Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Höcke-Plakat und „Schuldig“-Westen
Kundgebungen in Mühlberg verlaufen weitgehend friedlich. Staatsanwaltschaft prüft drei Fälle möglicher Beleidigung
Nach und nach füllt sich der Marktplatz. Einwohner, Unterstützer, Politiker – sie alle sind gekommen, um zu demonstrieren und ins Gespräch zu kommen. Doch der Mann des Abends, der erscheint nicht.
Am Freitag bilden sich am Markt in Mühlberg zwei Lager. Rund 120 Menschen wollen ein Zeichen gegen rechts setzen. Am Informationsstand der AfD-Landtagsfraktion kommen rund 100 Personen zusammen. Eigentlich sollte ein Diskussionsabend im Saal mit Landeschef Björn Höcke und dem Abgeordneten Stefan Möller stattfinden. Dieser musste aber kurzfristig ausfallen.
Veranstaltung wurde nicht wegen Drohungen gegen Wirt abgesagt
Gerüchte, dass der Wirt des Ratskellers Drohungen erhalten und deshalb abgesagt habe, kann Mühlbergs Bürgermeister Karsten Ullrich (CDU) entkräften. Weder der Wirt noch die Gemeinde hätten die Veranstaltung untersagt, sondern die AfD habe vergessen, den Saal zu buchen. Letztlich ist ihnen jemand zuvorgekommen. Der Saal muss über die Gemeinde angemietet werden. „Das hätten sie ein halbes Jahr vorher machen müssen“, sagt Ullrich. Obwohl die Veranstaltung nicht ganz ausfällt und die Gemeinde Drei Gleichen den Infostand genehmigt, bleibt ein Besuch von Björn Höcke aus. „Der hatte gestern einen schweren Tag“, erklärt Stefan Möller den Anwesenden. Der Landtagsabgeordnete spielt damit auf die Verhandlung gegen Höcke am Landgericht in Halle an der Saale an.
Dort muss sich der Vorsitzende des Landesverbandes seit vergangenem Donnerstag wegen der Verwendung der verbotenen SA-Losung „Alles für Deutschland“verantworten. Höcke soll den Spruch bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD in Merseburg (Sachsen-Anhalt) vor der Landtagswahl gesagt haben. Das Landgericht hat zudem eine weitere Anklage zugelassen: Bei einer Veranstaltung in Gera soll Höcke den ersten Teil der Losung noch selbst gesagt und das Publikum dazu animiert haben, den Satz mit „Deutschland“für ihn zu beenden.
Die beiden Verfahren wurden kurz vor Prozessauftakt wieder voneinander getrennt. Die beiden Kundgebungen auf dem Marktplatz verlaufen weitgehend friedlich.
Während einer Rede von Onno Eckert (SPD) kommen Teilnehmer aus dem AfD-Lager auf die Kundgebung zu und machen Fotos. Er habe das als Provokation verstanden, sagt der Landrat am Montag auf Nachfrage. Auch eine als Ordner erkennbare Person nähert sich der Gegen-Demonstration. Die Weste der Person ziert ein Bild des Bundeskanzlers Olaf Scholz in Sträflingskleidung.
Ob derartige Bilder strafrechtlich relevant sind, darüber streiten Juristen. Das Amtsgericht Gera stellte erst zu Beginn des Jahres ein Verfahren gegen den Organisator der Demonstrationen in Gera Christian Klar ein, nachdem er den Polizeidirektor der Stadt in Sträflingskleidung auf einem Plakat mit der Aufschrift
„Schuldig“zeigte. Das Gericht begründete die Entscheidung mit der Meinungsfreiheit. Die Staatsanwaltschaft hat Ende Februar Revision gegen das Urteil eingelegt.
Nachdem der Reporter die Kundgebungen verlassen hat, beschäftigt die Polizei ein anderes Plakat. Mitglieder von „Omas gegen rechts“aus Erfurt trugen ein Transparent mit der Aufschrift „Björn Höcke ist ein Nazi“, das den Politiker mit erhobenem rechten Arm zeigt. „Wir wollten gerade gehen und sind gezielt von der Polizei abgefangen worden“, berichtet ein Mitglied des Vereins. Da die Polizei nicht gesagt habe, ob Anzeige erstattet werde, möchte die Person aus Vorsicht anonym bleiben. Als Grund für die
Kontrolle habe die Polizei angegeben, dass es den Verdacht gebe, Höcke mit dem Plakat beleidigt zu haben. Die Beamten hätten die Taschen und Kleidung der vier Demonstranten kontrolliert und anschließend Fotos von ihnen mit dem Transparent gemacht. „Da habe ich protestiert“, sagt das Mitglied von „Omas gegen rechts“.
Dass es ich bei dem Satz um keine Beleidigung handelt, das sieht zumindest die Staatsanwaltschaft Frankfurt so. Wie die Hessenschau im vergangenen Juli berichtete, habe die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen einen Demonstranten eingestellt, der ein Plakat mit eben diesem Spruch herumgetragen hatte. Begründung: Der Satz stellt keine Beleidigung, sondern „ein an Tatsachen
anknüpfendes Werturteil“dar. Transparente mit der Aufschrift werden immer wieder auf Demonstrationen gegen rechts gezeigt.
Zuletzt verwendeten die „Omas gegen rechts“das Plakat auch bei der Kundgebung am 10. Februar in Gotha. Das Mitglied des Vereins kritisiert: „Da wurde auch nicht dagegen vorgegangen.“Wie die Polizei am Montag auf Nachfrage mitteilt, nahmen die Beamten neben dem Höcke-Plakat auch zwei Fälle mit „Schuldig“-Westen auf – eine mit Kanzler Scholz, die andere mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die drei Sachverhalte würden der Staatsanwaltschaft Erfurt zur rechtlichen Würdigung vorgelegt.
Die Polizeikontrolle in Mühlberg habe trotzdem eine ganze Stunde gedauert. „Das war abwertend“, sagt das Mitglied von „Omas gegen rechts“. Laut Polizei dauerte keine der Maßnahmen länger als 30 Minuten.
Der Verein wolle sich beraten, ob und wie sie dagegen vorgehen wollen. Höcke selbst lässt sich nicht auf dem Markt in Mühlberg blicken. Der Diskussionsabend soll Stefan Möller zufolge aber nachgeholt werden. „Wir wissen nicht, wo es klappt, aber wir sind dran“, verspricht der Abgeordnete. Dann soll Björn Höcke auch mit von der Partie sein.