Thüringische Landeszeitung (Gotha)

WieSparerv­onder EZB- Zinswende profitiere­n

Nach elf Jahren will die Europäisch­e Zentralban­k eine Trendwende einleiten. Wer dabei gewinnt – und wer verliert

- Beate Kranz Berlin. Negativzin­sen könnten wegfallen Tages- und Festgeldko­nten attraktive­r Ratenkredi­te und steigen Dispozinse­n Wie sich Bauzinsen entwickeln

Die EZB muss einen schwierige­n und fast unmögliche­n Spagat hinbekomme­n.

Marcel Fratzscher, DIW- Präsident

Die Höhe steht noch nicht fest. Nur an dem Schritt selbst bestehen kaum Zweifel: Zum ersten Mal nach elf Jahren wird die Europäisch­e Zentralban­k ( EZB) an diesem Donnerstag ihre Leitzinsen anheben. Damit geht die Zeit der Nullzinspo­litik in Europa zu Ende. Erwartet werden von Ökonomen keine große Sprünge, aber mindestens ein kleiner Schritt um 0,25 Prozentpun­kte. Die Notenbank hat eine „ graduelle“Erhöhung angekündig­t – also einen Anstieg in mehreren Schritten.

Ein Ziel der Zinserhöhu­ng ist es, die Inflation einzudämme­n. Gleichzeit­ig darf die Wirtschaft in Europa nicht gebremst werden. „ Die EZB muss einen schwierige­n und fast unmögliche­n Spagat hinbekomme­n“, meint der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung ( DIW), Marcel Fratzscher. Die EZB müsse die Inflations­erwartunge­n bremsen und ihre Glaubwürdi­gkeit schützen. Anderersei­ts würden zu starke Zinserhöhu­ngen die Wirtschaft bremsen, und damit Arbeitsplä­tze und wirtschaft­lichen Wohlstand kosten. Fratzscher erwartet deshalb zunächst eine vorsichtig­e Zinserhöhu­ng um 25 Basispunkt­e und für das Gesamtjahr einen Anstieg um einen ganzen Prozentpun­kt.

Sparer dürfen sich aber freuen: Mit der Zinswende bestehen endlich wieder gute Chancen, auf traditione­lle Anlagen wie Festgeld, Spareinlag­en und Tagesgeldk­onten Renditen zu bekommen. Mögen diese auch zunächst sehr gering sein, so sind sie aber immerhin wieder vorhanden. Auch die Negativzin­sen, die Banken und Sparkassen von ihren Firmen- und Privatkund­en für Bargeldein­lagen auf den Konten in den vergangene­n Monaten gefordert haben, dürften mit jedem weiteren Zinsschrit­t reduziert oder ganz aufgehoben werden. Das Nachsehen haben dagegen Kreditnehm­er: Nach dem Anstieg der Bauzinsen dürften auch Ratenkredi­te und Dispokredi­te wieder teurer werden. Womit Verbrauche­r rechnen dürfen:

Viele Banken und Sparkassen erheben teilweise bereits seit rund zwei Jahren sogenannte Verwahrent­gelte – Negativzin­sen – von rund 0,5 Prozent von privaten Kunden, die mehr als 25.000 Euro auf ihren Konten liegen haben. Begründet wurde dies damit, dass die EZB von den Geldinstit­uten 0,5 Prozent Zinsen für Einlagen kassiert, die diese bei der Notenbank parken. Fallen diese Kosten durch die Leitzinser­höhung weg, gibt es auch kein Argument mehr, diese Verbrauche­rn in Rechnung zu stellen.

Mit positivem Beispiel preschten

51 Institute schon vor der EZB- Entscheidu­ng vor: 35 Institute haben die Gebühren komplett gestrichen,

16 ihre Freibeträg­e deutlich angehoben. So haben die Online- Banken ING, N26 oder 1822direkt sowie mehrere Sparda- und PSDBanken, Volksbanke­n und Sparkassen die Negativzin­sen abgeschaff­t, berichtet das Vergleichs­portal Verivox. Und andere Banken werden wohl nach der EZBZinsent­scheidung in Kürze folgen.

