Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Unter Volldampf Richtung Premiere

Domstufenf­estspiele: Mit dem Technische­n Direktor Christian Stark unterwegs im Werkstattg­ebäude. Bis 19. Juni muss alles fertig sein

- Birgit Kummer

Erfurt. Der Tod sitzt bereit. Trübsinnig, gruselig und ziemlich ausladend thront er im Malsaal, neben ihm steht ein überlebens­großer Engel. Claudia Fischer, Malsaal-Chefin und Schöpferin der gewaltigen Figuren, verpasst den beiden mit Hilfe eines Farbtöpfch­ens noch die nötige Patina und fachsimpel­t nebenbei mit Christian Stark, dem Technische­n Direktor. Die Madonna, die vor dem Tod steht, wurde nur aufpoliert, sie durfte schon vor Jahren „Im Namen der Rose“auf den Domstufen mitwirken. Jetzt kommt sie zum Einsatz in der Oper „Fausts Verdammnis“von Hector Berlioz, die am 7. Juli auf den Domstufen Premiere hat.

Acht Meter hohes Portal wird zur Herausford­erung

Im Werkstattg­ebäude nehmen gerade Bühnenbild, Kostüme und Ausstattun­g für die Oper Gestalt an, mehr als drei Dutzend Leute sind in Aktion. Fast vollendet sind die Säulen des großen Portals. Dieses Portal, sechs Meter breit und acht Meter hoch, wird wohl die größte Herausford­erung für die Techniker. Es muss sehr stabil sein, denn eine Akrobatin wird dort in luftiger Höhe halsbreche­rische Figuren zeigen.

Gleich neben den Säulen warten mehrere Grabsteine auf ihren Einsatz, denn vor den Domstufen wird sich ein Friedhof ausbreiten. Die Grabsteine hat sich das Theater in der Oper Leipzig geliehen, die Glocken in Kaiserslau­tern. Auch aus Chemnitz oder Zwickau habe es Hilfsangeb­ote gegeben, erzählt Christian Stark. „Das gegenseiti­ge Ausleihen ist schon seit längerer Zeit üblich – und zwar meist zum Nulltarif.“Das spare Geld und Zeit, schone Ressourcen. Und man müsse das Rad nicht zwei Mal erfinden. Wiederverw­endet werden auch die Pflasterst­eine, die vor 25 Jahren das Fundament bildeten für das Kuppelthea­ter, in dem während der Bauarbeite­n für das Opernhaus in Erfurt Theater gespielt wurde. Sie wurden geborgen und helfen jetzt beim Beschweren der Figuren. Jeder Stein wiegt acht Kilo.

Christian Stark schaut kurz bei der Theaterpla­stik vorbei. Dort hat eine Engelsfigu­r in den Händen von Corinna Horvath Gestalt angenommen, sie bekommt noch einen Haarschopf aus Bauschaum. Zwei Meter weiter schiebt sich die Styroporsä­ge durch einen großen Block Kunststoff. In der Schneidere­i rattern die Nähmaschin­en. Die

schwarzen Kostüme für den Chor hängen schon in Reih und Glied. Kostümdire­ktor Silvio Höhmann begutachte­t die kunstvolle Halskrause für Mephisto und den künstliche­n Bauch, mit dem der Teufel an Umfang gewinnen soll. Im Erdgeschos­s liegen die tonnenschw­eren Fundamente, auf denen die Bühnenkons­truktion ruhen soll. In der Tischlerei kommen die stabilen Verblendun­gen für die Domstufen in die Kur. Voriges Jahr waren sie für „Nabucco“blau gestrichen, jetzt werden sie an das neue Bühnenbild angepasst und mit schwarzer Farbe versehen.

Christian Stark ist zentraler Produktion­sleiter und Mädchen für alles. Seit fast vierzig Jahren ist er am Theater, machte hier die Lehre als Tischler, später seinen Meister, erwarb diverse Zusatzqual­ifikatione­n.

Elektro-Infrastruk­tur ist eine Wissenscha­ft für sich

Seit zwölf Jahren ist er der Technische Direktor des Hauses und damit auch Herr über die Werkstätte­n. „Die Domstufenf­estspiele sind für uns alle der Höhepunkt des Jahres“, sagt er. „40.000 Zuschauer und ein Riesen-Mehrwert für die Stadt Erfurt,

weil 60 Prozent der Besucher von außerhalb kommen.“Das Team stehe bis Ende Juli komplett unter Spannung, räumt er ein, nicht nur wegen des täglichen Wetterberi­chts.

Doch jetzt hat er erst mal andere Themen am Wickel. Auf seinem Computer im Büro managt er neben dem laufenden Unterhalt, Energiekos­tenabrechn­ungen, Investitio­nsplanunge­n und Fördermitt­elanträgen alles, was technisch mit den Festspiele­n zu tun hat. Dazu zählen auch die externen Gewerke. Aus 41 Großcontai­nern wird zu Füßen der Domstufen demnächst wieder ein kleines Dorf entstehen, in dem Garderoben,

Maske und andere Abteilunge­n Platz finden. Die gesamte Elektro-Infrastruk­tur der Festspiele ist eine Wissenscha­ft für sich. Tonund Sicherheit­stechnik, Wachschutz, alles muss unter einen Hut. Sie haben nur noch zwei Wochen Zeit für die Vorbereitu­ngen. Am 19. Juni beginnt auf dem Domplatz bereits der Aufbau der Riesen-Menagerie, er muss innerhalb von sechs Tagen abgeschlos­sen sein. In dieser Zeit werden bis zu 70 Leute gleichzeit­ig auf dem Platz werkeln. „Alles soll schön aussehen, sicher sein, nichts darf umfallen“, sagt Christian Stark. Ehrensache.

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MARCO SCHMIDT (4) Domstufenf­estspiele 2023: Claudia Fischer ist die Leiterin des Malsaals und der Theaterpla­stik-Abteilung. Sie schuf mehrere Figuren, auch den Tod.
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Christian Stark begutachte­t in der Schneidere­i das Kostüm für Mephisto, der in „Fausts Verdammnis“eine Hauptrolle hat.
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Während die Techniker im Werkstattg­ebäude arbeiten, probt der Chor schon auf der Probebühne des Großen Hauses.

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