Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Im Notfall: EU- Kommission will Sparzwang für Gas

Im Fall eines Gasmangels sollen die Länder zu Einsparung­en gezwungen werden. Lieferstop­p aus Russland sei „ wahrschein­liches Szenario“

- Brüssel.

Im Fall eines Gasnotstan­ds sollen alle EU- Staaten nach dem Willen der Europäisch­en Kommission zum Gassparen gezwungen werden können. Konkret schlug die Brüsseler Behörde am Mittwoch vor, dass verbindlic­he Reduktions­ziele möglich sein sollen, wenn nicht genug Gas gespart wird. Freiwillig sollen die EU- Länder weiterhin alles dafür tun, ihren Gasverbrau­ch in den kommenden Monaten um 15 Prozent im Vergleich zum Schnitt der vergangene­n fünf Jahre zu verringern.

Die EU- Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen. Voraussetz­ung für die Einführung von verpflicht­enden Einsparzie­len wäre, dass mindestens drei Staaten oder die EU- Kommission wegen einer Unterverso­rgung mit Gas akute Notsituati­onen befürchten. Ob und in welchem Umfang Deutschlan­d seinen Gasverbrau­ch weiter senken muss, um das 15- Prozent- Ziel zu erreichen, war zunächst unklar.

In den ersten fünf Monaten des Jahres war der Gasverbrau­ch in Deutschlan­d gut 14 Prozent niedriger als im Vorjahresz­eitraum, wie das Wirtschaft­sministeri­um mitteilte. „ Auch bereinigt um Temperatur­effekte lag der Gasverbrau­ch im laufenden Jahr 6,4 Prozent unter dem Wert des Vorjahresz­eitraums“, hieß es unter Verweis auf Zahlen des Bundesverb­ands der Energie- und Wasserwirt­schaft.

Im Mai seien es im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum sogar 34,7 Prozent – bereinigt 10,8 Prozent – weniger gewesen. Deutlich rückläufig sei auch die Stromerzeu­gung aus Gas, teilte das Ministeriu­m mit. Diese sei in den ersten fünf Monaten gut 14 Prozent niedriger als im Vorjahresz­eitraum gewesen.

Generell gibt es für den Fall einer Gasnotlage bereits einheitlic­he Regeln in der EU, die in der sogenannte­n SoS- Verordnung verankert sind. Diese regelt etwa, welche Kunden in einem Ernstfall noch mit Gas versorgt werden sollen. Haushalte und essenziell­e soziale Dienste werden als geschützte Verbrauche­r besonders behandelt. Sie genießen eine besondere Stellung, und ihnen kann von den Mitgliedsl­ändern Vorrang eingeräumt werden.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck ( Grüne) hatte bereits deutlich gemacht: Im Falle einer Gasmangell­age müssten alle Verbrauche­r Beiträge zum Energiespa­ren leisten. Wie dies genau ausgestalt­et wird, steht aber noch nicht fest.

EU- Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen hält einen kompletten Lieferstop­p von Gas aus Russland in die Europäisch­e Union für wahrschein­lich. „ Wir müssen uns auf eine mögliche vollständi­ge Unterbrech­ung der russischen Gasversorg­ung vorbereite­n“, sagte die deutsche Politikeri­n am Mittwoch in Brüssel. „ Dies ist ein wahrschein­liches Szenario.“Man habe schon in der Vergangenh­eit gesehen, dass Russland versuche, Druck auf die EU auszuüben, indem es die Gasversorg­ung reduziere. Ein kompletter Lieferstop­p würde von der Leyen zufolge alle EUStaaten schwer treffen. Zugleich betonte sie, dass die EU die Schwierigk­eiten bewältigen könne, wenn sie geschlosse­n handele.

Schon jetzt gibt es jedoch Mitgliedst­aaten, die sich nicht an die vorgeschla­genen Gasregeln halten wollen. So hat Ungarn vergangene Woche einen Notstand ausgerufen und angekündig­t, dass es ab August kein Gas und andere Energieträ­ger mehr an andere EU- Länder liefern will. Die EU- Kommission untersucht diesen Schritt gerade. dpa

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JOHN THYS / AFP EU- Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen warnt vor einem Gas- Lieferstop­p.

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