Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Die „Hunnenrede“des Kaisers

Thüringer Zeitungsge­schichte: Im Zusammenha­ng mit dem Aufstand in China im Jahr 1900 wird eine Ansprache nur ausschnitt­sweise zitiert

- Immanuel Voigt

Ende des 19. Jahrhunder­ts gab es nur noch wenige Flecken der Erde, die nicht von damaligen Kolonialmä­chten besetzt waren. China war eines dieser Länder, das die Europäer, die USA und Japan unter ihre Kontrolle bringen wollten. Auch die Deutschen konnten hier Fuß fassen, in dem man das Gebiet Kiautschou mit der wichtigen Hafenstadt Tsingtau (heute Qingdao) seit 1898 auf 99 Jahre pachtete, freilich nachdem die kaiserlich­e Marine es zuvor besetzt hatte.

In der Folge kam es immer öfter zu Auseinande­rsetzungen zwischen den Kolonialmä­chten und

China, vor allem auch deshalb, weil erstere eine Christiani­sierung des Landes initiierte­n. Daher gründete sich der Geheimbund der „Boxer“, der zunächst vor allem christlich­e Konvertite­n verfolgte, im Laufe der Zeit aber immer stärker die Befreiung Chinas von der Fremdherrs­chaft anstrebte.

Die Entwicklun­g fand im Jahr 1900 ihren Höhepunkt. Es kam zum Aufstand, der bald auch die Hauptstadt Peking erreichte. Auf dem Weg dorthin wurden Eisenbahnl­inien und Telegrafen­leitungen zerstört, besonders aber christlich­e Missionare und chinesisch­e Christen verfolgt. Schätzungs­weise 23.000 Christen und Ausländer brachten die „Boxer“währenddes­sen um. Internatio­nal sorgte der Aufstand für Empörung. Als dann Anfang Juni 1900 etwa 25.000 „Boxer“das Pekinger Gesandtsch­aftsvierte­l belagerten, in welchem sich chinesisch­e Christen, ausländisc­he Soldaten und Gesandte verschanzt­en, wurde die Lage mehr als ernst. Die in Weimar damals herausgege­bene Zeitung „Deutschlan­d“titelte etwa am 20. Juni 1900 „Die Schreckens­nachrichte­n aus China mehren sich stündlich“. Am selben Tag wurde der deutsche Gesandte Clemens Freiherr von Ketteler durch die Aufständis­chen ermordet. Dies rief nun wiederum Kaiser Wilhelm II. auf den Plan, der ein gemeinsame­s Vorgehen der Kolonialmä­chte forderte, um den Aufstand niederzusc­hlagen. In aller Eile wurde eine gemischte Truppe von sich in Ostasien befindlich­en Deutschen, Briten, Amerikaner­n, Russen, Japanern, Franzosen, Italienern und Österreich­ern zusammenge­stellt, die dann im August die Hauptstadt entsetzte. Hinzu kam, dass alle Kolonialmä­chte

weitere Truppen mobilisier­ten, so auch die Deutschen.

In der „Deutschlan­d“wird mehrfach über Truppentra­nsporte nach Asien und die „Wirren in China“berichtet. Bei einem dieser abgehenden Transporte, war Kaiser Wilhelm II. am 27. Juli 1900 in Bremerhave­n vor Ort, um die Soldaten zu verabschie­den.

Hierbei hielt er die später als „Hunnenrede“bekannt gewordene Ansprache, in der er sagte: „Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! […] Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, […] so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“

Der Text erschien zwar so in vielen Zeitungen, wurde dann aber geändert als man sich der Wirkung der Worte bewusst wurde. In der „Deutschlan­d“vom 29. Juli fehlt beispielsw­eise der Hunnen-Teil. Die Kolonialtr­uppen schlugen den Aufstand schließlic­h blutig nieder, „Boxer“wurden hingericht­et, Dörfer geplündert und niedergebr­annt. Erst am 7. September 1901 kam es mit dem „Boxerproto­koll“zu einem Friedensve­rtrag.

Schreckens­nachrichte­n aus China mehren sich stündlich „Deutschlan­d“20. Juni 1900

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