Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Drohende Gefahr in 50 Metern Höhe
Wetterfahne und Knopf vom Turm der Marienkirche abgenommen
Mechterstädt. Einen Höhepunkt im wahrsten Sinn des Wortes erleben die Mechterstädter am Donnerstag – einen seltenen zudem: Vom Kirchturm werden die goldene Wetterfahne und Knopf abgenommen. „Ich erlebe das gefühlt zum vierten Mal“, sagt der fast 77-jährige Erwin Schlothauer: nach 1952, nach den Siebzigern oder Achtzigern sowie 1992. Allerdings kommt nun statt eines Gerüsts ein Kranausleger zu Hilfe. Zur letzten Knopfreparatur seien neben Zeitungen auch Dokumente in die Hülse gepackt worden, erinnert sich Mechterstädts damalige Bürgermeister Evelin Groß (CDU) als Zeitzeugin.
In den Morgenstunden sind Menko Frank und Dominik Huhn aus Schönau vor dem Walde mit dem Kranfahrzeug vorgefahren. Das imposante Gefährt in der engen Gasse zwischen Apotheke und Ärztehaus auf der einen Seite und Kirchenmauer auf der anderen in Position zu bringen, ist knifflig. Vorm Ausfahren und Aufstellen des vierten Seitenauslegers greift Kirchratsmitglied und Organist Hans-Georg
Seyfarth zur Spitzhacke und schafft Bodenfreiheit. Fingerspitzengefühlt braucht Kranfahrer Huhn beim Drehen des Auslegers Arms.
Ein Baum muss zur Seite gebogen werden. Inzwischen hat sich eine Menschenmenge vor der Kirche versammelt, Jung und Alt, Kindergarten-/Schulkinder und Senioren. Hans Georg Seyfarth, Uwe Schaller und Michael Weist stimmen als Bläsertrio Choräle an und die Zuschauer auf den Höhepunkt ein.
Turmspitze befindet sich seit etwa zwei Jahren in Schieflage
Pastorin Christa-Maria Schaller erklärt über Mikro und Lautsprecher das Unterfangen: „Die Kirchturmspitze hängt schief. Wir beobachten seit etwa zwei Jahren, dass sie sich immer mehr neigt. Es besteht die Gefahr, dass sie beim nächsten Sturm herunterbricht“. Die Kirchgemeinde hat deshalb die Reparatur in Auftrag gegeben.
Derweil sind alle Vorkehrungen getroffen, um Zimmerermeister Roberto Ruft und Dachdeckermeister Marvin Schatz in die Höhe zu hieven. Zuerst nehmen sie die Wettfahne problemlos ab. Beim Knopf gestaltet sich das schwieriger. Nachdem der gelockert ist, zieht ihn Kranfahrer Huhn mit Förderkorb und den beiden Handwerkern hoch und ab.
Knopf und Wetterfahne werden wieder neu vergoldet, erklärt die Pastorin den Anwesenden. Die Kupferhülsen, die aus dem Knopf genommen werden, aber nicht. Ihr Öffnen erledigen Ortsbürgermeister Tobias Wolf und sein Vorgänger Dieter Specht an einer Werkbank.
In der Kirche breiten sie dann neben Zeitungen und Dokumenten auch Münzen und Geldscheine aus, unter anderem Fünf- und Zehn-Millionen-Scheine. Damit ließe sich die Reparatur locker bezahlen. Allerdings handelt es sich um Inflationsgeld. Tatsächlich sind 15.000 Euro nötig. 4000 Euro werden mit Lottomitteln bezahlt, den großen Rest trage die Kirchgemeinde, sagt Kerstin Graul, Hüterin der Kirchenfinanzen.
Was an Reparaturen zu erwarten sei, das lasse sich noch nicht sagen, erklärt Zimmerer Ruft nach erster Inaugenscheinnahme. In etwa drei Monaten sollen Knopf und Wetterfahne wieder aufgesetzt werden.