Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Ausnahmetalent und Außenseiter
Mythologisches und Surrealistisches versammelt eine Heinz-Zander-Schau im Erfurter Angermuseum
Erfurt. Es gibt Vorbehalte gegen diesen Maler und die Ausstellung, die sich im Angermuseum mit ihm beschäftigt. Das Alterswerk des Heinz Zander, ist auch aus der Fachwelt zu hören, tendiere zu oberflächlichem Edelkitsch und sei bei aller handwerklichen Könnerschaft letztlich unannehmbar. Dagegen will ihn das Angermuseum in den nächsten zweieinhalb Monaten in Schutz nehmen, in denen, vor dem 85. Geburtstag des körperlich schwer kranken, aber geistig auf der Höhe befindlichen Künstlers im Oktober, 60 Gemälde und insgesamt 135 Bilder aus sechs Jahrzehnten in der Schau „Zeit und Traum“zu sehen sind. „Ihr werdet rausgehen und eine andere Meinung haben!“, ruft Kuratorin Cornelia Nowak den Skeptikern zu.
Wobei das unumstrittenere kraftvolle frühe und frühere Werk des aus Wolfen stammenden Leipziger Grafikers, Malers und Schriftstellers dominiert. Das beinhaltet den kompletten eigenen Zander-Bestand des Hauses, der seit 1965 angesammelt wurde und nach einer Personalausstellung 1972 in einer „Zander-Begeisterung“kulminierte, so Nowak. Es ist, nach oder neben dem Panorama-Museum Bad Frankenhausen, der größte in Thüringen.
Zander-Begeisterung gipfelte in zwei Auftragswerken
Diese Begeisterung wiederum gipfelte in zwei Aufträgen der Stadt Erfurt, denen jeweils ein Raum gewidmet ist. 1981 sollte er eine Stadtansicht malen, die auch vorkommt im vierteiligen Gemälde: als Zitat jener Ansicht von 1525, die man im Angermuseum sehen kann. Zander nahm sich jedoch, subtil und subversiv
in der Motivwahl, „Das tolle Jahr von Erfurt“zur Brust: die Revolte der Bevölkerung gegen ihre Ratsherren 1509/10. Zwei Jahre später folgte das im Hohen Chor der Barfüßerkirche eingeweihte „Luther-Triptychon“, das gleichsam mit Tod und Teufel spielt, sehr direkt auch mit Faust und Mephisto zwischen Himmel- und Höllenfahrt.
Das älteste Werk der Ausstellung stammt von 1964 und ist eine von 18 institutionellen wie privaten Leihgaben: Das Lindenau-Museum Altenburg kaufte damals Zanders vierteiligen „Der anachronistische Zug“nach Brechts Gedicht von 1947 an, worin der Dichter den Opportunismus der Nazis nach Kriegsende natürlich nur in Westdeutschland aufspießte und Rufe nach „Freiheit und Democracy“verhöhnte. Zanders Gemälde, das Vorbilder wie Otto Dix oder George Grosz erkennen lässt, setzt auf Fratzen, auf die der in Gestalt des Schauspielers Ekkehard Schall gemalte Brecht zeigt. Zu jener Zeit knüpfte Zander Kontakt zum „Berliner Ensemble“.
Mit 25 entsprang er als „Ausnahmetalent“der Leipziger Schule, zu
der Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer oder Werner Tübke gehörten, aber auch als Außenseiter mit bereits stark surrealistischer Ausprägung. Er hatte und behielt einen engen Bezug zur Literatur, der er später selbst Romane und Grotesken zulieferte („Stille Landfahrten“, „Das sanfte Labyrinth“, „Das Max-und-Moritz-Syndrom“).
Seine grafische Beschäftigung mit Thomas Mann („Dr. Faustus“und „Der Zauberberg“) ist in Erfurt zu sehen.
Über „Das sanfte Labyrinth“, von Zander selbst illustriert, kam Peter Thoms nicht nur zu diesem Künstler, dem er heutzutage aufs Engste verbunden ist, sondern zur bildenden Kunst überhaupt. Der Mühlhäuser Förster war als Sammler und Galerist Zanders ein Leihgeber und Vermittler fürs Angermuseum. Als Naturaliensammler kennt er sich auch aus mit den ironischen wie satirischen Tiermotiven, Insekten oft, die Zander symbolhaft verwendet.
Erfurt stellt einen Protagonisten mythosbezogener Kunst vor, wie Kunsthistoriker Peter Arlt das nennt, einen schon früh auch international anerkannten Künstler, der 1976, kurz nach Tübke, in Mailand ausstellen konnte, und jemanden, der sich mit mythologischen und surrealistischen Motiven strategisch „Ansprüchen der aktuellen Kulturpolitik in der DDR zu entziehen“wusste, so Museumschef KaiUwe Schierz. Auch als Maler blieb Zander Zeichner: Oft mit roter Farbe umriss er, was er ausmalte. Zander taumelt überm Grat von Illustration und Kunst.
„Male nur, was du siehst“, liest man zu Beginn der Schau und sieht dort Zanders gleichnamiges (Selbst-)Bildnis von 1980. Darin steckt ein Witz: Zander, der sich oft auf griechische Mythologie sowie die Renaissance bezieht, malt vor allem, was er vor seinem inneren Auge sieht: ein skurriles Spiel mit Traum und Wirklichkeit.
Eröffnung (in Abwesenheit des schwerkranken Künstlers) am 11. Mai, um 16 Uhr. Zu sehen bis 28. Juli. Zur Ausstellung ist ein 200 Seiten starker Katalog erschienen.