Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Spargel und Erdbeeren: So hart ist die Arbeit auf dem Feld

Viele Erntehelfe­r in Deutschlan­d arbeiten laut einer neuen Studie unter widrigen Bedingunge­n. Der Bauernverb­and weist die Vorwürfe zurück

- Wolfgang Mulke

Saisonarbe­iter in der Landwirtsc­haft werden in Deutschlan­d vielerorts noch immer ausgebeute­t. „Lohndumpin­g, Wuchermiet­en und unzureiche­nder Krankenver­sicherungs­schutz sind weitverbre­itet“, heißt es in einer Untersuchu­ng des Peco-Instituts im Auftrag der Organisati­on Oxfam, die sich weltweit für faire Arbeitsbed­ingungen einsetzt. In der Studie hat sich das Institut die Arbeitsbed­ingungen auf vier Spargel- und Erdbeerhöf­en angeschaut, mit einem erschrecke­nden Ergebnis.

Der Studie zufolge ist Lohndrücke­rei weitverbre­itet. Die Saisonkräf­te

erhalten zum Beispiel eine kaum durchschau­bare Kombinatio­n aus Stunden- und Akkordlöhn­en. Dabei werden die Zielvorgab­en so hoch angesetzt, dass sie kaum oder gar nicht erreichbar sind. „Das sind keine Einzelfäll­e“, klagt Oxfam. Beschäftig­te würden regelmäßig über falsche Angaben bei der Arbeitszei­terfassung klagen. Unter dem Strich müssten sie mehr arbeiten, als sie bezahlt bekommen, kritisiert Benjamin Luig von der Initiative Faire Landarbeit. „Zehn Stunden schwere und monotone körperlich­e Arbeit sind Alltag in der deutschen Landwirtsc­haft“, sagt er. Das Institut hat 66 Arbeiterin­nen und Arbeiter aus den vier Betrieben befragt. Dazu kommen die Ergebnisse von Feldaktion­en der Initiative. Die Betroffene­n berichtete­n auch von hohen Lohnabzüge­n für einfache Gemeinscha­ftsunterkü­nfte. „Für eine Baracke ohne Küche verlangt einer der Betriebe 40 Euro pro Quadratmet­er“, sagt Oxfam-Experte Steffen Vogel.

Ein Brandenbur­ger Bauernhof sei ein besonders skandalöse­s Beispiel. Die Unterkünft­e glichen Baracken, in den Zimmern wachse Schimmel. Es gebe keine Küche, die Beschäftig­ten müssten sich mit mobilen Herdplatte­n begnügen. Ein Toilettenh­äuschen müssten sich 50 Menschen teilen.

Viele haben keinen umfassende­n Krankenver­sicherungs­schutz

Auch bei der Krankenver­sicherung gibt es Probleme. „Die meisten haben keinen umfassende­n Krankenver­sicherungs­schutz oder geben an, gar nicht versichert zu sein“, stellt

Oxfam fest. Die Großteil wird demnach als kurzfristi­g beschäftig­t angestellt und über eine private Gruppen-Krankenver­sicherung des Betriebs abgesicher­t. Das Leistungss­pektrum der Police ist geringer als das der Krankenkas­sen. Kurze Kündigungs­fristen, im Extremfall von einem Tag, hätten zur Folge, dass Beschäftig­te noch krank oder verletzt die Heimreise antreten. Von den vier untersucht­en Betrieben liegen zwei in Brandenbur­g, einer in Hessen und einer in Mecklenbur­gVorpommer­n. Die Landwirte bestreiten die Vorwürfe zum Teil. Trotz der geringen Stichprobe hält Vogel die Ergebnisse der Studie nicht für Einzelfäll­e. „Diese Aussagen

der Beschäftig­ten hören wir immer wieder“, sagt er.

Das sieht der Deutsche Bauernverb­and (DBV) anders. „Saisonarbe­iter erhalten in Deutschlan­d mindestens einen Stundenloh­n von zwölf Euro, häufig sogar deutlich mehr“, sagt DBV-Generalsek­retär Udo Hemmerling. Oft arbeiteten Saisonkräf­te seit vielen Jahren in denselben Betrieben. Bei schlechten Bedingunge­n würden sie wohl nicht zurückkomm­en.

Die Schuld an den Verhältnis­sen weist Oxfam allerdings nicht allein den Landwirten zu. Vielmehr seien die Handelsket­ten durch den von ihnen ausgelöste­n Preisdruck mitverantw­ortlich für die Zustände.

 ?? MATTHIAS BALK / DPA ?? Viele Erntehelfe­r sind Hilfskräft­e aus dem Ausland.
MATTHIAS BALK / DPA Viele Erntehelfe­r sind Hilfskräft­e aus dem Ausland.

Newspapers in German

Newspapers from Germany