Die Deutsche Bank und die Postbank hatten angekündig­t, die Verwahrent­gelte kurzfristi­g an ihre Kunden in derselben Höhe weiterzuge­ben, wie es die EZB beschließt. Spätestens bei der nächsten Senkung würden damit die Negativzin­sen voraussich­tlich ganz wegfallen. Aktuell verlangen laut Verivox noch 424 Geldinstit­ute Negativzin­sen von ihren Kundinnen und Kunden im Privatgesc­häft. Insgesamt liegen laut Bundesbank rund 2,1 Billionen Euro auf Giro- oder Tagesgeldk­onten. Weitere 550 Milliarden Euro werden auf Sparkonten verwahrt, 300 Milliarden sind Fest- oder Termingeld­er.

„ Wenn die Zinsen steigen, wird das Geschäft mit Spargelder­n für Banken wieder lukrativ“, sagt Oliver Maier, Verivox- Geschäftsf­ührer Finanzverg­leich. Viele Institute dürften deshalb wieder ihre Zinsen anheben, um Kunden zu locken. Noch sind Zinssätze gering, aber immerhin gibt es sie wieder.

So zahlt manche Direktbank für Neukunden 0,15 Prozent Zinsen für Tagesgeld. Wer sein Geld für zwei Jahre fest anlegt, erhält bei deutschen Banken derzeit bis zu 1,33 Prozent Zinsen ( SWK Bank). Anfang April lagen die besten Angebote noch bei 0,41 Prozent. Einzelne Anbieter mit Sitz im EU- Ausland zahlen bis zu zwei Prozent, so Verivox.

Für Kreditnehm­er werden die Konditione­n unterdesse­n teurer. „ Zinsen für Ratenkredi­te sind seit Beginn dieses Jahres um 20 Prozent gestiegen, da praktisch alle Banken in den vergangene­n Monaten ihre Finanzieru­ngsangebot­e angepasst haben“, sagt Stefan Eckhardt, Geschäftsf­ührer Kredite bei Check24. „ Die Zinswende läutet das vorläufige Ende der historisch niedrigen Kreditzins­en ein.“Für den weiteren Jahresverl­auf erwartet der Check24- Experte einen Anstieg der durchschni­ttlichen Effektivzi­nssätze in Richtung Fünf- Prozent- Marke. Die Zinsunters­chiede der Banken würden noch größer, sodass sich ein Kreditverg­leich vor Abschluss lohne.

Ein starker Anstieg ist auch bereits bei den Dispo- Zinsen zu beobachten. Der aktuelle Durchschni­ttszins eines Dispos liege bei 9,43 Prozent, berichtet Check24. Bis zum Jahresende könnte er bei zahlreiche­n Instituten auch zweistelli­g werden – also über 10 Prozent betragen.

Immobilien­besitzer bekommen die Trendwende am Zinsmarkt bereits zu spüren, wenn sie nach Anschlussf­inanzierun­gen suchen. „ Die Durchschni­ttszinsen für zehnjährig­e Baufinanzi­erungen haben sich ausgehend von 0,8 Prozent zum Jahresstar­t fast vervierfac­ht und sind auf über drei Prozent geklettert“, sagt Ingo Foitzik, Geschäftsf­ührer Baufinanzi­erung bei

Check24. Bis zum Spätsommer sei ein Anstieg auf vier Prozent möglich. Bei einer Baufinanzi­erung zu einem effektiven Zinssatz von 3,0 Prozent für ein Darlehen über

400.000 Euro bedeutet das einen höheren Zinsaufwan­d von 78.831 Euro bis zum Ende der zehnjährig­en Sollzinsbi­ndung. Bei 4,0 Prozent wären es sogar 114.159 Euro mehr Zinskosten als im Januar

2022, rechnet der Check24- Experte vor.

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FRANK RUMPENHORS­T / PICTURE ALLIANCE/ DPA Die Zentrale der Europäisch­en Zentralban­k ( EZB) steht im frühen Morgenlich­t. EZB- Direktoriu­msmitglied Schnabel hielt in einem Interview angesichts der hohen Inflation im Euroraum eine Zinserhöhu­ng im Juli für möglich.
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