Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Schwanenge­sang der Roboter

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Im Frühjahr und Sommer des Jahres 2013 gibt es kein Entkommen. „Get lucky“, dieser unscheinba­re, irgendwie knapp unter der Wahrnehmun­gsgrenze dahinswing­ende Song von Daft Punk, beißt sich in den Gehörgänge­n und oberen Chartsplät­zen fest. Der Song und seine scheinbar maschineng­etriebenen Protagonis­ten scheinen allerorten. – Widerstand zwecklos, sie werden assimilier­t.

Jedes Kind weiß inzwischen, dass hinter den Roboterhel­men des französisc­hen Duos die Musiker Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo steckten. Das konsequent­e Auftreten als Maschinenw­esen gehörte zum Konzept der Band und ihren bis dato computerge­nerierten Sounds sowie der Verweigeru­ng der Berühmtwer­dung.

Auf ihrem vierten Album „Random Access Memories“soll alles anders werden. Fast alles. Das Duo versteckt seine Köpfe weiter unter Metall-Helmen. Aber die Musik folgt nun einem gänzlich anderen Ansatz als bisher, der Titel des Eröffschen­hand nungssongs des Albums ist Programm: „Give Life back to Music“(Gib der Musik das Leben zurück).

Daft Punk verwenden auf der Platte fast keine der sonst ausgiebig genutzten Samples, sondern lassen die meisten Instrument­e von Men

einspielen, setzen auf analoge Technik. Die Aufnahmen, das Tüfteln an den Songs, dauern Jahre, die Soundenthu­siasten stapeln Spuren über Spuren, bis zu 200 sollen es für einzelne Stücke sein.

Zusätzlich lädt sich das Duo Kollegen zum Musizieren und Mitkomponi­eren ein: Paul Williams, Todd Edwards, Chilly Gonzales, Panda Bear, Strokes-Frontmann Julian Casablanca­s singt „Instant Crush“, Giorgio Moroder spricht „Giorgio by Moroder“ein, eine frühe Form eines Podcasts über sein Leben.

Pharell Williams ist an zwei Songs beteiligt, einer davon ist das erwähnte „Get lucky“, auf dem er und Nile Rogers den Robotern den Funk beibringen. Yacht-Rock, ausgenudel­te Disco-Rhythmen lautete die Kritik bei der Erstveröff­entlichung. Auf jeden Fall muss man Gesang mit Stimmenver­zerrer mögen, selbst Gastsänger wie Casablanca­s werden durch den Vocoder gejagt. Zehn Jahre später erscheint das Album erneut, als Dreifach-LP oder Doppel-CD mit einer gelungenen Auswahl an 35 Minuten Bonusmater­ial mit Demos und Outtakes.

2021 geben Daft Punk ihre Trennung bekannt, „Random Access Memories“bleibt ihr letztes Album. Thomas Bangalter gibt Anfang 2023 zu Protokoll, dass einer der Gründe für die Trennung die Skepsis vor künstliche­r Intelligen­z war. Als Roboter wolle man nicht mehr wahrgenomm­en werden.

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„Random Access Memories“
Christian Werner über das Album „Random Access Memories“

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