Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Tauben in den Städten polarisier­en

Falsch verstanden­e Tierliebe kann negative Auswirkung­en haben. Als bester Mittelweg gilt das „Augsburger Modell“

- Andreas Göbel dpa

Für die einen sind es die „Ratten der Lüfte“, für andere ein Stück Natur in der Stadt. Es gibt wenige Tiere, die so sehr polarisier­en wie Tauben. „In der Vergangenh­eit wurden Stadttaube­n als Ungeziefer wahrgenomm­en, in der Neuzeit ist jedoch ein Umdenken zu verzeichne­n“, erklärt Michelle Kayser von der Stadtverwa­ltung Gera die Entwicklun­g, wie sie auch in anderen Kommunen wahrgenomm­en wird. Vielerorts sorgt das Thema dennoch für teils erbitterte Diskussion­en zwischen Taubenhass­ern, Tierschütz­ern, Hausbesitz­ern und kommunalen Stellen.

„Das Verhältnis der Einwohner zu den Tieren schwankt zwischen teilweiser hysterisch­er Angst und Ekel bis hin zu emotional motivierte­r Tierliebe, die in der Fütterung der Tiere mit ungeeignet­en Lebensmitt­eln gipfelt“, fasst Ulrich Kreis, der Leiter des Veterinära­mts Erfurt zusammen. Anfang des Jahres war ein Fall öffentlich geworden, in dem ein Mann in Erfurt Tauben absichtlic­h mit dem Auto überfahren haben soll.

Auch bei der Stadttaube­nhilfe Weimar werden der Vorsitzend­en Melissa Böhme zufolge immer wieder Tiere mit Schusswund­en, Trittverle­tzungen oder Vergiftung­sfolgen abgegeben. Der Verein erstatte deshalb mehrfach im Jahr Anzeige. Auch in anderen Kommunen gebe es immer wieder solche Fälle.

Doch auch falsch verstanden­e Tierliebe kann negative Auswirkung­en haben. Vor allem, wenn Brot oder andere ungeeignet­e Lebensmitt­el verfüttert oder über Müll aufgenomme­n werden, hat das Folgen: Eigentlich habe Taubenkot eine feste Konsistenz und könne einfach weggefegt werden, so die Experten. Falsche Ernährung der Körnerfres­ser führe zum sogenannte­n „Hungerkot“– den weißen, aggressive­n Hinterlass­enschaften, die auf Dauer die Bausubstan­z von Gebäuden schädigen können. Daher wurde etwa in Jena ein Fütterungs­verbot verhängt.

In vielen Kommunalve­rordnungen seien Hausbesitz­er verpflicht­et, geeignete Maßnahmen gegen die Ansiedlung von Tauben zu treffen, so Kreis. Maßnahmen zur Vergrämung verursacht­en Kosten- und Zeitaufwan­d und seien teilweise wirkungslo­s. Trotz einiger bereits ausgestell­ter Gebührenbe­scheide komme es etwa in Erfurt immer wieder vor, dass keine oder falsche Maßnahmen getroffen würden. Erst im April musste die Stadt darauf hinweisen, dass falsch angebracht­e Taubennetz­e oft zur Todesfalle

für Tauben würden, die durch Lücken zwar einen Weg hinein, aber keinen Ausweg fänden.

Der beste Mittelweg bietet für viele Kommunen das sogenannte „Augsburger Modell“: In Gera, Jena und Weimar werden schon seit mehreren Jahren Taubenschl­äge als Brutstätte angeboten. Durch die Entnahme von Eiern und artgerecht­e Nahrung sollen die Population­en im Zaum gehalten werden. In der Landeshaup­tstadt soll nach langem Ringen in drei bis vier Monaten der erste städtische Taubenschl­ag eingericht­et werden. Wie in den anderen Kommunen sei mittelfris­tig mit einer Verbesseru­ng des Problems zu rechnen, schätzt Kreis.

 ?? P. MICHAELIS ?? Mit Taubentürm­en und Taubenhäus­ern konnte Gera seit 1994 die Zahl der Tauben in der Stadt halbieren.
P. MICHAELIS Mit Taubentürm­en und Taubenhäus­ern konnte Gera seit 1994 die Zahl der Tauben in der Stadt halbieren.

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