Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Klaipéda – Eine Stadt in der Europeade
Die litauische Ostseestadt ist bis Sonntag fest in europäischer Folklore-Hand. 2023 will Gotha wieder Gastgeber sein
Traditionell ist der Mittwoch der Tag des Ankommens bei der Europeade. Die meisten Teilnehmer reisen mit Bussen. Andere kommen mit dem Flieger, wieder andere mit der Fähre von Kiel – so wie die meisten der 14 deutschen Gruppen. Nach der Anmeldung heißt es, kurz das Quartier checken, bevor es in die Stadt geht, um Klaipéda zu erkunden. Die Altstadt mit ihren vielen kleinen Straßen ist nichts für Highheels und feine Tanzschuhe, denn das teils riesige Katzenbuckelpflaster erweist sich als recht rustikal.
Viele Gaststätten, urige Kneipen und kleine Bars laden zum Verweilen ein, auch wenn in manchen leider die Bewirtung von ganzen Gruppen schlicht abgelehnt wird. Tische rücken macht halt Arbeit und bringt kein Geld. Wer sich Zeit nimmt und mehr von der Stadt sehen möchte, sollte sich zu Fuß aufmachen und vor allem die Augen offenhalten. Denn mehr als 100 Bronzeskulpturen wollen in der Stadt entdeckt werden – weiter 200 gibt es in den Außenbezirken. Zwei von ihnen, „Der Schwarze Geist“und der „Kuss“, stehen direkt im Hafen.
Apropos Kuss. Die kleine Frau mit dem Kussmund schaut gen Wasser und wirft ihre Küsse den Seefahrern zu. Direkt neben ihr startet die Fähre in Richtung Kurische Nehrung. Auf der Halbinsel angekommen, kann man sich entweder in den weißen Ostseesand legen und baden, oder auf den Spuren von Thomas Mann wandeln und Nidden (Nida in Landessprache) besuchen.
Mit dem Bus geht’s Richtung russische Grenze durch das Naturschutzgebiet, in dem gerade einmal 1178 Personen leben. Nach gut einer Stunde endet die Fahrt nach 43 Kilometern in Nida. Weiter geht es nicht, zumindest für uns Deutsche. Also schlendert der Entdecker durch die verträumten Sträßchen Nidas auf den Spuren von Thomas Mann.
1929 kam der Schriftsteller und Nobelpreisträger nach Nida auf die Kurische Nehrung. In dieser „Sahara des Nordens“wie er selbst sagte, ließ er sich ein Sommerhaus mit Blick auf Haff und Memeldelta bauen. Drei Sommer lang widmete er sich hier seiner Arbeit, während die Familie eine unbeschwerte Zeit genoss. Das Thomas-Mann-Haus ist heute ein gut besuchtes Museum und Kulturzentrum, in dem Lesungen, Konzerte und andere Veranstaltungen stattfinden. Wieder zurück auf dem Festland treffen sich die Gruppen auf dem Theaterplatz der Stadt, um ihr Fest gemeinsam mit den Einwohnern Klaipédas zu feiern.
Der zweite Tag der Europeade beginnt mit der Eröffnung des Europeade-Forums. Hier präsentieren sich die Europeade-Städte – allein Kielce, Gothas Partnerstadt und Austragungsort der Europeade 2024, ist mit zwei Buden vertreten. Gotha will nach 2013 im kommenden Jahr erneut die Europeade ausrichten. Nebenan auf dem Theaterplatz, über dem die Statue des Ännchens von Tarau wacht, beginnen derweil – genauso wie auf weiteren vier Tanzflächen der Innenstadt – die einzelnen Gruppen, ihr Programm darzubieten.
Lauftechnisch sind sie gut an Klaipédas Stadtkanal verteilt. Hier liegt übrigens auch das neben dem Ännchen zweite Wahrzeichen der Stadt: das Segelschiff „Meridianas“.
Der Dreimast-Schoner wurde 1948 im finnischen Turku als Kriegsreparation für die Sowjetunion gebaut, diente ab 1971 als sowjetisches Trainingsschiff und ist nun ein Restaurant. Am Abend die große Eröffnungsgala: Wie schon vor drei Jahren im hessischen Frankenberg/Eder lässt es sich Klaipédas Bürgermeister Vytautas Grubliauskas nicht nehmen, und packt seine Trompete aus. Stehende Ovationen gibt es bei seiner Darbietung von „A Wonderful World“von Louis Armstrong.
„Die Europeade findet nicht in Klaipéda statt, Klaipéda findet in der Europeade statt“, so der sichtlich gerührte litauische Bürgermeister. Unter den Ehrengästen sind auch Thomas Firmerich, Bürgermeister von Frankenberg/Sachsen,
Partnerstadt von Frankenberg/ Eder, Europeadestadt 2019. Drei Stunden Programm der Gruppen lassen den Abend kurzweilig erscheinen.
Arbeitsreich startet für einige Teilnehmer der Freitag. Bei Workshops werden länder- und gruppenübergreifend gemeinsam Tänze und Lieder einstudiert für die Abschlussfeier am Sonntag.
Doch bevor es soweit ist, wird weiter getanzt, gesungen und musiziert, und abends – teils bis tief in die Nacht – gemeinsam gefeiert, um europäische Freundschaften zu knüpfen und zu festigen.