Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Wer die Rentenversicherung verlassen kann
Für die meisten Berufstätigen ist die gesetzliche Rentenversicherung Pflicht. Es gibt aber Ausnahmen
Berlin. Von der gesetzlichen Rente erwarten etliche Arbeitnehmer in Deutschland nicht allzu viel. Man zahle sein ganzes Berufsleben über Geld ein und bekomme dann im Ruhestand nur mickrige Bezüge, lautet eine weit verbreitete Einschätzung. Eine Umfrage im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ergab kürzlich, dass mehr als vier Fünftel der Menschen im Erwerbsalter das Rentenniveau für zu niedrig halten. Manch einer liebäugelt damit, aus der Rentenversicherung auszutreten – doch das ist nur in Ausnahmefällen möglich. Ein Überblick.
Lohnt es sich, gesetzlich rentenversichert zu sein?
„Die gesetzliche Rentenversicherung ist und bleibt die wichtigste Säule der Alterssicherung in Deutschland“, schwärmt das Bundesarbeitsministerium von Ressortchef Hubertus Heil (SPD). Wer das Rentenalter erreicht, bekommt verlässlich Geld von der Rentenversicherung überwiesen. Außerdem finanziert die Rentenversicherung Erwerbsminderungsund Hinterbliebenenrendie
ten sowie Reha-Leistungen. Die ausgezahlte Durchschnittsrente lag zuletzt bei 1152 Euro pro Monat (Männer 1276 Euro, Frauen 1060 Euro). Der Beitragssatz zur allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung liegt bei 18,6 Prozent des Bruttolohns, wobei Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils die Hälfte übernehmen.
Wie hoch ist die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung?
Immer wieder beugen sich Mathematiker über diese Frage. Eine eindeutige Antwort gibt es aber nicht, denn sie hängt stark von den individuellen Umständen ab. Aber es gibt Durchschnittswerte: Im vergangenen Jahr etwa kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass Frauen,
2020 in Rente gingen und 45 Jahre lang durchschnittlich verdient haben, nach Abzug der Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung mit einer Beitragsrendite von knapp drei Prozent rechnen können. Bei Männern liegt die Netto-Rendite wegen der geringeren Lebenserwartung demnach bei etwa 2,5 Prozent.
Ich will ausschließlich privat vorsorgen. Kann ich aus der gesetzlichen Rentenversicherung austreten?
Das ist in der Regel nicht möglich – zumindest dann nicht, wenn man Arbeitnehmer ist. Denn die gesetzliche Rentenversicherung ist eine Pflichtversicherung. Neben den meisten Beschäftigten sind davon beispielsweise auch Azubis betroffen, außerdem behinderte Menschen in geschützten Einrichtungen, Wehrdienstleistende, Bezieher von Krankengeld, pflegende Angehörige (unter bestimmten Bedingungen) sowie eine ganze Reihe von Selbstständigen, die nach Auffassung des Gesetzgebers besonders schutzbedürftig sind. Dazu zählen etwa selbstständige Lehrer und Erzieher, Pfleger und Hebammen, Künstler und Publizisten, Seelotsen
und Küstenschiffer. Ebenfalls der Versicherungspflicht unterliegen selbstständige Handwerker, die in der Handwerksrolle eingetragen sind.
Welche Gruppen sind von der Versicherungspflicht befreit?
Die meisten Selbstständigen – es sei denn, sie gehören zu den Ausnahmen. Arbeitnehmer, die sich selbstständig machen, unterliegen also nicht mehr der Versicherungspflicht. Zudem gibt es eine ganze Reihe von Arbeitnehmern, die außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert sind. Dazu zählen beispielsweise Beamte, Richter und Berufs- oder Zeitsoldaten. Sie müssen nicht einmal einen Antrag stellen, um sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Auf Antrag wiederum können sich Angehörige freier Berufe befreien lassen, sofern sie in berufsständischen Versorgungswerken pflichtversichert sind. Das gilt beispielsweise für Anwälte, Architekten, Apotheker und Ärzte. Selbstständige Handwerker können auf Antrag nach 18 Jahren die gesetzliche Rentenversicherung verlassen. Auch Minijobber können einen Antrag stellen.