Thüringische Landeszeitung (Gotha)
„ Ohne Gas keine Produktion mehr“
Die Werkleiterin von Ever Pharma in Jena erklärt, wie die Energiekrise in ihrem Unternehmen wirken könnte
Weiter russisches Erdgas? Ja, nein. Was wäre, wenn ...? Es ist ganz einfach. „ Haben wir kein Gas mehr, ist keine Produktion möglich.“Das sagt Manuela Pfeifer, seit drei Jahren Werkleiterin der Ever Pharma Jena GmbH. Das Unternehmen produziert „ alles, was spritzbar ist“, wie die promovierte Apothekerin sagt. Das sind Notfallpräparate wie auch Medikamente für die Krebsbehandlung oder für Narkosen, die als Injektionslösungen in zugekaufte Fläschchen – so genannte Vials – Ampullen oder Fertigspritzen eingebracht werden. Die Produktionskapazität beläuft sich nach offiziellen Firmen- Angaben auf 130 Millionen Einheiten pro Jahr.
Seine Wurzeln hat das Unternehmen in der einstigen DDR- Firma Jenapharm; im Jahr 2011 wurde es von der österreichischen Ever Pharma übernommen. 400 Menschen arbeiten bei der Ever Pharma Jena GmbH.
Tatsächlich sei Ever Pharma mit der anderen höchst Gas- intensiven Branche, den Glas- Herstellern, eng verbandelt. Dafür stehe nicht nur die in Jena benachbarte Firma Schott, sondern auch eine ganze Reihe von Unternehmen, die als
Veredler von Schotts Basis- Produkten agieren. „ Glas ist überlebenswichtig für uns.“Aber auch die eigene Produktion ist bei Ever Pharma komplett abhängig vom Gas. Die flüssigen Präparate müssen in Reinräumen hergestellt werden. Deshalb gibt es nach Manuela Pfeifers Beschreibung ein haarfein austariertes System der Wärme- Kälte- Regulierung, der Luftfilterung wie auch der Dampferzeugung mit Hilfe des „ Hauptrohstoffs Wasser“, um die Produkte nach höchsten Qualitätsstandards destillieren und sterilisieren zu können. Vier Produktionseinheiten sind in Betrieb, „ die ich autark betreiben kann“, sagt Manuela Pfeifer.
Ever Pharma zählt in der Region bei den Stadtwerken zu den 30 Großabnehmern von Erdgas. Dafür stehen 14 Millionen Kilowattstunden, die Ever Pharma pro Jahr an Gas benötigt. Natürlich werde auch bei Ever Pharma über Alternativen nachgedacht. „ Aber wir kommen vom Gas nicht so schnell weg, wie es sein müsste“, sagt Manuela Pfeifer. Eine Umrüstung auf Öl sei „ von heute auf morgen schier unmöglich“. Ja, klar, gewisse Verdichtungen im Wärme- Kälte- Regime samt Wärmepumpenleistung und Abwärme- Nutzung wie bei Niedrigenergiehäusern oder der Einsatz von Wasserstoff – das sei alles denkbar. „ Das hilft uns aber nicht in der Akutlage.“
Sie verhehlt nicht, dass sie damit hadert, wenn nun in Gas- Notfallplanungen die Pharma- Branche gar nicht so sicher ganz oben steht auf der Liste der Bedürftigen. Während der Corona- Pandemie habe auch Ever Pharma „ viele Sonderschichten gemacht, um den Bedarf für ganz Europa rauszufahren“. Narkotika für die Betreuung von Patienten in Intensivbetten hätten da eine große Rolle gespielt. „ Es ist ja nicht nur so, dass wir ohne Gas nicht produzieren können – es würden zudem viele Lieferketten reißen.“
Oben drauf komme für ihre Branche die Politik des Preis- Moratoriums. „ Da darf man schon fragen: Was passiert mit dem Standort Europa?“
Wie steht sie persönlich zum besonderen Schutz der Gas- Versorgung von privaten Haushalten? „ Lieber kalt duschen, um Arbeitsplätze zu sichern!“, sagt Manuela Pfeifer. Sie glaube, dass zumindest ihre Belegschaft diese Meinung teile.