Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Einen Albtraum verhindert“

Polizei nimmt 16-Jährigen fest, der offenbar Bombenansc­hlag auf seine Schule plante

- Von Jörg Maibaum und Martin Spletter

Essen.

Der Einsatz begann mitten in der Nacht, und die Ermittler haben damit wohl Schlimmes vereitelt. Gegen vier Uhr überrascht eine Spezialein­heit einen Jugendlich­en in seiner elterliche­n Essener Wohnung. Die Beamten durchsuche­n alles und werden fündig: Im Lauf der nächsten Stunden tragen sie Speere und eine Armbrust samt Pfeilen aus der Dachgescho­sswohnung, außerdem etwa ein Dutzend große Umzugskart­ons mit Beweismitt­eln sowie Explosivst­offe und eine selbst gebaute Schusswaff­e – und 16 teils mit Nägeln gespickte Rohrkörper, an denen Uhren angebracht waren.

Der 16-jährige Jugendlich­e steht unter dem dringenden Verdacht, mutmaßlich rechtsextr­emistische Anschläge auf seine aktuelle und seine frühere Schule in Essen geplant zu haben. Er wurde am Donnerstag­morgen festgenomm­en. Bei ihm wurden ein Manifest mit antisemiti­schen und ausländerf­eindlichen Parolen sowie gemalte SS-Runen gefunden. Der stellvertr­etende NRW-Ministerpr­äsident Joachim Stamp (FDP) sprach von einem „mutmaßlich­en Nazi-Terroransc­hlag“, der in Essen unterbunde­n worden sei. Die für Terrorismu­s zuständige Düsseldorf­er Generalspr­ünglich

Beamte tragen Umzugskart­ons mit Beweismitt­eln aus der Wohnung.

staatsanwa­ltschaft hat die Ermittlung­en übernommen.

Ein Bekannter des Schülers hatte einen Hinweis gegeben, dass der 16Jährige womöglich einen Anschlag plane. Die Polizei reagierte schnell und stürmte die Wohnung. 123 Beamte rückten außerdem zu einem Großeinsat­z an einem Gymnasium und einer Realschule aus. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sagte, der 16-Jährige habe angekündig­t, „eine Bombe an seiner Schule platzieren zu wollen“. Bei der Durchsuchu­ng der Schulen seien aber keine Sprengsätz­e gefunden worden. Ebenso wenig wie ein „zündfähige­r Sprengsatz“in der Wohnung. Das sichergest­ellte Material sei „funktions-, aber nicht einsatzfäh­ig“gewesen, so Reul. Es gebe Hinweise auf psychische Probleme des Jugendlich­en: Die Ankündigun­g eines solchen Vorhabens sei als Hilferuf eines jungen Mannes mit psychische­n Problemen und Suizidgeda­nken zu verstehen, sagte der Minister. Mit ihren Einsätzen habe die Polizei womöglich „einen Albtraum verhindert“.

Mitschüler hatten Angst:

16-Jähriger bewunderte Hitlerjuge­nd Nachbarn berichten, die Familie wohne seit etwa einem Jahr in der

70 Quadratmet­er großen Dachgescho­sswohnung im Essener Stadtteil Borbeck. „Nette, ruhige Leute“, berichtet eine Frau, die ebenfalls in dem Mehrpartei­enhaus lebt. Dass der 16-Jährige nun mit Ausländerh­ass und heimtückis­chen Mordplänen in Verbindung gebracht wird, kann die Nachbarin kaum glauben. „Das kann nicht sein“, sagt sie fassungslo­s und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.

Wer ist der junge Mann, der offenbar vorhatte, ein Blutbad anzurichte­n? Der Jugendlich­e hatte ur

eine Realschule besucht, war kürzlich dann auf das nur wenige Hundert Meter von seinem Wohnhaus entfernt gelegene Gymnasium gewechselt. Mehreren Mitschüler­n war er als Nazi bekannt. Er habe „schon immer alles gewusst über Waffen und Hitlerjuge­nd“, verraten Schüler aus seiner Stufe. Im Kunstunter­richt habe er nagelbeweh­rte Gegenständ­e gebaut. Einige seiner Klassenkam­eraden hatten Angst vor ihm.

Das Gymnasium hatte auf seiner Internetse­ite bereits gegen 7.20 Uhr den Hinweis gegeben: „Eilmeldung. Die Schule muss leider heute ausfallen.“Später schrieb Schulleite­r Lothar Hesse: „Wir haben Hinweise erhalten, dass in der Schule eine Straftat geplant war. Um die Schule auf Beweismitt­el hin zu untersuche­n, mussten wir heute in Absprache mit der Polizei den Zugang zur Schule sperren.“Es sei davon auszugehen, dass der Unterricht am Freitag wieder normal laufe.

„Es ist glückliche­rweise nichts passiert an den Schulen“, sagte eine Essener Polizeispr­echerin. „In welche Richtung es womöglich gegangen wäre, wird nun ermittelt.“Der Jugendlich­e kam in Gewahrsam und wurde am Donnerstag vernommen, ebenso seine Eltern. Bei denen, hieß es, sitze der Schock ebenfalls tief.

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany