Thüringische Landeszeitung (Gotha)
„Wie zwei Brahms- Quartette auf einmal“
Das Louis-Spohr-Quartett spielte Mozart und Reger im Festsaal des Schlosses Friedenstein
Selbst wir an Dissonantes gewöhnten Heutigen zucken noch leicht zusammen, wenn wir der Einleitung des Haydn gewidmeten „Dissonanzen-Quartetts“von Mozart, C-Dur, KV 465, lauschen. Als der Musikverlag Artaria die Drucke einst nach Italien geschickt hatte, bekam er sie postwendend zurück: Die Stiche seien fehlerhaft. Doch das waren sie nicht: Die langsame Einleitung mit ihren Dissonanzen und Querständen ist die Keimzelle, aus der sich die schönsten musikalischen Einfälle entwickeln sollen. Eine Art „Durch Nacht zum Licht“ also, gut 20 Jahre vor Beethovens „Fünfter“?
Das Louis-Spohr-Quartett (Alexej Berchevitch, 1. Violine; Diana Harutyunyan, 2. Violine; Fred Ullrich, Bratsche; Michael Hochreither, Violoncello) glänzte durch sein lebendiges Spiel, seine eindringliche Klangrhetorik im Spannungsfeld von Leichtfüßigkeit, Zärtlichkeit, kurz aufkommender Melancholie und kraftvoller Lebensbejahung. Die Musiker hatten den Geist des Werkes erfasst und ließen ihn durch ihre Interpretation wirken.
Dem 150. Todesjahr Max Regers war das zweite Werk gewidmet, das Streichquartett g-Moll, op. 54, Nr. 1,
aus dem Jahr 1900. Insbesondere der 1. Satz ist von außerordentlich komplexer Struktur dank der metrisch-rhythmischen Vertracktheit und der Polyphonie, in der die einzelnen Stimmen unabhängig von einander zu agieren scheinen. Alexej Barchevitch: „Es ist, als ob man zwei Brahms-Quartette auf einmal zu spielen hätte. Ein einziger Augenblick des Konzentrationsmangels – und alles würde zusammenbrechen.“
Zur Entspannung gab’s „Vergessene Träume“
Eine Herausforderung ist das Werk aber auch für die Zuhörer, ein Wechselbad der Gefühle: Zarte Momente zum Dahinschmelzen und heftiges Aufbegehren im Kopfsatz; tänzerisch, zeitweise wild, dann wieder zärtlich-schwärmerisch der relativ kurze 2. Satz; tiefgründig sinnierend der 3. Satz; an Bachs große Kunst gemahnend der Finalsatz – eine große Fuge, die schließlich mit einem choralartigen Thema verschmilzt.
Verwirrt angesichts der Ausdrucksvielfalt und der überwältigenden formalen Vielschichtigkeit dieses Werks und voller Staunen über die Professionalität der vier Musiker spendeten die Zuhörer kräftigen Applaus. Dem musste die Zugabe etwas Leichtverdauliches entgegensetzen, das uns in den Alltag entlässt. Die „Forgotten Dreams“(Vergessenen Träume) von Leroy Anderson waren für diesen Zweck das genau Richtige.