Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Früher Luxus, heute Alltag
Sonderausstellung „ Das Glas der Schwarzburger“in Arnstadt, Rudolstadt und Sondershausen
Drei filigrane Hirsche ragen aus dem Weinglas heraus. Ein einzigartiges Stück, das etwa zweieinhalb Jahrhunderte überdauert hat, allerdings mit einem kleinen Makel: Daraus zu trinken, ist nahezu unmöglich. Doch der vermeintliche Makel ist der eigentlich Clou. Die Sonderausstellung „ Das Glas der Schwarzburger“in den drei Museen in Arnstadt, Rudolstadt und Sondershausen zeigt Besucherinnen und Besuchern nicht nur, wie die Elite Glas nutzte, sondern auch, wie es das Arbeitsleben und die Wissenschaft veränderte.
Die sogenannten Scherzgläser, wie das Hirschglas der Heidecksburg Rudolstadt, sorgten bei den Gästen von Barockfesten für einige Lacher, wenn sie sich mit Wein und Bier überschütteten. Mit der Zeit spielte Glas jedoch nicht nur für den Adel eine große Rolle. Nein, es veränderte das Leben aller
Menschen.
„ Glas verändert!“heißt die Ausstellung im Schlossmuseum Sondershausen. Dort ist etwa eine sogenannte Schusterkugel zu sehen, die die Arbeitswelt stark beeinflusste.
Die Glaskugel wurde mit Wasser gefüllt und vor einer Kerze oder Lampe platziert.
Durch das Glas wurde das Licht verstärkt und auf einen kleinen Bereich auf der Arbeitsfläche fokussiert. Im Vergleich zu modernen Lampen war das Licht immer noch sehr schwach. Dennoch ermöglichte es den Menschen damals, unabhängig vom Tageslicht zu arbeiten, erklärt die Restauratorin Mary
Randhage. Auch in der Wissenschaft war Glas von Bedeutung. Endlich konnten zum Beispiel archäologische Funde oder Tiere bewahrt, konserviert und sogar ausgestellt werden. Beispiele dazu sind in der Ausstellung „ Glas schützt!“auf der Heidecksburg in Rudolstadt zu sehen: ein Präparateglas mit einem kleinen Nilkrokodil von 1760 oder mehrere Schaukästen aus dem Schwarzburgischen Naturalienkabinett aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in denen Schmetterlinge und Vögel präsentiert werden.
Teil der Schau auf der Heidecksburg ist außerdem eine sehenswerte Videovorführung der Scherzgläser. Die Forschung im Rahmen der Sonderausstellung sei eine einmalige Gelegenheit gewesen, die wertvollen Exponate einmal auszuprobieren, betont Museumsdirektorin Sabrina Lüderitz. Selbstverständlich nur mit destilliertem Wasser, nicht mit Wein oder Bier.
Die Scherzgefäße verdeutlichen nicht nur den Ideenreichtum, sondern auch das außergewöhnliche handwerkliche Geschick der Glasmacher. Ein beeindruckendes Beispiel, das ebenfalls im Video präsentiert wird, ist etwa eine Pistole aus Glas, in die ein Getränk gefüllt werden konnte. Beim Ausschenken machte es „ plopp!“, als würde ein Schuss ertönen. Für unsere Ohren nicht gerade vergleichbar mit einem wirklichen Knall, aber für die Gäste einer Barockfeier ein unglaublicher Spaß, sagt Lüderitz.
Das Schlossmuseum Arnstadt widmet sich in der Ausstellung „ Glas erstaunt!“insbesondere Luxusobjekten. Wer sich damals etwa eine kleine Zitrone aus venezianischem
Glas leisten konnte, einfach nur, um damit die Tafel zu dekorieren, musste von hohem Stand sein.
Denn Glas war ein überaus kostbares Material. Pokale mit Inschriften und Bildern waren daher auch ein Zeichen für den Status der Adeligen und helfen heute sogar dabei, Stammbäume und Stellungen zurückzuverfolgen, wie die Arnstädter Museumsdirektorin Antje Vanhoefen erklärt.
Die Idee zur ursprünglich vierteiligen Ausstellung – die Schau „ Glas wandert!“im Regionalmuseum Bad Frankenhausen endete bereits am 29. Mai – stammte aus Arnstadt. Gemeinsam mit der Justus- Liebig- Universität Gießen und der TU Bergakademie Freiberg wurde sie dann verwirklicht, sagt Vanhoefen. Die meisten Exponate stammen aus den eigenen Depots der Thüringer Museen und lassen nur vermuten, welche weiteren Schätze sich noch dort befinden.
„ Uns ging es nicht nur um prachtvolle Objekte, sondern um alle möglichen Formen, in denen Glas verwendet werden kann“, erklärt die Direktorin. So solle auch ein Bewusstsein für die Vielfältigkeit und Bedeutung von Glas geschaffen werden. Es lohne sich, die Augen auch bei einem Besuch der Dauerausstellungen offen zu halten, betont sie. Denn Glas verstecke sich überall, zum Beispiel in glitzernden Kronleuchtern oder dem bewundernswerten Porzellan- und Spiegelkabinett im Schlossmuseum Arnstadt.
Schlossmuseum Sondershausen: verlängert bis 30.9. Heidecksburg Rudolstadt: bis 3.10. Schlossmuseum Arnstadt: bis 20.11. www. das- glas- derschwarzburger. de