Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Das bringt der Hartz- IV- Ersatz
Arbeitsminister Hubertus Heil ( SPD) stellt Plan für Bürgergeld vor – ein wichtiges Detail fehlt
Mehr Geld, mehr Vertrauen und ein neuer Name: Arbeitsminister Hubertus Heil hat seine Pläne für ein Bürgergeld vorgelegt. „ Zum 1. Januar wird das Hartz- IVSystem überwunden“, kündigte Heil an. Die künftigen Regelsätze sollen nach Vorstellung des SPDPolitikers die dramatischen Preissteigerungen abdecken. Die Höhe der Leistung bleibt zunächst aber offen.
In Deutschland leben derzeit mehr als fünf Millionen Menschen von Hartz IV. Das System ist seit seiner Einführung im Jahr 2005 umstritten: Gegner kritisieren die Höhe der staatlichen Unterstützung für Langzeitarbeitslose als zu niedrig und die Erfolge bei der Arbeitsvermittlung als zu gering. Betroffene und Sozialverbände lehnen das System zudem als stigmatisierend und erniedrigend ab. All das will Heil nun ändern: „ Es geht um mehr Respekt und mehr Anerkennung von Lebensleistung.“
Sind Menschen auf das Bürgergeld angewiesen, sollen die Wohnung und das Vermögen bis zu 60.000 Euro zwei Jahre lang unangetastet bleiben. Für andere Familienmitglieder des Leistungsempfängers liegt die Grenze bei 30.000 Euro. Damit soll erreicht werden, dass im Falle einer beruflichen Krise nicht sofort die Ersparnisse angegriffen werden oder Betroffene ihre Wohnung verlassen müssen, weil diese größer ist, als es der Staat Leistungsempfängern zugesteht. Heil will zudem das dauerhafte Schonvermögen erhöhen, das trotz staatlicher Hilfe nicht angetastet werden muss. Der Freibetrag für Auszubildende sowie für Einnahmen aus Schüler- und Studentenjobs soll auf 520 Euro angehoben werden.
Der Minister will, dass die Regelsätze zum 1. Januar „ angemessen“steigen. Heil verweist in der Frage auf frühere Positionen: Im Gespräch mit unserer Redaktion hatte Heil vorgeschlagen, bei der Berechnung des Regelsatzes die unteren 30 anstelle der unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage zu nehmen. „ Damit können wir erreichen, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro höher sein werden als in der Grundsicherung.“
Derzeit liegt der Hartz- IV- Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen bei 449 Euro pro Monat. Heil will außerdem den Bemessungszeitrahmen so ändern, dass die explosionsartigen Preissteigerungen der vergangenen Monate berücksichtigt werden. Zur Höhe der Regelsätze gibt es noch keine Einigung in der Koalition. Heil will nun zunächst Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zur Inflation abwarten und sich dann zur Höhe der Zahlungen im September äußern.
Die werden entschärft. Heil will mit dem Bürgergeld ein „ neues Miteinander“schaffen. Dazu gehört eine sechsmonatige Vertrauenszeit, in der die Leistungen nicht gekürzt werden, wenn ein Betroffener einen Termin im Jobcenter verpasst. Danach soll es aber für hartnäckige Fälle weiterhin Sanktionen geben: „ Es bleibt bei Mitwirkungspflichten“, sagte Heil. „ Zum Beispiel geht es nicht, dass man chronisch keine Termine wahrnimmt.“Der Staat solle aber weniger „ mit dem drohenden Zeigefinger“auftreten.
Angesichts des Fachkräftemangels will der Arbeitsminister in erster Linie Wert auf Weiterbildung legen statt auf eine schnelle Vermittlung in Aushilfstätigkeiten. Zwei Drittel der arbeitssuchenden Langzeitarbeitslosen hätten keinen abgeschlossenen Berufsabschluss, sagte Heil zur Begründung. Als Anreiz ist eine Weiterbildungsprämie von monatlich 150 Euro geplant.
Sein Konzept sei in den „ Leitplanken“im Koalitionsvertrag verabredet, hob Heil hervor. „ Ich bin zuversichtlich, dass wir uns in der Koalition darauf verständigen.“In der Frage der Regelsätze sieht Heil mit Blick auf die FDP von Finanzminister Christian Lindner aber noch „ Überzeugungsarbeit“auf sich zukommen. Die Grünen hat er in der Frage auf seiner Seite: Es sei „ in Zeiten einer hohen Inflation dringend erforderlich, über die Höhe des Regelsatzes zu sprechen“, sagte der Grünen- Arbeitsmarktexperte Frank Bsirske unserer Redaktion. Der FDP- Politiker Jens Teutrine verwies darauf, dass die Regelsätze der Grundsicherung ohnehin turnusgemäß zum Jahresanfang angepasst werden sollten.
Heil hofft auf einen Kabinettsbeschluss bereits im September. Danach müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen, das neue System soll ab dem 1. Januar gelten. Der Zeitplan ist ambitioniert, angesichts der dramatischen Preissteigerungen steht die Koalition aber unter Druck, Haushalten mit kleinen Einkommen zu helfen. Linke- Fraktionschef Dietmar Bartsch rief die Koalition dazu auf, Heils Konzept nicht zu verwässern. „ Die FDP darf nicht Hemmschuh für einen anständigen Sozialstaat sein“, sagte Bartsch unserer Redaktion.
Die Vizepräsidentin des Sozialverbands Deutschland, Ursula Engelen- Kefer, sieht in dem Vorschlag nur einen Zwischenschritt. Heil müsse seine Pläne ergänzen – „ um eine spürbare Erhöhung der Regelsätze“, sagte Engelen- Kefer unserer Redaktion. Eine Erhöhung um bis zu 50 Euro reiche angesichts der „ dramatischen Preissteigerungen“nicht aus. „ Wir fordern anstatt eines Regelsatzes von aktuell 449 Euro mindestens 650 Euro“, sagte Engelen- Kefer.
Es geht um mehr Respekt und mehr Anerkennung
von Lebensleistung.
Hubertus Heil,
Bundesarbeitsminister