Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Als der „Communal-Wegebau“begann
Geschichte des Gothaer Landes: Die Straße nach Kindleben ist durch arbeitslose Tagelöhner entstanden
In den 1830er-Jahren begann man im Herzogtum Gotha den Straßen- und Wegebau massiv zu forcieren. Das erste große derartige Projekt war der Bau der Chaussee von Gotha nach Reinhardsbrunn und weiter nach Oberhof.
Die Straßen sahen damals noch nicht so wie heute aus. Sie waren nur befestigt und geschottert, ohne Pflastersteine oder Bitumenbelag. Genutzt wurden sie von Postkutschen, Pferdegespannen, Ochsenkarren und Reitern. Bis in die 1960er-Jahre gab es noch etliche solcher Straßen in der Stadt Gotha und im Umland.
Nach der Fertigstellung der Chaussee von Gotha über Wahlwinkel nach Waltershausen war der sogenannte „Herrenweg“zwischen dem Berlach und Waltershausen überflüssig geworden. Auf diesem Weg, als „Alte Waltershäuser Straße“bezeichnet, beförderte man lange Zeit auch die amtliche Post zwischen dem Amt Tenneberg und dem in Friedenstein. Im Frühjahr 1831 veröffentlichte die herzogliche Staatsregierung eine Verordnung zum „Communal-Wegebau“, erschienen im „Regierungs- und Intelligenzblatt für das Herzogtum Gotha“am Freitag, 4. März 1831.
Basis für ländliches Feldwegesystem
Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha wollte damit die durch die Fluren führenden Straßen und Wege, die oft in einem miserablen Zustand waren, aufwerten. Man schuf damit schon in der Zeit des Biedermeiers auch die Basis für ein ländliches Feldwegesystem, welches bis zur Zeit der Kollektivierung der Landwirtschaft in den 1960er-Jahren bestand. Es oblag in der Regel jeder Gemeinde, alle durch ihre Flur führenden Straßen und Wege in Ordnung zu halten, ausgenommen die durch die öffentliche Hand gebauten Chausseen. Die Dorfbewohner hatten mit ihren Fuhrwerken Spanndienste oder auch Handdienste zu leisten, hieß es. Verantwortlich waren die „Schultheißen“.
Laut Anweisung war darauf zu achten, dass die Wege möglichst geradlinig verlaufen. Häufige Kurven waren zu vermeiden. Die Wege sollten so breit sein, dass sich zwei beladene Geschirre ohne Gefahr begegnen konnten. Wichtig war auch das Ableiten des Regenwassers von den Wegen. Zum Gelingen sollten Gräben
beitragen. Die Maße der Chausseegräben waren damals so vorgegeben: für die obere Breite vier bis sechs „Schuh“(ein Schuh maß etwa 30 Zentimeter), für die untere ein bis zwei Schuh und für die Tiefe bis zu vier Schuh. Nach dem Abtragen der Befestigungswerke der Hauptund Residenzstadt Gotha entstand ein Netz an Ausfallstraßen, an deren Beginn sich sogenannte „Chausseehäuser“befanden. An diesen hatten die Straßennutzer Gebühren zu zahlen, heute Maut. Aber auch für Straßen im Gothaer Land galt dieser „Chaussee- und
Kreuzwegegeld-Tarif“. So kostete beispielsweise die Passage auf der neuen Chaussee von Waltershausen nach Wahlwinkel für einen zweirädrigen Fuhrmannskarren sechs Groschen.
Es gab auch einen Straftarif: für einen Prellstein oder Radabweiser entzweifahren wurden zwei Groschen, und für einen Schlagbaum eigenmächtig öffnen vier Groschen fällig. Von der Gebührenpflicht befreit waren souveräne Fürsten des Deutschen Bundes sowie deren Begleitung, die am Gothaer Hof akkreditierten Gesandten fremder Mächte,
alle zum Durchmarsch hiesiger und fremder Truppen gehörigen Pferde und Gespanne, die fahrende und reitende Post sowie herrschaftliche Frohnfuhren. Im Spätherbst 1831 bot die Stadt Gotha den arbeitslos gewordenen Tagelöhnern einen „Wintererwerb“an. Sie konnten sich beim Bau des Fahrweges nach Molschleben nützlich machen. Zunächst nur bis an die Stadtflurgrenze bei Kindleben. Später sollte der Weg „chausseemäßig“hergestellt werden. In der Folge entstanden die „gemeinschaftlich chaussierten Communalwege“
nach Bufleben, Friemar und Molschleben, sowie der Feldweg nach Siebleben. Sie bildeten die Wegekreuzung um den Weiler Kindleben und den dortigen Gerichtshügel, so wie sie heute noch existiert. Bezahlt wurden die Arbeiter mit vier Groschen und sechs Pfennigen pro Tagwerk.
Um das Jahr 1900 gab es Staatsstraßen erster, zweiter und dritter Ordnung. Sie unterschieden sich in der Breite – Kronen- und SteinbahnBreite beziehungsweise durch Steinschüttung befestigt – zwischen sieben und dreieinhalb Metern.