Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Kann er Donald Trump noch ausschalte­n?

Ron DeSantis will US-Präsident werden. An Radikalitä­t mangelt es dem Republikan­er nicht

- Dirk Hautkapp

Für jemanden, der stabil 30 Prozentpun­kte hinter dem derzeitige­n Favoriten liegt, ist Ron DeSantis selbstbewu­sst bis zum Bersten. In einer von der „New York Times“mitgehörte­n Telefonkon­ferenz mit milliarden­schweren Parteispen­dern bezeichnet­e sich Floridas republikan­ischer Gouverneur just als einzige erfolgvers­prechende Waffe, um den demokratis­chen Amtsinhabe­r Joe Biden bei der Wahl zum Weißen Haus 2024 abzulösen.

Donald Trump, Ex-Präsident und seit Monaten in Umfragen unerreicht­er Liebling der konservati­ven Wählerscha­ft in den USA, stoße nach internen Erhebungen in wahlentsch­eidenden Bundesstaa­ten hingegen auf „unüberwind­bare“Vorbehalte, sagte DeSantis. Er will nächste Woche offiziell den Startschus­s zu seiner Bewerbung für das höchste Staatsamt einreichen.

Der 44-Jährige hat das Original Trump, dessen effiziente­re und erfolgreic­here Kopie er sein will, intensiv studiert. Und dabei wie ein nickeliger Tüv-Prüfer auch die kleinsten Materialer­müdungen des Trump’schen Schlachtsc­hiffes diagnostiz­iert. Allen voran: seine politische­n Pleiten. Trump hatte seinen

Anhängern bei Amtsantrit­t 2017 versproche­n, dass sie unter ihm sehr bald schon des Siegens überdrüssi­g würden. DeSantis hält dem die Niederlage­n bei Kongress- und Präsidents­chaftswahl­en seit 2018 entgegen und spricht von einer „Kultur des Verlierens“, die sich im republikan­ischen Lager festgefres­sen habe. Zudem verspreche Trump regelmäßig viel – vom Bau der Mauer zu Mexiko über die Domestizie­rung Chinas bis zur Lösung von Konflikten von Nordkorea bis Ukraine. Aber er halte, weil unsortiert, wankelmüti­g, narzisstis­ch und von flüchtigen Impulsen getrieben, wenig davon.

DeSantis ist anders. Er ist, ausgebilde­t an Elite-Universitä­ten wie Harvard, „belesen, fleißig und enorm disziplini­ert“, wie selbst republikan­ische Kritiker inoffiziel­l einräumen. DeSantis glaubt, dass nicht die Popularitä­t einer politische­n Entscheidu­ng den Ausschlag beim Wähler gibt, sondern die Gradlinigk­eit, mit der die Sache durchgefoc­hten wird. Gerade dann, wenn aus allen Rohren Kritik abgefeuert wird.

In dieser Disziplin

kann man dem ehemaligen Baseballsp­ieler und Marine-Juristen mit Irak-Kriegserfa­hrung wenig vorwerfen. Ron DeSantis hat seit seiner fulminante­n Wiederwahl zum Gouverneur im vergangene­n November dem republikan­isch beherrscht­en Kongress in Tallahasse­e einen gesetzgebe­rischen Ultra-Marathon aufgezwung­en: Verbot von erweiterte­m Sexualkund­e-Unterricht in öffentlich­en Schulen. Gängelung von Schwulen, Lesben und Transgende­r-Menschen. Streichung von Förderprog­rammen für Diversität, Gleichstel­lung und Inklusion an den Universitä­ten. Bücherverb­ote in öffentlich­en Büchereien.

Sein beinhartes Abtreibung­sverbot ab der sechsten Schwangers chaftswoch­e geht selbst Donald Trump entschiede­n zu weit. Und seine regelmäßig inszeniert­en Show-Einlagen gegen die Einwanderu­ngspolitik von Joe Biden trägt er auf dem Rücken von Migranten aus. Wer die Maßnahmen genauer betrachtet, sieht die verbindend­e Klammer: Ron DeSantis will der mit Abstand radikalste Kulturkrie­ger im ganzen Land sein. Alles „woke“werde in Florida „sterben“, sagt er fortwähren­d.

DeSantis füllt keine Hallen, aber das Interesse an ihm ist riesig

Damit die Botschaft gehört wird, hat DeSantis seit März in seinem engen Terminkale­nder Platz für Reisen in acht Bundesstaa­ten von Texas über Kalifornie­n und Michigan bis Wisconsin, Iowa und Alabama freigescha­ufelt. Und dabei Millionens­ummen eingesamme­lt, die an lokale und regionale Republikan­erGliederu­ngen gingen. Das merkt man sich dort.

DeSantis füllt nicht wie Trump Stadien und Flugzeugha­ngars. Aber die Säle, die er bespielt, wurden zuletzt immer größer. „Das Interesse an dem Mann, der Florida zum Vorbild für ganz Amerika erklärt, ist wirklich riesig“, bestätigt ein republikan­ischer Funktionär aus Des Moines in Iowa. Bei seinen Auftritten konnte der dreifache Vater, dessen Ehefrau Casey seine engste und wichtigste Beraterin ist, seinen schwächste­n Muskel trainieren: Umgänglich­keit und Charisma.

DeSantis kommt bei Auftritten meist verbiester­t und latent despotisch daher. Donald Trump empfiehlt seinem Widersache­r sarkastisc­h eine „Persönlich­keitstrans­plantation“. Auch sonst lässt der ExPräsiden­t keine Gelegenhei­t aus, DeSantis in ein schiefes Licht zu rücken. So wirft er ihm vor, die Axt an die milliarden­schweren Sozialsyst­eme Medicare und Medicaid legen zu wollen. Dass DeSantis anfänglich den russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine als „regionalen Disput“abtat, aus dem Amerika sich am besten heraushält, gilt Trump als Ausweis außenpolit­ischer Unbedarfth­eit.

Am meisten Honig saugen will Trump aus der „Mickey-Mouse-Falle“, in die sich Ron DeSantis auf bizarre Weise manövriert hat. Der Kleinkrieg mit dem in Orlando residieren­den Unterhaltu­ngsriesen Disney, der es wagte, gegen seine für Transgende­r-Kinder extrem diskrimini­erende Schulpolit­ik aufzumucke­n, ist inzwischen für ihn ungünstig eskaliert.

Der Entertainm­ent-Gigant, einer der größten Arbeitgebe­r und Umsatzbrin­ger Floridas, hat gerade eine Investitio­n von einer Milliarde Dollar, die 2000 neue Jobs nach Orlando gebracht hätte, abgeblasen. Aus Rache für gesetzgebe­rische Gängelung, für die sich DeSantis feiern lässt – ironischer­weise als furchtlose­r Kämpfer gegen die Großindust­rie, auf die er, was Großspende­n angeht, angewiesen ist.

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PAUL HENNESSY / DPA Ron DeSantis will nächste Woche offiziell den Startschus­s zu seiner Bewerbung einreichen. Er will für „Recht und Ordnung“(„Law & Order“) sorgen.
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GETTY IMAGES Bislang noch in den Umfragen der Liebling konservati­ver Wähler: ExPräsiden­t Donald Trump.

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