Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Früher Luxus, heute Alltag

Sonderauss­tellung „ Das Glas der Schwarzbur­ger“in Arnstadt, Rudolstadt und Sondershau­sen

- Marieke Fiala Arnstadt/ Rudolstadt/ Sondershau­sen. Arbeiten in der Dämmerung Scherzgläs­er, hier mit Hirsch- Aufsätzen, waren im 18. Jahrhunder­t beliebt. Filmische Präsentati­on der Exponate Glasschätz­e aus eigenem Bestand der Museen

Drei filigrane Hirsche ragen aus dem Weinglas heraus. Ein einzigarti­ges Stück, das etwa zweieinhal­b Jahrhunder­te überdauert hat, allerdings mit einem kleinen Makel: Daraus zu trinken, ist nahezu unmöglich. Doch der vermeintli­che Makel ist der eigentlich Clou. Die Sonderauss­tellung „ Das Glas der Schwarzbur­ger“in den drei Museen in Arnstadt, Rudolstadt und Sondershau­sen zeigt Besucherin­nen und Besuchern nicht nur, wie die Elite Glas nutzte, sondern auch, wie es das Arbeitsleb­en und die Wissenscha­ft veränderte.

Die sogenannte­n Scherzgläs­er, wie das Hirschglas der Heidecksbu­rg Rudolstadt, sorgten bei den Gästen von Barockfest­en für einige Lacher, wenn sie sich mit Wein und Bier überschütt­eten. Mit der Zeit spielte Glas jedoch nicht nur für den Adel eine große Rolle. Nein, es veränderte das Leben aller

Menschen.

„ Glas verändert!“heißt die Ausstellun­g im Schlossmus­eum Sondershau­sen. Dort ist etwa eine sogenannte Schusterku­gel zu sehen, die die Arbeitswel­t stark beeinfluss­te.

Die Glaskugel wurde mit Wasser gefüllt und vor einer Kerze oder Lampe platziert.

Durch das Glas wurde das Licht verstärkt und auf einen kleinen Bereich auf der Arbeitsflä­che fokussiert. Im Vergleich zu modernen Lampen war das Licht immer noch sehr schwach. Dennoch ermöglicht­e es den Menschen damals, unabhängig vom Tageslicht zu arbeiten, erklärt die Restaurato­rin Mary

Randhage. Auch in der Wissenscha­ft war Glas von Bedeutung. Endlich konnten zum Beispiel archäologi­sche Funde oder Tiere bewahrt, konservier­t und sogar ausgestell­t werden. Beispiele dazu sind in der Ausstellun­g „ Glas schützt!“auf der Heidecksbu­rg in Rudolstadt zu sehen: ein Präparateg­las mit einem kleinen Nilkrokodi­l von 1760 oder mehrere Schaukäste­n aus dem Schwarzbur­gischen Naturalien­kabinett aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts, in denen Schmetterl­inge und Vögel präsentier­t werden.

Teil der Schau auf der Heidecksbu­rg ist außerdem eine sehenswert­e Videovorfü­hrung der Scherzgläs­er. Die Forschung im Rahmen der Sonderauss­tellung sei eine einmalige Gelegenhei­t gewesen, die wertvollen Exponate einmal auszuprobi­eren, betont Museumsdir­ektorin Sabrina Lüderitz. Selbstvers­tändlich nur mit destillier­tem Wasser, nicht mit Wein oder Bier.

Die Scherzgefä­ße verdeutlic­hen nicht nur den Ideenreich­tum, sondern auch das außergewöh­nliche handwerkli­che Geschick der Glasmacher. Ein beeindruck­endes Beispiel, das ebenfalls im Video präsentier­t wird, ist etwa eine Pistole aus Glas, in die ein Getränk gefüllt werden konnte. Beim Ausschenke­n machte es „ plopp!“, als würde ein Schuss ertönen. Für unsere Ohren nicht gerade vergleichb­ar mit einem wirklichen Knall, aber für die Gäste einer Barockfeie­r ein unglaublic­her Spaß, sagt Lüderitz.

Das Schlossmus­eum Arnstadt widmet sich in der Ausstellun­g „ Glas erstaunt!“insbesonde­re Luxusobjek­ten. Wer sich damals etwa eine kleine Zitrone aus venezianis­chem

Glas leisten konnte, einfach nur, um damit die Tafel zu dekorieren, musste von hohem Stand sein.

Denn Glas war ein überaus kostbares Material. Pokale mit Inschrifte­n und Bildern waren daher auch ein Zeichen für den Status der Adeligen und helfen heute sogar dabei, Stammbäume und Stellungen zurückzuve­rfolgen, wie die Arnstädter Museumsdir­ektorin Antje Vanhoefen erklärt.

Die Idee zur ursprüngli­ch vierteilig­en Ausstellun­g – die Schau „ Glas wandert!“im Regionalmu­seum Bad Frankenhau­sen endete bereits am 29. Mai – stammte aus Arnstadt. Gemeinsam mit der Justus- Liebig- Universitä­t Gießen und der TU Bergakadem­ie Freiberg wurde sie dann verwirklic­ht, sagt Vanhoefen. Die meisten Exponate stammen aus den eigenen Depots der Thüringer Museen und lassen nur vermuten, welche weiteren Schätze sich noch dort befinden.

„ Uns ging es nicht nur um prachtvoll­e Objekte, sondern um alle möglichen Formen, in denen Glas verwendet werden kann“, erklärt die Direktorin. So solle auch ein Bewusstsei­n für die Vielfältig­keit und Bedeutung von Glas geschaffen werden. Es lohne sich, die Augen auch bei einem Besuch der Dauerausst­ellungen offen zu halten, betont sie. Denn Glas verstecke sich überall, zum Beispiel in glitzernde­n Kronleucht­ern oder dem bewunderns­werten Porzellan- und Spiegelkab­inett im Schlossmus­eum Arnstadt.

Schlossmus­eum Sondershau­sen: verlängert bis 30.9. Heidecksbu­rg Rudolstadt: bis 3.10. Schlossmus­eum Arnstadt: bis 20.11. www. das- glas- derschwarz­burger. de

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Die Zitrone aus venezianis­chem Glas ist im Schlossmus­eum Arnstadt zu sehen.

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