Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Auf der Suche nach Antworten

Uwe Seidel aus Saaldorf teilt seine Erfahrunge­n vom Jakobsweg in seinem ersten Buch

- Von Ulrike Kern Uwe Seidel: „Der Jakobsweg ungeschmin­kt“, Romeon-Verlag, 116 S., 15,95 Euro.

Im Sommer 2021, mitten in der Corona-Pandemie, geht Uwe Seidel (64) aus Saaldorf mit großen Erwartunge­n auf eine Pilgerreis­e von Saint-Jean-Pied-de-Port in Frankreich nach Santiago de Compostela in Spanien. Der klassische Jakobsweg, der Camino. 800 Kilometer Fußweg in 20 Tagen liegen am 11. August vor ihm. Aus seinen Erlebnisse unterwegs hat er ein Buch geschriebe­n und im März beim Romeon-Verlag herausgebr­acht. Es versteht sich als eine Mischung aus Abenteuerr­oman, Reiseberic­ht und praktische Anleitung zum Pilgern auf dem klassische­n Jakobsweg. Der gelernte Werkzeugma­cher ist seit 2020 in Rente.

Herr Seidel, was hat Sie zu dieser Reise bewegt?

In erster Linie der Verlust meiner eigener Firma in Georgentha­l. Ich hatte ein Konstrukti­onsbüro mit angeschlos­senem Prototypen­bau, in dem hauptsächl­ich Dienstleis­tungen für namhafte Firmen aus der Fahrradbra­nche erbracht wurden. Es wurden aber auch hochwertig­e Wettkampf-Mountainbi­kes für Sportler entwickelt, konstruier­t und komplett gefertigt. Vom Rahmenschw­eißen, Montage bis zum Verkauf im Internet. Durch Corona gab es keine Wettkämpfe mehr, der Markt ist im Sportberei­ch weggebroch­en. Außerdem habe ich Speedskate­r vorwiegend für Marathon konstruier­t und gefertigt, die auch patentrech­tlich geschützt sind. Eine einzigarti­ge Konstrukti­on für hohe Geschwindi­gkeiten mit wenig Krafteinsa­tz der Sportler. Auch das ist weggebroch­en durch Corona. Dazu kamen familiäre Probleme. In der Summe der ganzen Unstimmigk­eiten hab ich mich zu der Reise entschloss­en. Im Vordergrun­d stand die Suche nach Antworten wie es weitergehe­n soll.

Wie haben Sie sich vorbereite­t?

Konditione­ll habe ich mich nicht speziell vorbereite­t, da ich auf den Speedskate­rn selbst mehrere Marathons im Jahr gelaufen bin. Einzig die Planung der Reise, wie viel und welches Gepäck, sowie die Anreise zum Startpunkt, musste ich durchdenke­n. Und das alles sehr kurzfristi­g binnen einer Woche.

Was sind die klassische­n Fehler, die man machen kann?

Der Klassiker ist, man meint, man müsse für einen gewissen Komfort alles Mögliche mitnehmen. Aber der Komfort stellt sich nicht ein. Die Füße streiken aufgrund des Übergewich­tes spätestens am dritten Tag. Maximal 10 Prozent des Körpergewi­chts gehören auf den Rücken. Vorab sollte man einen passenden, leichten Rucksack auswählen und richtig einstellen. Unterwegs darf man sich nicht zu viel zutrauen und dann womöglich zwischen zwei Herbergen im freien Gelände ohne Übernachtu­ngsmöglich­keit hängen bleiben. Das verursacht nur Schmerzen, Blasen und Frust.

Was ist unterwegs mit Ihnen mental passiert?

Ich habe versucht, allein zu laufen, um mich in meinen Gedanken zu finden. Ich wollte keine Ablenkung. Zu allererst habe ich eine tiefe innere Ruhe gefunden – ähnlich eines Anglers am See, der nicht spricht. Dadurch stellen sich von selbst Gedanken ein, die sich im Alltag nicht ausweiten wollen. Insgesamt ist der ganze Weg sehr spirituell, es passieren Dinge, die man nicht erklären kann. Allerdings brauchte das eine Weile und die Erkenntnis­se kamen erst ungefähr nach der Hälfte des Weges.

Was war Ihre Erwartungs­haltung vor dieser Reise?

Ich wollte mit Lösungen für meine schwierige­n Aufgaben zurück kommen, die für alle passen. Für Freunde, Familie, für mich.

Wie sind Sie zurückgeke­hrt?

Ich war mir ganz sicher, dass ich Lösungen gefunden hatte und habe mit der Umsetzung begonnen. Im Nachhinein hat sich herausgest­ellt, dass ich den Weg zu schnell gelaufen bin. Ich hätte mehr Zeit gebraucht, um meinen richtigen Weg im Leben zu finden. Erst heute mit etwas Abstand passen die Lösungen. Und das war nur mit der Ruhe, Erkenntnis und Intuition aus der Pilgerreis­e möglich. Diesen Weg sind schon Millionen Menschen gelaufen. Alle haben ihre Spuren hinterlass­en. Wenn man sich dessen bewusst wird, spürt man eine tiefe Ergebenhei­t.

Bücher und Reisebesch­reibungen gibt es schon viele. Warum empfehlen Sie Ihr Buch?

Es ist kurz und knapp eine Reise beschriebe­n, die auch ein Stück Abenteuer ist, was ich so auf keinen Fall erwartet habe. Der Leser erfährt einiges über meine Persönlich­keit und einen Blick in meine Seele. Ein Buch mit viel Handlung auf wenigen Seiten. In ein bis zwei Tagen hat man es gelesen. Der Drang zu wissen, wie es weitergeht, ist sehr groß. Ich habe Tagebuch geführt bis zum Schluss und daraus ist das Buch entstanden. Nach einer privaten Erstauflag­e des Buches haben mir meine Freunde und Verwandten zugeraten, das Erlebte zu veröffentl­ichen.

Was hat sich seither in Ihrem Leben verändert?

Ich lebe jetzt intensiver aber gleichzeit­ig ruhiger. Ich genieße den Augenblick und leben im Hier und Jetzt. Es gibt nur wenig Sorge um die persönlich­e Zukunft. Man lernt, was wichtig ist im Leben und gewinnt auch eine gewisse Toleranz.

 ?? FOTO: UWE SEIDEL ?? Ein Wegweiser am Pilgerweg.
FOTO: UWE SEIDEL Ein Wegweiser am Pilgerweg.
 ?? FOTO: UWE SEIDEL ?? Uwe Seidel aus Saaldorf hat über seine Pilgerreis­e ein Buch geschriebe­n.
FOTO: UWE SEIDEL Uwe Seidel aus Saaldorf hat über seine Pilgerreis­e ein Buch geschriebe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany