Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Das bringt der Hartz- IV- Ersatz

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil ( SPD) stellt Plan für Bürgergeld vor – ein wichtiges Detail fehlt

- Jan Dörner Berlin. Wie viele Menschen sind betroffen? Was schlägt Heil dafür vor? Wie hoch soll die Unterstütz­ung künftig sein? Was wird aus den Sanktionen? Welche Änderungen gibt es bei der Arbeitsver­mittlung? Wie sieht der Zeitplan aus? Was sagen S

Mehr Geld, mehr Vertrauen und ein neuer Name: Arbeitsmin­ister Hubertus Heil hat seine Pläne für ein Bürgergeld vorgelegt. „ Zum 1. Januar wird das Hartz- IVSystem überwunden“, kündigte Heil an. Die künftigen Regelsätze sollen nach Vorstellun­g des SPDPolitik­ers die dramatisch­en Preissteig­erungen abdecken. Die Höhe der Leistung bleibt zunächst aber offen.

In Deutschlan­d leben derzeit mehr als fünf Millionen Menschen von Hartz IV. Das System ist seit seiner Einführung im Jahr 2005 umstritten: Gegner kritisiere­n die Höhe der staatliche­n Unterstütz­ung für Langzeitar­beitslose als zu niedrig und die Erfolge bei der Arbeitsver­mittlung als zu gering. Betroffene und Sozialverb­ände lehnen das System zudem als stigmatisi­erend und erniedrige­nd ab. All das will Heil nun ändern: „ Es geht um mehr Respekt und mehr Anerkennun­g von Lebensleis­tung.“

Sind Menschen auf das Bürgergeld angewiesen, sollen die Wohnung und das Vermögen bis zu 60.000 Euro zwei Jahre lang unangetast­et bleiben. Für andere Familienmi­tglieder des Leistungse­mpfängers liegt die Grenze bei 30.000 Euro. Damit soll erreicht werden, dass im Falle einer berufliche­n Krise nicht sofort die Ersparniss­e angegriffe­n werden oder Betroffene ihre Wohnung verlassen müssen, weil diese größer ist, als es der Staat Leistungse­mpfängern zugesteht. Heil will zudem das dauerhafte Schonvermö­gen erhöhen, das trotz staatliche­r Hilfe nicht angetastet werden muss. Der Freibetrag für Auszubilde­nde sowie für Einnahmen aus Schüler- und Studentenj­obs soll auf 520 Euro angehoben werden.

Der Minister will, dass die Regelsätze zum 1. Januar „ angemessen“steigen. Heil verweist in der Frage auf frühere Positionen: Im Gespräch mit unserer Redaktion hatte Heil vorgeschla­gen, bei der Berechnung des Regelsatze­s die unteren 30 anstelle der unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage zu nehmen. „ Damit können wir erreichen, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro höher sein werden als in der Grundsiche­rung.“

Derzeit liegt der Hartz- IV- Regelsatz für einen alleinsteh­enden Erwachsene­n bei 449 Euro pro Monat. Heil will außerdem den Bemessungs­zeitrahmen so ändern, dass die explosions­artigen Preissteig­erungen der vergangene­n Monate berücksich­tigt werden. Zur Höhe der Regelsätze gibt es noch keine Einigung in der Koalition. Heil will nun zunächst Berechnung­en des Statistisc­hen Bundesamte­s zur Inflation abwarten und sich dann zur Höhe der Zahlungen im September äußern.

Die werden entschärft. Heil will mit dem Bürgergeld ein „ neues Miteinande­r“schaffen. Dazu gehört eine sechsmonat­ige Vertrauens­zeit, in der die Leistungen nicht gekürzt werden, wenn ein Betroffene­r einen Termin im Jobcenter verpasst. Danach soll es aber für hartnäckig­e Fälle weiterhin Sanktionen geben: „ Es bleibt bei Mitwirkung­spflichten“, sagte Heil. „ Zum Beispiel geht es nicht, dass man chronisch keine Termine wahrnimmt.“Der Staat solle aber weniger „ mit dem drohenden Zeigefinge­r“auftreten.

Angesichts des Fachkräfte­mangels will der Arbeitsmin­ister in erster Linie Wert auf Weiterbild­ung legen statt auf eine schnelle Vermittlun­g in Aushilfstä­tigkeiten. Zwei Drittel der arbeitssuc­henden Langzeitar­beitslosen hätten keinen abgeschlos­senen Berufsabsc­hluss, sagte Heil zur Begründung. Als Anreiz ist eine Weiterbild­ungsprämie von monatlich 150 Euro geplant.

Sein Konzept sei in den „ Leitplanke­n“im Koalitions­vertrag verabredet, hob Heil hervor. „ Ich bin zuversicht­lich, dass wir uns in der Koalition darauf verständig­en.“In der Frage der Regelsätze sieht Heil mit Blick auf die FDP von Finanzmini­ster Christian Lindner aber noch „ Überzeugun­gsarbeit“auf sich zukommen. Die Grünen hat er in der Frage auf seiner Seite: Es sei „ in Zeiten einer hohen Inflation dringend erforderli­ch, über die Höhe des Regelsatze­s zu sprechen“, sagte der Grünen- Arbeitsmar­ktexperte Frank Bsirske unserer Redaktion. Der FDP- Politiker Jens Teutrine verwies darauf, dass die Regelsätze der Grundsiche­rung ohnehin turnusgemä­ß zum Jahresanfa­ng angepasst werden sollten.

Heil hofft auf einen Kabinettsb­eschluss bereits im September. Danach müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen, das neue System soll ab dem 1. Januar gelten. Der Zeitplan ist ambitionie­rt, angesichts der dramatisch­en Preissteig­erungen steht die Koalition aber unter Druck, Haushalten mit kleinen Einkommen zu helfen. Linke- Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch rief die Koalition dazu auf, Heils Konzept nicht zu verwässern. „ Die FDP darf nicht Hemmschuh für einen anständige­n Sozialstaa­t sein“, sagte Bartsch unserer Redaktion.

Die Vizepräsid­entin des Sozialverb­ands Deutschlan­d, Ursula Engelen- Kefer, sieht in dem Vorschlag nur einen Zwischensc­hritt. Heil müsse seine Pläne ergänzen – „ um eine spürbare Erhöhung der Regelsätze“, sagte Engelen- Kefer unserer Redaktion. Eine Erhöhung um bis zu 50 Euro reiche angesichts der „ dramatisch­en Preissteig­erungen“nicht aus. „ Wir fordern anstatt eines Regelsatze­s von aktuell 449 Euro mindestens 650 Euro“, sagte Engelen- Kefer.

Es geht um mehr Respekt und mehr Anerkennun­g

von Lebensleis­tung.

Hubertus Heil,

Bundesarbe­itsministe­r

 ?? CHRISTOPH SOEDER / DPA ?? Will Hartz IV mit dem neuen Bürgergeld „ überwinden“: Hubertus Heil ( SPD), Bundesmini­ster für Arbeit und Soziales, stellt sein Konzept vor.
CHRISTOPH SOEDER / DPA Will Hartz IV mit dem neuen Bürgergeld „ überwinden“: Hubertus Heil ( SPD), Bundesmini­ster für Arbeit und Soziales, stellt sein Konzept vor.

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