Thüringische Landeszeitung (Gotha)
„Einen Albtraum verhindert“
Polizei nimmt 16-Jährigen fest, der offenbar Bombenanschlag auf seine Schule plante
Essen.
Der Einsatz begann mitten in der Nacht, und die Ermittler haben damit wohl Schlimmes vereitelt. Gegen vier Uhr überrascht eine Spezialeinheit einen Jugendlichen in seiner elterlichen Essener Wohnung. Die Beamten durchsuchen alles und werden fündig: Im Lauf der nächsten Stunden tragen sie Speere und eine Armbrust samt Pfeilen aus der Dachgeschosswohnung, außerdem etwa ein Dutzend große Umzugskartons mit Beweismitteln sowie Explosivstoffe und eine selbst gebaute Schusswaffe – und 16 teils mit Nägeln gespickte Rohrkörper, an denen Uhren angebracht waren.
Der 16-jährige Jugendliche steht unter dem dringenden Verdacht, mutmaßlich rechtsextremistische Anschläge auf seine aktuelle und seine frühere Schule in Essen geplant zu haben. Er wurde am Donnerstagmorgen festgenommen. Bei ihm wurden ein Manifest mit antisemitischen und ausländerfeindlichen Parolen sowie gemalte SS-Runen gefunden. Der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) sprach von einem „mutmaßlichen Nazi-Terroranschlag“, der in Essen unterbunden worden sei. Die für Terrorismus zuständige Düsseldorfer Generalsprünglich
Beamte tragen Umzugskartons mit Beweismitteln aus der Wohnung.
staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen.
Ein Bekannter des Schülers hatte einen Hinweis gegeben, dass der 16Jährige womöglich einen Anschlag plane. Die Polizei reagierte schnell und stürmte die Wohnung. 123 Beamte rückten außerdem zu einem Großeinsatz an einem Gymnasium und einer Realschule aus. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, der 16-Jährige habe angekündigt, „eine Bombe an seiner Schule platzieren zu wollen“. Bei der Durchsuchung der Schulen seien aber keine Sprengsätze gefunden worden. Ebenso wenig wie ein „zündfähiger Sprengsatz“in der Wohnung. Das sichergestellte Material sei „funktions-, aber nicht einsatzfähig“gewesen, so Reul. Es gebe Hinweise auf psychische Probleme des Jugendlichen: Die Ankündigung eines solchen Vorhabens sei als Hilferuf eines jungen Mannes mit psychischen Problemen und Suizidgedanken zu verstehen, sagte der Minister. Mit ihren Einsätzen habe die Polizei womöglich „einen Albtraum verhindert“.
Mitschüler hatten Angst:
16-Jähriger bewunderte Hitlerjugend Nachbarn berichten, die Familie wohne seit etwa einem Jahr in der
70 Quadratmeter großen Dachgeschosswohnung im Essener Stadtteil Borbeck. „Nette, ruhige Leute“, berichtet eine Frau, die ebenfalls in dem Mehrparteienhaus lebt. Dass der 16-Jährige nun mit Ausländerhass und heimtückischen Mordplänen in Verbindung gebracht wird, kann die Nachbarin kaum glauben. „Das kann nicht sein“, sagt sie fassungslos und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
Wer ist der junge Mann, der offenbar vorhatte, ein Blutbad anzurichten? Der Jugendliche hatte ur
eine Realschule besucht, war kürzlich dann auf das nur wenige Hundert Meter von seinem Wohnhaus entfernt gelegene Gymnasium gewechselt. Mehreren Mitschülern war er als Nazi bekannt. Er habe „schon immer alles gewusst über Waffen und Hitlerjugend“, verraten Schüler aus seiner Stufe. Im Kunstunterricht habe er nagelbewehrte Gegenstände gebaut. Einige seiner Klassenkameraden hatten Angst vor ihm.
Das Gymnasium hatte auf seiner Internetseite bereits gegen 7.20 Uhr den Hinweis gegeben: „Eilmeldung. Die Schule muss leider heute ausfallen.“Später schrieb Schulleiter Lothar Hesse: „Wir haben Hinweise erhalten, dass in der Schule eine Straftat geplant war. Um die Schule auf Beweismittel hin zu untersuchen, mussten wir heute in Absprache mit der Polizei den Zugang zur Schule sperren.“Es sei davon auszugehen, dass der Unterricht am Freitag wieder normal laufe.
„Es ist glücklicherweise nichts passiert an den Schulen“, sagte eine Essener Polizeisprecherin. „In welche Richtung es womöglich gegangen wäre, wird nun ermittelt.“Der Jugendliche kam in Gewahrsam und wurde am Donnerstag vernommen, ebenso seine Eltern. Bei denen, hieß es, sitze der Schock ebenfalls tief.