Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Draghi verpasst Ziel bei Vertrauensvotum
Italienischer Ministerpräsident gewinnt zwar die Abstimmung im Senat. Sein Rücktritt ist trotzdem wahrscheinlich – die Regierung steht vor dem Aus
Die Regierungskoalition um den italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi ist am Mittwoch in die Brüche gegangen. Am Ende eines dramatischen Tages im Senat in Rom musste der seit 18 Monaten amtierende Regierungschef eine schwere Niederlage hinnehmen. „ SuperMario“, wie der Ex- Chef der Europäischen Zentralbank ( EZB) in Italien genannt wird, bewältigte zwar eine Vertrauensabstimmung über das Programm, mit dem er bis zum Ende der Legislatur im Frühjahr 2023 im Sattel zu bleiben hoffte. Er erhielt 95 Ja- Stimmen und 39 Nein- Stimmen. Draghi verlor jedoch seine Mehrheit. Drei große Koalitionsparteien – die linkspopulistische Fünf- Sterne- Bewegung, die rechte Lega um Ex- Innenminister Matteo Salvini und die Forza Italia um den früheren langjährigen Regierungschef Silvio Berlusconi – stimmten nicht mit ab.
Der 74- Jährige musste zwar einsehen, dass die Mehrparteienkoalition, die ihn seit Februar 2021 unterstützt hatte, nicht mehr vorhanden ist, er suchte jedoch nicht wie erwartet Präsidenten Sergio Mattarella auf, um ihm seine Demission vorzulegen. Der Ministerpräsident wird sich voraussichtlich noch einer an diesem Donnerstag geplanten Vertrauensabstimmung in der
Abgeordnetenkammer, dem zweiten Parlamentsflügel in Rom, stellen. Seine Hoffnung ist, sich weiterhin über Wasser zu halten, was jedoch als unwahrscheinlich gilt.
Damit geht eine Regierungskrise weiter, die die Fünf- Sterne- Bewegung vor einer Woche ausgelöst hatte. Vergebens hatte Draghi im Laufe des Mittwochs versucht, die Regierungsparteien zur Verantwortung aufzurufen und seine bröckelnde Koalition zusammenzuhalten. „ Sind die Parteien zum Neustart des Regierungspakts bereit? Das ist die Antwort, die Sie allen Italienern geben müssen. In diesen Monaten war die nationale Einheit die beste Garantie für die demokratische Legitimierung dieser Regierung und ihrer Effizienz“, erklärte Draghi. Er, der nie von den Bürgern gewählt wurde, brauche die breitestmögliche Zustimmung des Parlaments.
Draghi erläuterte in seiner Rede die Errungenschaften seiner Regierung, die geschaffen wurde, um das Land aus der Corona- Pandemie und der wirtschaftlichen Krise heraus zu holen. „ Ich war noch nie so stolz, Italiener zu sein“, sagte er, der seine Regierung als „ Wunder“bezeichnete. Diese Ansicht teilten offenkundig die stärksten Regierungsparteien nicht, die sich nicht mehr hinter Draghi stellen wollen – jeder aus einem anderen Grund. Die Lega um Ex- Innenminister Matteo
Salvini bestand bis zuletzt auf einer neuen Regierung Draghi unter Ausschluss der Linkspopulisten, während die Fünf- Sterne- Bewegung Zugeständnisse für einige ihrer Hauptanliegen wie einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn und den
Erhalt des Grundeinkommen für Menschen unterhalb der Armutsgrenze fordert.
Draghi gab weder dem Druck der Rechten noch der Fünf- Sterne- Bewegung nach – und scheiterte. Vergebens hatten Bürgermeister, Wirtschaftsexperten und Bürgerinnen und Bürger Kampagnen für den Amtsverbleib des Regierungschefs geführt. Eine Petition der Regierungspartei „ Italia Viva“hatte 100.000 Unterschriften erreicht, sie wurde auch von fast 2000 Bürgermeistern unterzeichnet. Sollte Draghi das Handtuch werfen, gibt es in Italien wohl Neuwahlen im Herbst, ein Unikum im Land, wo bisher stets im Frühjahr gewählt wurde.