Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Ein Stück vom Friedenstein geschaffen Baumeister, Künstler und Architekten in Gotha Der Bildhauer Adolf Lehnert hat viele Spuren hinterlassen
Gotha.
Obwohl die Stadt Gotha bedeutende Bildhauer hervorgebracht hat, hat auch ein aus Leipzig stammender Kollege unübersehbare Spuren in der Residenzstadt hinterlassen. Gemeint ist Professor Adolf Lehnert, der über viele Jahrzehnte hinweg für die Gothaer Lebensversicherungsbank gearbeitet hat. Ausgangspunkt für diese Zusammenarbeit war der 1893/94 errichtete Neubau in der Bahnhofstraße 3a. Der junge Künstler versah den Monumentalbau mit dem entsprechenden bildhauerischen Schmuck.
Geboren wurde Adolf Lehnert am 20. Juli 1862 als Sohn des Lokomotivführers Adolph Lehnert in Leipzig. Nach dem Besuch der Realschule nahm er 1880 ein Studium an der Abteilung Plastik der Königlichen Kunstakademie und Kunstgewerbeschule auf. Auf der Jahresausstellung der Schülerarbeiten der Akademie wurde ihm 1882 die bronzene und 1885 die silberne Medaille verliehen. Nach Beendigung der Ausbildung hielt er sich zu Studienzwecken für ein Jahr in Rom und Paris auf.
Nach dem Studium ist der Name Lehnert in Leipzig und darüber hinaus durch ein umfangreiches bildhauerisches Werk schnell bekannt geworden. Seine Hauptwerke wurden jedoch in den beiden Weltkriegen weitgehend vernichtet. Dieses Schicksal ist seinen Arbeiten in Gotha erspart geblieben.
Lehnert wirkt als
Interpret der bildenden Kunst
Die Gothaer Lokalpresse berichtete 1894 regelmäßig über die Baufortschritte in der Bahnhofstraße. Damals waren etwa 300 Arbeiter damit beschäftigt, diesen Versicherungspalast nach Plänen von Baurat Bruno Eelbo zu errichten. Von Adolf Lehnert stammen unter anderem die in Serpentin gehauenen Figuren der versicherten und unversicherten Witwe auf dem Dach sowie die drei Reliefs im glasüberdachten Treppenhaus, die allegorisch die einzelnen Lebenszyklen darstellen. Das Werk ist jedoch mit „A.L. 1908“signiert.
Diese Tatsache sorgte lange Zeit für Verwirrung. Des Rätsels Lösung fand sich Anfang März 1908 im „Gothaischen Tageblatt“, das damals berichtete, dass der Leipziger Künstler Adolf Lehnert gerade damit beschäftigt sei, die bis dahin aus Gips bestehenden Reliefplatten durch eine Marmorfassung zu ersetzen. Wie durch ein Wunder überstand
Mit dem Allianzwappen von Herzog Alfred und Herzogin Maria Alexandrowna am Altan in der Nordostecke des Schlosshofes schuf Adolf Lehnert im Jahre 1896 ein Stück vom Friedenstein. Das Gothaer Hauptwerk des Leipziger Bildhauers Adolf Lehnert war das 1894 für den Neubau der Lebensversicherungsbank geschaffene Triptychon „Die Lebensstufen“.
das Gebäude die schwere Bombardierung des Bahnhofsviertels am 6. Februar 1945 nahezu unbeschadet.
Nach jahrzehntelanger Nutzung durch die „Staatliche Versicherung der DDR“haben es nach der politischen Wende die Gothaer Versicherungen zurückerworben und bis 1995 aufwendig sanieren lassen. Damals erhielt auch das bis dahin düstere Treppenhaus sein Glasdach wieder, sodass die vom Staub der Jahrzehnte befreiten „Lebensstufen“nun wieder voll zur Geltung kommen.
Weniger bekannt ist dagegen, dass Lehnert auch ein Stück des Schlosses Friedenstein mitgestaltet hat. Als unter dem seit 1893 regierenden Herzog Alfred (1844 -1900) – dem zweiten Sohn der englischen Königin Victoria und Neffen des kinderlos verstorbenen Herzogs Ernst II. – das Schloss aufwendig für dessen Bedürfnisse umgestaltet wurde, musste 1896 der sich bis dahin in der Nordostecke des Schlosshofes befindliche hölzerne Vorbau dem heutigen steinernen Altan weichen. Lehnert lieferte dazu das Allianzwappen als wahrhaft krönenden
Diese Medaille von Arwed Emminghaus schuf Adolf Lehnert 1911 zu dessen 80. Geburtstag.
Abschluss. Es stellt das sächsisch-englische von Herzog Alfred und das russische seiner Gemahlin Maria Alexandrowna dar und wurde inzwischen mit Mitteln der Kulturstiftung Gotha saniert.
Erinnerungsmedaillen für Versicherungsbanken gefertigt Ein weiteres bedeutendes Werk des Bildhauers ist die anlässlich des 25jährigen Dienstjubiläums des Generaldirektors der „Gothaer Leben“Karl Samwer (1861-1946) am 1. Juli 1928 geschaffene Büste aus Carrara-Marmor, die inzwischen einen
Ehrenplatz im Deutschen Versicherungsmuseum Ernst Wilhelm Arnoldi in der Bahnhofstraße 3a hat.
Professor Lehnert hat auch ein umfangreiches Werk als Medailleur hinterlassen. So schuf er für die beiden Gothaer Versicherungsbanken viele Auszeichnungsplaketten und Erinnerungsmedaillen.
Aber auch andere Gothaer Persönlichkeiten wurden anlässlich von runden Geburtstagen und Jubiläen in Medaillenform verewigt, so zum Beispiel Arwed Emminghaus zum 80. Geburtstag (1911), Oberbürgermeister Otto Liebetrau zum 25-jährigen Dienstjubiläum (1915), Rudolf Ehwald (1917) und Georg Florschütz (1929) zum 70. Geburtstag. Ein Bildnis Arnoldis und dessen Leitmotiv „Du lebst für dich, wenn du für andre lebst“zieren eine Erinnerungsmedaille der damaligen Arnoldi-Oberrealschule zu Gotha.
Somit hat sich Professor Adolf Lehnert, der am 6. Januar 1948 im Alter von 85 Jahren in seiner Heimatstadt Leipzig verstarb, im thüringischen Gotha in vielfältiger Weise im wahrsten Sinne des Worte ein Denkmal gesetzt.
In einem Nachruf wurde er als einer der „bedeutendsten Interpreten der bildenden Kunst“gewürdigt.