Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Zweifel am Tempolimit
Thüringen verzeichnet die größte Ablehnung einer freiwilligen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen
Fast zwei Drittel der Deutschen fordern nach der jüngsten Energiepreiskrise neue Konzepte für die Mobilität. Die größte Sorge bleibt aber, dass die Kosten für Mobilität weiter steigen, ergab die neue Studie der Huk Coburg.
Dennoch setzen die Thüringer weiterhin auf das eigene Auto: Wegen des 49-Euro-Tickets darauf zu verzichten ist für sie kaum ein Thema. Nur drei Prozent der Befragten überlegen, ihr Auto abzuschaffen und auf andere Möglichkeiten zu setzen. Das ist – zusammen mit Niedersachsen – der zweitniedrigste Wert im Bundesländer-Vergleich.
Vor allem bei der Fahrt in den Urlaub will der Thüringer trotz 49Euro-Ticket nichts ändern. Nur acht Prozent erklären, dass sie vermehrt mit Bus und Bahn in den Urlaub fahren oder Ausflüge machen werden. Das ist der bundesweit niedrigste Wert. Und die Thüringer sind im Auto gern zügig unterwegs: In Thüringen lehnen es mit Abstand die meisten Befragten (33 Prozent) ab, freiwillig nur noch höchstens 130 Stundenkilometer auf Autobahnen zu fahren, wenn bestimmte Klimaziele erreicht werden müssen. Der Bundesschnitt liegt bei 23 Prozent. Zum Vergleich: In Hamburg lehnen nur 19 Prozent ein freiwilliges Tempolimit ab.
Das Thüringer Infrastrukturministerium erklärt dazu: „Ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen kann einen wesentlichen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit leisten. Außerdem macht es den Verkehr flüssiger, wodurch weniger Staus entstehen. Der Bund ist aufgefordert, seine ablehnende Haltung zum Tempolimit zu überdenken.“
Thüringens Umweltminister ergänzt: „Die Zahlen zeigen, dass es für ein Flächenland wie Thüringen eine größere Herausforderung ist, attraktive Alternativen zum Auto zu bieten als in Ballungszentren“, so Bernhard Stengele (Grüne). „Die Zahlen zeigen auch, dass sich immer mehr Menschen vorstellen können, freiwillig ihr Tempo zu drosseln. Wer sich an Tempo 130 auf der Autobahn orientiert, hat vielleicht schon in Schweden, Frankreich oder Italien erlebt, wie gut das funktioniert und Ziele so mit weniger Stress erreicht werden. Mir geht es jedenfalls so. Natürlich hilft das beim Umweltschutz, aber es stärkt eben auch die Verkehrssicherheit.“
Für die Auto-Präferenz der Thüringer sprechen auch andere Ergebnisse: So messen 80 Prozent der befragten Thüringer dem Auto eine hohe Bedeutung als passendes Verkehrsmittel bei, höher ist der Wert nur in Sachsen-Anhalt. Auch haben die hohen Spritpreise die Thüringer kaum dazu gebracht, aufs Fahrrad umzusteigen: Nur 12 Prozent fahren deshalb öfter Fahrrad, ein unterdurchschnittlicher Wert. Noch niedriger ist der Wert nur im Saarland und in Bayern. In Thüringen ist der Studie zufolge die Befürchtung groß, dass es bei der Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte zu einer Bevormundung kommt. 26 Prozent befürchten das, der höchste Wert im Länder-Vergleich.
Für die Mobilitätsstudie, die nach 2021 und 2022 zum dritten Mal in Folge durchgeführt wurde, wurden mehr als 4000 Personen ab 16 Jahren repräsentativ und zeitgleich in allen 16 Bundesländern zu Mobilitätskonzepten der Zukunft befragt.