Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Tauben in den Städten polarisieren
Falsch verstandene Tierliebe kann negative Auswirkungen haben. Als bester Mittelweg gilt das „Augsburger Modell“
Für die einen sind es die „Ratten der Lüfte“, für andere ein Stück Natur in der Stadt. Es gibt wenige Tiere, die so sehr polarisieren wie Tauben. „In der Vergangenheit wurden Stadttauben als Ungeziefer wahrgenommen, in der Neuzeit ist jedoch ein Umdenken zu verzeichnen“, erklärt Michelle Kayser von der Stadtverwaltung Gera die Entwicklung, wie sie auch in anderen Kommunen wahrgenommen wird. Vielerorts sorgt das Thema dennoch für teils erbitterte Diskussionen zwischen Taubenhassern, Tierschützern, Hausbesitzern und kommunalen Stellen.
„Das Verhältnis der Einwohner zu den Tieren schwankt zwischen teilweiser hysterischer Angst und Ekel bis hin zu emotional motivierter Tierliebe, die in der Fütterung der Tiere mit ungeeigneten Lebensmitteln gipfelt“, fasst Ulrich Kreis, der Leiter des Veterinäramts Erfurt zusammen. Anfang des Jahres war ein Fall öffentlich geworden, in dem ein Mann in Erfurt Tauben absichtlich mit dem Auto überfahren haben soll.
Auch bei der Stadttaubenhilfe Weimar werden der Vorsitzenden Melissa Böhme zufolge immer wieder Tiere mit Schusswunden, Trittverletzungen oder Vergiftungsfolgen abgegeben. Der Verein erstatte deshalb mehrfach im Jahr Anzeige. Auch in anderen Kommunen gebe es immer wieder solche Fälle.
Doch auch falsch verstandene Tierliebe kann negative Auswirkungen haben. Vor allem, wenn Brot oder andere ungeeignete Lebensmittel verfüttert oder über Müll aufgenommen werden, hat das Folgen: Eigentlich habe Taubenkot eine feste Konsistenz und könne einfach weggefegt werden, so die Experten. Falsche Ernährung der Körnerfresser führe zum sogenannten „Hungerkot“– den weißen, aggressiven Hinterlassenschaften, die auf Dauer die Bausubstanz von Gebäuden schädigen können. Daher wurde etwa in Jena ein Fütterungsverbot verhängt.
In vielen Kommunalverordnungen seien Hausbesitzer verpflichtet, geeignete Maßnahmen gegen die Ansiedlung von Tauben zu treffen, so Kreis. Maßnahmen zur Vergrämung verursachten Kosten- und Zeitaufwand und seien teilweise wirkungslos. Trotz einiger bereits ausgestellter Gebührenbescheide komme es etwa in Erfurt immer wieder vor, dass keine oder falsche Maßnahmen getroffen würden. Erst im April musste die Stadt darauf hinweisen, dass falsch angebrachte Taubennetze oft zur Todesfalle
für Tauben würden, die durch Lücken zwar einen Weg hinein, aber keinen Ausweg fänden.
Der beste Mittelweg bietet für viele Kommunen das sogenannte „Augsburger Modell“: In Gera, Jena und Weimar werden schon seit mehreren Jahren Taubenschläge als Brutstätte angeboten. Durch die Entnahme von Eiern und artgerechte Nahrung sollen die Populationen im Zaum gehalten werden. In der Landeshauptstadt soll nach langem Ringen in drei bis vier Monaten der erste städtische Taubenschlag eingerichtet werden. Wie in den anderen Kommunen sei mittelfristig mit einer Verbesserung des Problems zu rechnen, schätzt Kreis.