Thüringische Landeszeitung (Jena)
Der Abzug muss sein
Das Besuchsverbot in Incirlik ist ein Skandal
Seit acht Wochen ist es deutschen Abgeordneten durch die türkische Regierung verboten, die 250 Bundeswehrsoldaten im türkischen Incirlik zu besuchen. Jetzt bereitet die Bundesregierung offenbar still und heimlich den Abzug der Soldaten vor. Offizielle Auskünfte sind Mangelware. Wer dazu konkret anfragt, bekommt nur verdruckste Antworten.
Dabei ist dieser Abzug richtig und längst überfällig. Eine solche Behandlung entspricht weder den Gepflogenheiten unter NatoPartnern noch der viel beschworenen türkischen Gastfreundschaft.
Es ist ein Skandal, dass deutschen Parlamentariern und auch Medienvertretern verwehrt wird, die eigenen Streitkräfte zu besuchen. Es handelt sich schließlich um Einheiten, die mithelfen, auch das Territorium des NatoPartners Türkei zu sichern. Die Soldaten riskie ren ihr Leben, um auch die türkische Bevölkerung vor Angriffen des sogenannten „Islamischen Staat“zu schützen. Schon viel zu lange hat die Bundesregierung hingenommen, dass Präsident Erdogan aus Ärger über die ArmenienResolution des Bundestages die Rechte frei gewählter deutscher Abgeordneter beschneidet.
Der offenbar bevorstehende BundeswehrAbzug aus der Türkei wirft auch ein Schlaglicht auf die Frage: Wie sieht die Zukunft des NatoMitgliedslandes Türkei aus? Ein Land, das der Bundesnachrichtendienst als „zentrale Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen“einstuft?
Es ist höchste Zeit, die Türkei an die gemeinsamen Werte zu erinnern. Auch wenn die Stimmung danach noch schlechter wird. Mit diplomatischer Leisetreterei aus Angst vor einem Scheitern des Flüchtlingspaktes dringt man in Ankara schon lange nicht mehr durch.