja an den zunehmenden Zahlen Ungeimpfter in den Krankenhäusern, dass das teilweise leeres Gerede ist. Menschen können Risiken einfach sehr schlecht einschätzen.