Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Nur noch ein Schritt

Nach dem 3:0 in Augsburg ist der Traum vom Titel für den BVB zum Greifen nah

- Sebastian Weßling

In diesem Moment war es auch um Sebastian Kehl und seine Beherrschu­ng geschehen. „YEEESSS!“, brüllte er, als er vom Spielfeld in Richtung Kabine ging, nein: stürmte. Und wer sich ihm in den Weg stellte, musste fürchten, ein paar gebrochene Rippen oder einen ausgekugel­ten Arm davonzutra­gen, so energisch wurden Umarmungen verteilt und Hände geschüttel­t.

Es war ein ungewohnte­r Gefühlsaus­bruch eines Mannes, der als Spieler einst zwar ein Heißsporn sein konnte, als Sportdirek­tor von Borussia Dortmund aber stets um einen besonnenen, reflektier­ten Auftritt bemüht ist. Aber es musste eben einiges raus an diesem besonderen Tag: 3:0 (0:0) hatte der BVB beim FC Augsburg gewonnen und damit die Steilvorla­ge genutzt, die der FC Bayern tags zuvor durch seischob ne 1:3-Niederlage gegen RB Leipzig geliefert hatte: Am 33. Spieltag ist Dortmund nun tatsächlic­h Tabellenfü­hrer, das Ziel ist ganz nah, nur noch ein Schritt zu gehen.

„Das ist ein großer Moment den wir uns hart erarbeitet haben“, sagte Kehl, als er die Emotionen etwas herunterge­pegelt hatte. „Der Druck vor dem Spiel war groß.“Denn die Dortmunder wären für lange Zeit die Deppen der Nation gewesen, wenn sie nicht durch die Tür gegangen wären, sondern sich am Türrahmen den Kopf eingerannt hätten.

Die Erfahrung hatten sie im Laufe der Saison ja schon einige Male gemacht: Aus einer 2:0-Führung gegen Werder Bremen wurde binnen weniger Minuten in der Nachspielz­eit eine 2:3-Niederlage. Aus einem 2:0-Vorsprung gegen zehn Stuttgarte­r wurde ein 3:3. Und vor drei Wochen schenkte der BVB die eben erst eroberte Tabellenfü­hrung durch ein 1:1 beim VfL Bochum wieder her.

Im November lag der BVB noch neun Punkte hinter München

Das ständige Auf und Ab war eine Erklärung für die überschwap­penden Emotionen. Denn während Kehl schnell zur Nüchternhe­it zurückfand, sah es im Stadion noch ganz anders aus, wo die vielen BVBFans ausgelasse­n sangen und feierten. Und auch in der Kabine wurde gegrölt und gefeiert angesichts des wichtigen Erfolgs in Augsburg.

„Jetzt freuen wir uns natürlich aufs Finale zu Hause vor 81.000 Fans, die sicher aus dem Häuschen sein werden“, sagte Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke und Richtung der Journalist­en nach: „Wenn wir im Januar prophezeit hätten, dass wir nach dem 33. Spieltag mit zwei Punkten Vorsprung Tabellenfü­hrer sind, hättet ihr uns wieder einmal für bescheuert erklärt.“Im November nämlich, als die WM-Pause begann, lag der BVB auf Platz sechs, neun Punkte hinter dem FC Bayern. Der Traum von der Meistersch­aft war auch intern längst begraben, der Druck auf Trainer Terzic und Sportdirek­tor Kehl groß – aber das erwähnte Watzke nun lieber nicht.

Stattdesse­n schaute er nach vorne, auf die spezielle Woche, die nun ansteht und auf die er kurz nach Anpfiff in der Kabine auch die Mannschaft eingeschwo­ren hatte: „Ich habe gesagt, dass wir jetzt noch eine Woche durchziehe­n müssen, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste“, berichtete der BVB-Boss. Die Kunst wird nun daraus bestehen, einerseits den Schwung aus Augsburg mitzunehme­n, anderersei­ts im Training seriös zu arbeiten und den Fokus auf den FSV Mainz 05 zu legen.

Ganz bewusst soll an den Abläufen in dieser Woche nichts geändert werden, Trainer und Sportdirek­tor wollen so viel Normalität wie möglich ausstrahle­n. Nur der freie Tag ist gestrichen, alles soll getan werden für das große Ziel.

Der Glaube, dieses zu erreichen, ist nach dem Augsburg-Spiel unerschütt­erlich. „Ich weiß immer noch nicht, wie die Geschichte ausgeht“, sagte Trainer Terzic, „Aber ich habe das Gefühl, dass wir in dieser Saison alles erlebt haben, um auf dem Platz die richtige Antwort zu finden, einen Heimsieg zu feiern und endlich, endlich die Meistersch­ale in der Hand zu halten.“

 ?? ALEX GRIMM / GETTY IMAGES ?? Dortmunds Trainer Edin Terzic ist besonders heiß auf die Meistersch­ale.
ALEX GRIMM / GETTY IMAGES Dortmunds Trainer Edin Terzic ist besonders heiß auf die Meistersch­ale.

Newspapers in German

Newspapers from Germany