Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Von der süßen Geschichte der Dynastien
Geschichten aus dem Gothaer Land: Die Görings, die Eismacher der Stadt, betreiben mehrere Läden
Der Sommer kommt und mit ihm die Lust auf ein leckeres Eis. Das süße Genussmittel stammt vermutlich aus dem antiken China, kam dann nach Europa, wo die alten Römer eine besondere Affinität zu der Süßigkeit entwickelten. Von Hamburg aus verbreitete es sich um 1800 in Deutschland weiter. Erste Eisdielen entstanden, das Eis zum Mitnehmen war zum Renner geworden. Um das Jahr 1900 konnte man in Gotha Speiseeis bei Leopold Gams auf dem Hauptmarkt, in den Cafés Heimburg an der Mönchelstraße, Ilgen an der Schwabhäuser Straße und Meckelein an der LucasCranach-Straße bekommen.
Später gab es noch die „Wiener Eisdiele“von Hermann Beckmann an der Erfurter Straße. Auch in Eiswagen wurden die Köstlichkeiten in Gotha an wechselnden Standorten angeboten, bevor sie später hauptsächlich in speziellen festen Eisdielen in der Stadt zu haben waren. Gegenüber dem Kino „Weiße Wand“stand „Görings Eisdiele“, jahrzehntelang beliebt bei Groß und Klein. Anfangs befand sich die kleine Eis-Hütte auf der anderen Straßenseite, vor dem Grundstück des Baubetriebes Kunze. Dann konnte die Familie das gegenüberliegende Grundstück erwerben und eine neue größere Eisdiele bauen.
Überall in der Innenstadt entstehen Eiscafés
Die Görings galten als bekannteste Eisdynastie Gothas, wohnhaft am Töpferweg. Der Begründer war Ernst Göring, es folgten Karl, Walter und Herbert. Vom Töpferweg aus belieferten sie ihre Eisdielen in der Stadt, zogen aber auch mit Eiswagen umher. Oft stand einer der Wagen bei der Orangerie, an der Einfahrt zur Hofgärtnerei. An der Mohrenstraße betrieben die Görings in den 1950er und 1960er-Jahren eine weitere Eisdiele, die sehr beliebt war. Auch auf dem Rummel an der Stadthalle hatten sie einen Stand mit Eis und Zuckerwatte.
Anfang der 1920er-Jahre hatte Ernst Göring mit dem Eisgeschäft begonnen, Herbert Göring beendete es 1987 mit seinem Renteneintritt. Die Kinder waren nicht bereit, das Geschäft zu übernehmen, so die Tochter Sybille Zacharias. An der Erfurter Straße entstand in den 1960er-Jahren in der alten Stadtsparbank ein großes Eiscafé, die HO-„Pinguinbar“, und im Hof der
Gaststätte „Einheit“an der Kindleber Straße wurden die Eistüten aus einem kleinen Fenster gereicht.
„Bier- und Brausebuden“gab es auch schon früher. Diese Kioske standen an verkehrsreichen Orten, wie an den beiden Bahnhöfen Gothas, aber auch am Arnoldiplatz, neben der Hauptpost und am Bertha-von-Suttner-Platz. Am Buttermarkt gab es eine Hütte, in der schmackhafte Fischbrötchen für 25 DDR-Pfennige zu haben waren. Oberhalb der Wasserkunst, neben der nordwestlichen Schlossrampe,
verkaufte Familie Schröder aus einem kleinen Fachwerkhäuschen Bier, Brause und Tabakwaren. Selbst am Hersdorfplatz und am alten Krankenhaus an der Erfurter Landstraße gab es Kioske. An Letzterem konnten die Besucher des Krankenhauses für die Patienten noch ein Mitbringsel erwerben.
Besonders beliebt war der Kiosk am Arnoldiplatz. An der Stelle befand sich zuvor die Fleischerei von Karl Zickler, dessen Haus den Kriegsereignissen zum Opfer fiel. Nachdem die Trümmer beseitigt waren, entstand dort ein Parkplatz, der erste bewachte und gebührenpflichtige Parkplatz der Stadt. Davor stand dieser gut besuchte Kiosk mit dem Spitznamen „Forelle“. Er gehörte Hans Fischer, später übernahm ihn die Handelsorganisation (HO). Es war damals einer der wenigen Orte, wo Thüringer Bratwürste gebraten wurden.
Der ehemalige Direktor des Gothaer Fleischkombinates und späterer Bürgermeister von TambachDietharz, Egon Stötzer, erinnert sich, dass im kombinatseigenen Lehrbetrieb an der Marktstraße (später Fleischerei Wetzel) die Bratwürste für diesen Kiosk von Fleischerlehrlingen produziert wurden. Bratwürste gab es in den 1950erJahren auch unter einem Laubengang bei der Gaststätte „Thüringer Hof“. An der Frontseite stand „Grönes Eisdiele“, der auch eine weitere am Bertha-von-Suttner-Platz betrieb. In der Kindleber Straße gab es in einem Garten einen Kiosk, der in der Gegend sehr beliebt war. Amalie Rißland betrieb ihn. Zigaretten, ob „Turf“oder „Jubilar“, konnte man auch einzeln, in einem Tütchen verpackt, kaufen, erinnert sich Ralf „Ralle“Pechhold, der im Nachbarhaus aufwuchs.