Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Spargel und Erdbeeren: So hart ist die Arbeit auf dem Feld
Viele Erntehelfer in Deutschland arbeiten laut einer neuen Studie unter widrigen Bedingungen. Der Bauernverband weist die Vorwürfe zurück
Saisonarbeiter in der Landwirtschaft werden in Deutschland vielerorts noch immer ausgebeutet. „Lohndumping, Wuchermieten und unzureichender Krankenversicherungsschutz sind weitverbreitet“, heißt es in einer Untersuchung des Peco-Instituts im Auftrag der Organisation Oxfam, die sich weltweit für faire Arbeitsbedingungen einsetzt. In der Studie hat sich das Institut die Arbeitsbedingungen auf vier Spargel- und Erdbeerhöfen angeschaut, mit einem erschreckenden Ergebnis.
Der Studie zufolge ist Lohndrückerei weitverbreitet. Die Saisonkräfte
erhalten zum Beispiel eine kaum durchschaubare Kombination aus Stunden- und Akkordlöhnen. Dabei werden die Zielvorgaben so hoch angesetzt, dass sie kaum oder gar nicht erreichbar sind. „Das sind keine Einzelfälle“, klagt Oxfam. Beschäftigte würden regelmäßig über falsche Angaben bei der Arbeitszeiterfassung klagen. Unter dem Strich müssten sie mehr arbeiten, als sie bezahlt bekommen, kritisiert Benjamin Luig von der Initiative Faire Landarbeit. „Zehn Stunden schwere und monotone körperliche Arbeit sind Alltag in der deutschen Landwirtschaft“, sagt er. Das Institut hat 66 Arbeiterinnen und Arbeiter aus den vier Betrieben befragt. Dazu kommen die Ergebnisse von Feldaktionen der Initiative. Die Betroffenen berichteten auch von hohen Lohnabzügen für einfache Gemeinschaftsunterkünfte. „Für eine Baracke ohne Küche verlangt einer der Betriebe 40 Euro pro Quadratmeter“, sagt Oxfam-Experte Steffen Vogel.
Ein Brandenburger Bauernhof sei ein besonders skandalöses Beispiel. Die Unterkünfte glichen Baracken, in den Zimmern wachse Schimmel. Es gebe keine Küche, die Beschäftigten müssten sich mit mobilen Herdplatten begnügen. Ein Toilettenhäuschen müssten sich 50 Menschen teilen.
Viele haben keinen umfassenden Krankenversicherungsschutz
Auch bei der Krankenversicherung gibt es Probleme. „Die meisten haben keinen umfassenden Krankenversicherungsschutz oder geben an, gar nicht versichert zu sein“, stellt
Oxfam fest. Die Großteil wird demnach als kurzfristig beschäftigt angestellt und über eine private Gruppen-Krankenversicherung des Betriebs abgesichert. Das Leistungsspektrum der Police ist geringer als das der Krankenkassen. Kurze Kündigungsfristen, im Extremfall von einem Tag, hätten zur Folge, dass Beschäftigte noch krank oder verletzt die Heimreise antreten. Von den vier untersuchten Betrieben liegen zwei in Brandenburg, einer in Hessen und einer in MecklenburgVorpommern. Die Landwirte bestreiten die Vorwürfe zum Teil. Trotz der geringen Stichprobe hält Vogel die Ergebnisse der Studie nicht für Einzelfälle. „Diese Aussagen
der Beschäftigten hören wir immer wieder“, sagt er.
Das sieht der Deutsche Bauernverband (DBV) anders. „Saisonarbeiter erhalten in Deutschland mindestens einen Stundenlohn von zwölf Euro, häufig sogar deutlich mehr“, sagt DBV-Generalsekretär Udo Hemmerling. Oft arbeiteten Saisonkräfte seit vielen Jahren in denselben Betrieben. Bei schlechten Bedingungen würden sie wohl nicht zurückkommen.
Die Schuld an den Verhältnissen weist Oxfam allerdings nicht allein den Landwirten zu. Vielmehr seien die Handelsketten durch den von ihnen ausgelösten Preisdruck mitverantwortlich für die Zustände.