Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Schröder als Altkanzler keine würdige Figur
Ein Leser schreibt unter anderem:
Nur wenigen ehemaligen Spitzenpolitikern und ebenso -politikerinnen gelingt es, mit Anstand und Würde aus dem Amt zu scheiden und einen unspektakulären und angemessenen (ich sage mal) Lebensabend zu verbringen. Angela Merkel ist dies bisher ganz gut gelungen, Helmut Schmidt mischte als Elder Statesman weiter mit weisen Sprüchen und altklugen Ratschlägen politisch mit und wurde mit zunehmendem Alter zur moralischen Instanz, auch wenn er bei seinen Urteilen von der Seitenlinie manchmal auch daneben lag, beispielsweise bezüglich der Existenzfrage der schon länger von Russland bedrohten Ukraine.
Ähnlich wie Schmidt hat Schröder auf die Meinung anderer eher wenig gegeben, mit Ausnahme der seiner Ehefrauen, aktuell einer südkoreanischen Geschäftsfrau. Dabei hat er es aber spätestens seine Ignoranz mit Ausbruch der russischen Invasion weit über die Schmerzgrenze hinaus getrieben. Es sei ihm zugutegehalten, dass er den von seinem Männerfreund Putin, unter dem er länger schon einen lukrativen Gaslobbyisten-Job ausfüllte, befohlenen Überfall auf die Ukraine für einen Fehler hält. Muss man aber deshalb gleich eine Freundschaft aufkündigen? Nö.
Dabei sollte auch nicht vergessen werden, dass der sich nach eigener Aussage immer noch als Sozialdemokrat fühlende Sturkopf auch ansonsten eine Schwäche für Tyrannen und Despoten hegte, sei es für Kubas Langzeit-Revolutionär Fidel Castro als auch für den Kalifen vom Bosporus Recep Tayyip Erdogan. Aus ärmsten Verhältnissen stammend entwickelte er schon früh eine Schwäche für starke Männer, seien es Großunternehmer oder eben Diktatoren. Nahm sein Vorgänger im Kanzleramt Helmut Kohl selbst sein gewissen Großspendern gegebenes Ehrenwort ernster als das Parteiengesetz und riskierte dabei fast den Absturz seiner CDU, so ist dem anderen Altersstarrsinnigen die Freundschaft zu einem Kriegsverbrecher wichtiger als die Ideale seiner Partei, geschweige sein eigenes Ansehen. Man steht halt über den Dingen.
Er wird dabei immer mehr zur tragischen Figur. Aber die war er schon bei seinem unerträglich-arroganten Machoauftritt in der berühmten „Elefantenrunde“nach der Wahl 2005, als er seine Niederlage nicht eingestehen konnte und der Siegerin Angela Merkel die Kompetenz fürs Kanzleramt absprach.
Jan Eschrich, Weimar