Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Ein ungewöhnlich langer Klavierabend
Liszt-Biennale in Gotha startet mit pianistischem Marathon im Kulturhaus. Wettbewerbspreisträger und Geschwisterpaar begeistern Zuhörer
Liszt-Late-Night-Marathon im Kulturhaus, auf gut Deutsch: ein ungewöhnlich langer Klavierabend. Studenten, junge Preisträger des 10. Internationalen Franz-Liszt-Klavier-Wettbewerbs Weimar-Bayreuth, stellten sich vor, aber auch zwei beachtlich fortgeschrittene Jugendliche, denen der Wettbewerb noch bevorsteht.
Das Eröffnungskonzert der 5. Liszt-Biennale Thüringen, organisiert von der Weimarer Musikhochschule und Thüringen-Philharmonie, begann mit Schuberts romantischer Fantasie f-Moll, D 940, für Klavier zu vier Händen – voller schöner melodischer Einfälle und kraftvoller Episoden, dargeboten von dem jugendlichen Geschwisterpaar Laetitia und Philip Hahn.
Mit Liszts „Wasserspielen der Villa d’Este“stellte sich der dänische Liszt-Preisträger Rune Leicht Lund vor. Seine Interpretation des Werks von durchaus impressionistischer Anmut schien die im Sonnenlicht glitzernden Wassertropfen vorm geistigen Auge zu materialisieren. Alexander Skrjabins Klaviersonate Nr. 5, Fis-Dur, op. 53, eigenwillig changierend zwischen spätromantischer Ausdruckskraft und aus damaliger Sicht avantgardistischer Harmonik, gab ihm Gelegenheit, kraftvolle Virtuosität zu demonstrieren.
Interpretationskunst beendet ersten Teil des Konzerts
Der ungarische Liszt-Preisträger Valentin Magyar brachte Beethoven ins Spiel mit dessen Sonate Nr. 30, E-Dur, deren 2. Satz, der letzte, die Variationskunst des Komponisten sehr schön zur Geltung bringt.
Chopins Scherzo Nr. 1, h-Moll, op 20, beendete den ersten Teil des Konzerts. In diesem virtuosen Stück mit besinnlichem Mittelteil bewies Philip Hahn seine weit entwickelte Interpretationskunst.
Der zweite Block war ganz Franz Liszt gewidmet. Der Japanische Liszt-Preisträger Shota Kaya, erst 22-jährig und schon, neben seiner pianistischen Laufbahn, Kontrabassist, Komponist und Dirigent, demonstrierte seine Faszination für den ungarisch-deutschen Komponisten mit dessen Valse obliée Nr. 1, der Polonaise Nr. 2, der ungarischen Rhapsodie Nr. 8, und dem Spätwerk „La lugubre gondola“ (Die Trauergondel). Laetitia Hahn glänzte mit sechs Bearbeitungen Paganini’scher Capricen, und mit dem anscheinend an die Grenzen des pianistisch Machbaren gehenden Mephisto-Walzer brillierte Valentin Magyar.
Nach einer weiteren kurzen Pause, im dritten Block, gab’s drei große Sonaten. Zuerst Liszts Dante-Fantasie-Sonate, zelebriert von Valentin Magyar. Man konnte nur staunen, wie der Solist es immer wieder fertigbrachte, diese unglaubliche pianistische Artistik mit tiefer Empfindung unter einen Hut zu bringen.
Ein besonderer Leckerbissen dann Beethovens vorletzte Klaviersonate, Nr, 31, As-Dur, op. 110, die mit der großen Schlussfuge – eines jener Spätwerke, die geistige Grenzen überschreiten und nicht ganz von dieser Welt sind. Absolut überzeugend dargeboten von Rune Leicht Lund.
Der Marathon endete mit Liszts Klaviersonate h-Moll, einem virtuosen Meisterstück des Komponisten, interpretiert von Shota Kaya. Einfach erstaunlich, was menschliche Kunst zu ersinnen, ein Pianist zu realisieren und so ein Steinway-Flügel auszuhalten vermag.