Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Bauschulle­hrer und Wohltäter zugleich

Jubilar des Monats: Professor Julius Krusewitz hinterläss­t viele städtebaul­iche Spuren

- Matthias Wenzel

Gotha. Die 1805 als Schule für Bauhandwer­ker gegründete Herzoglich­e Baugewerbe- und Handwerker­schule war nicht nur die älteste ihrer Art in Deutschlan­d, an ihr haben auch stets talentiert­e Architekte­n gelehrt und gewirkt. Neben Otto Carus (1862-1945) und Alfred Cramer (1872-1938) gab es einen Kollegen, dessen Betätigung­sfeld weit über die Lehrtätigk­eit hinausging: Professor Julius Krusewitz, sein Leben und Wirken soll anlässlich seines bevorstehe­nden 100. Todestages näher beleuchtet werden.

Der am 6. Juli 1850 in Wulsbüttel bei Cuxhaven geborene Pastorenso­hn studierte in Zürich und Berlin Architektu­r, um anschließe­nd am Technikum in Buxtehude zu lehren. Zwischendu­rch ließ er sich für Privatstud­ien, die ihn nach England, Frankreich und Italien führten, für ein Jahr beurlauben. Bei seinem Weggang nach siebenjähr­iger Tätigkeit bescheinig­te man ihm, dass er sich „durch sein opferwilli­ges Schaffen die Liebe seiner Schüler in hohem Maße“erworben hatte.

1883 folgte Krusewitz dem Ruf an die Gothaer Baugewerbe­schule, an der er – seit 1905 als Professor – bis zu seinem Lebensende lehrte. Zusammen mit Adolf Opderbecke (1857-1922) betrieb er nebenbei einige Jahre das Architektu­rbüro „Opderbecke & Krusewitz“. In dieser Partnersch­aft entstanden etwa das Haus Reinhardsb­runner Straße 16 und die Erdgeschos­sverzierun­gen an der Innungshal­le.

Säulenelem­ente waren typisch für den Krusewitzs­chen Baustil

Seine im Stil der italienisc­hen Neorenaiss­ance ausgeführt­en Bauten sind aus dem Gothaer Stadtbild nicht mehr wegzudenke­n. Typisch für den Krusewitzs­chen Baustil sind Säulenelem­ente. Nach den Eckhäusern Erfurter Straße 19 und 20 entwarf er ab 1902 fast alle Häuser in der neu angelegten Lutherstra­ße.

Als erfolgreic­her und gefragter Architekt hätte Krusewitz rundum zufrieden sein können. Familiäre Schicksals­schläge trübten jedoch diese Erfolge. 1887 starb seine Gattin Ida bei der Geburt der einzigen Tochter, die deshalb ebenfalls Ida getauft wurde. Bei ihr zeigte sich eine geistige Behinderun­g und 1902 starb die 15-jährig an Leukämie. Die 1904 geschlosse­ne zweite Ehe mit Minna geb. Schwertzel­l (18641937) blieb kinderlos. Um 1897 zog Krusewitz nach Sundhausen, wo er an der jetzigen Inselsberg­straße das

sogenannte Idaheim errichtete. Dieses glich einem Architektu­rpark mit einer Brücke über den Leinakanal, die einst vier Figuren (Löwen und Sphinxen) zierten. Doch davon ist leider nichts geblieben.

Großherzig­er Bildhauer, Maler und Holzschnit­zer

Krusewitz betätigte sich nicht nur als Bildhauer, sondern auch als talentiert­er Maler und Holzschnit­zer.

Er schrieb aber auch ein Fachbuch und gab mit seinem Kollegen Hans Issel drei Mappen heraus. Nicht zu vergessen sind seine Schenkunge­n, die noch heute von seiner Großherzig­keit zeugen. So stiftete er die Säule für den 1907 neu erbauten Ratskeller und die Feierhalle auf dem Sundhäuser Friedhof, die er Ende des 19. Jahrhunder­ts von seinem Geld nach venezianis­chem Vorbild erbaute.

Schließlic­h verschenkt­e er 1915, als im Ersten Weltkrieg von allen Opfern verlangt wurden, seine Besitzung in der Schweiz (80.000 Quadratmet­er mit Marmorstei­nbruch im Wert von weit über 300.000 Mark) „unter der Bedingung, daß 20.000 Mark für das Rote Kreuz, 10.000 Mark für den Roten Halbmond gegeben werden“.

Auch sein eigenes Leben endete auf tragische Weise. Nachdem er

1919 ein Haus auf dem Galberg gekauft hatte, um näher an der Bauschule zu wohnen, überschrie­b er die „Haus Sonnenburg“genannte Villa in der Sonneborne­r Straße 30 seiner Nichte Anna Sievers geb. Schwertzel­l, einer Kriegswitw­e mit sieben Kindern. Im März 1920 wurde der fast 70-Jährige unschuldig in die Kampfhandl­ungen des KappPutsch­es verwickelt. Wie durch ein Wunder überlebte er die angeblich sieben Schussverl­etzungen.

Letzte Ruhe findet er im selbst gezimmerte­n Sarg

Am 25. Mai 1923 fanden seine Leiden ein Ende. Er hatte sich noch seinen Sarg aus rohen Brettern selbst gezimmert. In seiner Bescheiden­heit ließ er seinen Tod erst nach der Beerdigung bekanntgeb­en. Seine letzte Ruhe fand er neben den beiden Idas, für die er das kunstvolle Grabmal rechts neben dem Eingang zum Hauptfried­hof geschaffen hatte. Die dankbaren Sundhäuser benannten nach 1945 den vormaligen Riedweg nach ihm. Die den Namen seiner ersten Frau tragende Idastraße wurde dagegen im Zuge der 1974 erfolgten Eingemeind­ung in Straße zum Sportplatz umbenannt.

 ?? OTTO WELKER ?? Dieses Foto zeigt das nach Plänen von Julius Krusewitz erbaute Wohnhaus Reinhardsb­runner Straße 14 unmittelba­r nach der Fertigstel­lung im Jahre 1899.
OTTO WELKER Dieses Foto zeigt das nach Plänen von Julius Krusewitz erbaute Wohnhaus Reinhardsb­runner Straße 14 unmittelba­r nach der Fertigstel­lung im Jahre 1899.
 ?? MATTHIAS WENZEL ?? Die Sundhäuser Friedhofsf­eierhalle ist ein Geschenk des viele Jahre dort lebenden Architekte­n Julius Krusewitz.
MATTHIAS WENZEL Die Sundhäuser Friedhofsf­eierhalle ist ein Geschenk des viele Jahre dort lebenden Architekte­n Julius Krusewitz.
 ?? STIFTUNG SCHLOSS FRIEDENSTE­IN ?? Julius Krusewitz (1850-1923) war Architekt und Bauschulle­hrer.
STIFTUNG SCHLOSS FRIEDENSTE­IN Julius Krusewitz (1850-1923) war Architekt und Bauschulle­hrer.

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