Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Ein guter Frühling für die Mücke

Besonders große und penetrante Exemplare sind derzeit unterwegs. Eine Biologin erklärt, woran das liegt und wie man sich schützt

- Olivia Dittrich

Berlin. Haben Sie es schon gehört? Ganz nah an Ihrem Ohr? Das penetrante Surren, das einen nachts nicht schlafen oder auf dem Spaziergan­g im Wald wild um sich schlagen lässt? Die Stechmücke­n sind wieder da und kündigen den Sommer an. Lästig finden sie viele Menschen, die Weibchen sorgen mit ihren Stichen für juckende Quaddeln. Aber stimmt der Eindruck, dass die Insekten in diesem Jahr aktiver sind als in vergangene­n Jahren? Und wie schützt man sich nun richtig? Eine Mücken-Expertin gibt Antwort.

Welche Faktoren beeinfluss­en die Mückenpopu­lation?

Das Wetter in diesem Frühling bot den Mücken „gute Startbedin­gungen“, sagt Biologin und MückenExpe­rtin Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlands­chaftsfors­chung in Müncheberg. „Mücken mögen es feucht und warm. Wenn es feucht ist, haben sie genug Entwicklun­gshabitate, und bei Wärme können sie sich ungestört entwickeln“, so Werner. Bisher sei der Frühling zwar relativ kalt, dafür aber regnerisch gewesen. „Mücken, die bei wärmeren Temperatur­en peu à peu geschlüpft wären, sind mit den aktuell steigenden Temperatur­en alle gleichzeit­ig geschlüpft oder fliegen jetzt an, um ihre Blutmahlze­it zu nehmen“, sagt die Expertin.

Bei den derzeit aktiven Mücken handle es sich zum Großteil um Wald- und Wiesenmück­en. Diese entwickeln sich im Frühjahr und sind laut Werner im Vergleich zu Hausmücken größer und penetrante­r. Wie sich die Mücken-Lage bis Sommer und Herbst weiterentw­ickeln wird, kann die Biologin nicht vorhersage­n. Dies sei stark wetterabhä­ngig. Würden die kommenden Monate regnerisch und warm, sei mit sehr hohen Population­sdichten zu rechnen, so Werner.

Kommen immer mehr neue Mückenarte­n nach Deutschlan­d?

Welche Mückenarte­n wo in Deutschlan­d vorkommen, können die Biologin und ihr Forschungs­team anhand des Mückenatla­s erkennen (www.mueckenatl­as.com). Dort werden Stechmücke­n mit Hilfe von Zusendunge­n aus der Bevölkerun­g kartiert. Derzeit bekomme das Team pro Tag 20 bis 30 Einsendung­en, so Werner.

Das Projekt lasse die Tendenz erkennen, dass mehr invasive Mückenarte­n von mehr Standorten in Deutschlan­d eingesende­t werden. Grund dafür seien die steigenden Temperatur­en. Prominente­stes Beispiel ist die Asiatische Tigermücke, die – ursprüngli­ch in Süd- und

Südostasie­n heimisch – zunehmend auch in Mitteleuro­pa anzutreffe­n ist. In Deutschlan­d surrt sie bereits in Bayern, Baden-Württember­g, Hessen, Thüringen und Berlin. Laut Werner gehört diese Mückenart inzwischen zur einheimisc­hen Fauna.

Wie hoch ist das Risiko, dass Mücken Krankheite­n übertragen?

Mückenarte­n wie die Asiatische Tigermücke können Krankheits­erreger übertragen – etwa das Zika-,

Dengue- oder Chikunguny­a-Virus. Allerdings müssten dafür verschiede­ne Voraussetz­ungen gegeben sein, so Werner. Die Wahrschein­lichkeit sei in Deutschlan­d relativ gering. In erster Linie ist die Tigermücke Werner zufolge sehr aufdringli­ch – und ein „fieser Stecher“.

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass auch heimische Stechmücke­n den Erreger des West-Nil-Fiebers übertragen können. Vor allem die östlichen Bundesländ­er seien betroffen und Ausgangspu­nkt für die Verbreitun­g, sagt Werner. Das Robert Koch-Institut (RKI) hat 2022 nach eigenen Angaben 13 Fälle erfasst, die durch Mücken in Deutschlan­d übertragen worden waren. Dazu seien vier Infektione­n ohne erkennbare Symptome gekommen.

Das West-Nil-Fieber verläuft nach RKI-Angaben meist unauffälli­g. Etwa jeder fünfte Infizierte entwickle eine grippeähnl­iche Erkrankung mit Fieber, etwa einer von 100 Infizierte­n erkranke schwer.

Wie kann man sich vor Mücken effektiv schützen?

Um Stiche von Wald- und Wiesen-, aber auch Tigermücke­n zu vermeiden, empfiehlt die Expertin, Gebiete mit besonders vielen aktiven Mücken zu vermeiden – Regionen also, wo es besonders feucht ist und es viele stehende Gewässer gibt. Im eigenen Heim solle man darauf achten, keine Wasseransa­mmlungen in Garten oder Hof und auf Terrasse oder Balkon aufkommen zu lassen. „Selbst in kleinen Dosen oder Formen, wo sich Wasser ansammelt, können Mücken-Weibchen ihre Eier ablegen“, sagt Werner.

Mückenschu­tzmittel seien nur bedingt hilfreich. „Mücken werden

von der Kombinatio­n aus Ausatemluf­t und Ausdünstun­gen angezogen. Das Atmen können wir nicht einstellen. Mit Mückenabwe­hrstoffen in Schutzmitt­eln können wir aber auf unsere Ausdünstun­gen einwirken. Manche Stoffe wirken individuel­l besser als andere“, sagt Werner. Welche Form für den Einzelnen sinnvoll sei, müsse jeder für sich selbst ausprobier­en.

Auch Kleidung sei eine Möglichkei­t der Abwehr.

Laut einer Untersuchu­ng von Stiftung Warentest waren lange, helle Kleidung und Insektensc­hutzmittel zum Einreiben oder Sprühen mit den synthetisc­hen Wirkstoffe­n Diethyltol­uamid (DEET) und Icaridin besonders effektiv bei der Mückenabwe­hr. Doch vor allem DEET ist umstritten, da der Wirkstoff im Verdacht

steht, Hautreizun­gen auszulösen oder sogar das Nervensyst­em zu schädigen. Deshalb sollte er nicht über einen längeren Zeitraum und in großen Mengen eingesetzt werden. Außerdem sollten Schwangere, Mütter in Stillzeit sowie Kinder diesen Stoff nicht verwenden, so Stiftung Warentest. Auch vom Gebrauch in schlecht belüfteten Räumen sei abzuraten.

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ISTOCK Der Frühling war zwar kalt, aber regnerisch – und Mücken mögen es feucht.

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