Thüringische Landeszeitung (Gotha)
CDU-Stadtrat auf AfD-Plakat
Daniel Hessels Konterfei macht in Saalfeld Wahlwerbung für eine andere Partei. Staatsschutz ermittelt
Es war am vergangenen Sonntag. Da er sehr heimatverbunden ist, berichtet Daniel Hessel, beteiligte er sich an der Aktion „Saalfeld putzt sich“. Am Feuerwehrhaus in Kleingeschwenda (Kreis Saalfeld-Rudolstadt) war ein Müllsammelpunkt eingerichtet, und auf der Fahrt dorthin stutzte er plötzlich: An einem Baum, etwa in sechs Meter Höhe, war ein Wahlplakat angebracht, auf dem sein Konterfei prangte. Das hätte auch durchaus in Ordnung sein könnten, denn Hessel ist seit 2017 Mitglied der CDU und seit 2019 Mitglied im Saalfelder Stadtrat. Aber: Das Wahlplakat, das der 44-Jährige an der Birke sah, war nicht von der CDU – sondern von der AfD. „Mut zu Deutschland“stand über seinem Foto.
„Da habe ich also das erste Plakat gesehen“, so der Inhaber einer Bedachungsfirma und eines landwirtschaftlichen Betriebes im Saalfelder Ortsteil Lositz wenige Tage später gegenüber dieser Redaktion. Es ist ihm anzusehen, wie wenig lustig er die Sache findet, auch wenn er zunächst an einen dummen Scherz dachte. „Ich habe einen großen Freundeskreis.“Doch bei dem einen Plakat sollte es nicht bleiben.
Als Hessel gegen 17 Uhr in Kleingeschwenda ankam, standen da seinem Bericht zufolge etwa 30 Leute und diskutierten aufgeregt. Als sie Hessel erblickten, gab es ein großes Hallo und Gefeixe. Einer meinte:
„Jetzt bis du ja in der richtigen Partei!“Hessel ist äußerst unwohl zumute, er weiß nicht, wie er auf die Situation reagieren soll. Er versucht es mit einer Klarstellung: „Das ist nicht meins. Ich bin in der CDU!“Und um genau das klarzustellen, sucht er nun auch die Öffentlichkeit: Er, Daniel Hessel, kandidiert für den Ortschaftsrat der Saalfelder Höhe auf Platz 1 der CDU-Liste und für den Saalfelder Stadtrat auf Platz 10 der CDU-Liste. Niemand sollte daran einen Zweifel hegen.
Umgehend informiert Hessel die Polizei, Beamte konfiszieren die gefälschten Plakate. Hessel wirkt entschlossen: „Das ist kein Kavaliersdelikt. Ich dulde das in keiner Weise!“Es sei nicht seine Art, immer gleich die Behörden einzuschalten. Doch das sei für ihn Wählerbeeinflussung, die er im Keim ersticken wolle. Die Polizei wertet die FakePlakate ebenfalls nicht als Witz. Die falschen Wahlplakate seien sichergestellt worden. Der Bereich Staatsschutz der Kripo ermittle nach
Paragraf 188 des Strafgesetzbuches wegen übler Nachrede und Verleumdung, hieß es auf Anfrage. Bemerkenswert findet Hessel, dass die falschen Wahlplakate „relativ gut gemacht sind“. Sein Porträt wurde nicht irgendwo ausgeschnitten und aufgeklebt, sondern das Plakat wurde „richtig gedruckt“.
Nach fünf Jahren im Saalfelder Stadtrat dachte Hessel nicht unbedingt an eine erneute Kandidatur. „Ich habe wenig Zeit“, erklärt er, schließlich beschäftige er mit seinen beiden Unternehmen 40 Mitarbeiter. Andererseits bekennt er aber auch: „Ich habe mich reingefuchst“, zudem halte er viel von der Arbeit des Bürgermeisters Steffen Kania (CDU). „Da nehme ich gern dran teil.“
Ausschlaggebend für seine Entscheidung zur erneuten Kandidatur war die AfD. Er habe die AfD-Fraktion fünf Jahre lang beobachtet und festgestellt: „Da ist nicht viel Produktives geäußert worden“, da seien „kaum Sachen eingebracht worden“. Der entscheidende Moment aber kam, so Hessel, als die AfDFraktion vor ein paar Wochen den Saalfelder Haushalt für 2024 komplett ablehnte. Sicher könne man immer über einzelne Sachen reden. Aber komplett ablehnen? „Das ist eine Farce“, erklärt Hessel, „die Stadt wäre handlungsunfähig!“Die AfD-Fraktion hatte die Ablehnung so begründet: Sie zweifle „an der Sinnhaftigkeit“des Werkhauses in Beulwitz, an dessen Bau sehr viele Menschen mit ausländischer Herkunft beteiligt sind. Zudem kritisiert die AfD die „zu hohe Beteiligung am Theater Rudolstadt“.
Als Hessel also sah, wie sich die AfD verhält, habe er sich gesagt: „Ich werde wieder antreten und das Feld nicht der AfD überlassen.“Und schon gar nicht werde er die AfD mit seinem Porträtfoto werben lassen. Verena Sigmund von der Saalfelder AfD-Fraktion erklärte am Freitag auf Anfrage: „Wir haben damit nichts zu tun.“