Thüringische Landeszeitung (Jena)
Streit um Steuern bahnt sich an
Politiker aus SPD und Union wollen die Abgabenlast senken – und stoßen auf Widerspruch
BERLIN. Angesichts der Rekordeinnahmen des Staates wird der Ruf nach Steuersenkungen lauter. Politiker sowohl der Union als auch der SPD machen sich dafür stark, die Bürger an den milliardenschweren Überschüssen öffentlicher Haushalte stärker teilhaben zu lassen.
Es könne keinen besseren Beleg für die Notwendigkeit von Entlastungen geben als die nun vorgelegten neuen Zahlen, sagte der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU/ CSU, Carsten Linnemann, der Stuttgarter Zeitung. „Steuersenkungen sind nicht nur möglich, sondern auch bitter nötig“, fügt er hinzu.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hält deutliche Steuersenkungen für möglich. In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“rief der SPDLandeschef seine Partei dazu auf, sich dem Thema zu stellen und Vorschläge für Entlastungen zu entwickeln. „Die SPD ist gut beraten, sich auf diese Diskussion einzulassen und ein eigenes Konzept zu erarbeiten.“Der Union dürfe das Feld nicht überlassen werden.
Widerspruch kam vom SPDHaushaltsexperten Johannes Kahrs. Er bezeichnete Forderungen nach Steuersenkungen als Schnellschuss. Vorrang habe für die SPD die Entlastung von Familien und Arbeitnehmern mit kleinen und mittleren Einkommen über die Senkung der Sozialbeiträge, sagte er.
Der Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte der „Bild“-Zeitung: „Der Steuertopf ist fett gefüllt mit dem Geld meiner Leute. Wenn da nicht endlich was zurückfließt, dann sind die richtig sauer.“Auch der Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten (CDU) verlangte in dem Blatt Erleichterungen für Beitragszahler. „Es ist das Geld der Bürger, sie sollten am Überschuss beteiligt werden. Eine BürgerDividende, z.B. als Steuerentlastung für Familien, wäre das richtige Signal.“
Das Statistische Bundesamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass der Staat im ersten Halbjahr 2016 mit einem Rekordüberschuss von der robusten Konjunktur und den niedrigen Zinsen profitiert hat. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen nahmen nach vorläufigen Berechnungen 18,5 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Plus bei 1,2 Prozent.
Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav A. Horn, warnte trotz des Überschusses vor Steuersenkungen. „Es gilt, die richtigen Prioritäten zu setzen“, sagte er den „Ruhr Nachrichten“. „Bund und Kommunen investieren zu wenig. Wir verschleißen mehr als wir erneuern. Die sinnvollste Verwendung der Überschüsse wären mehr Investitionen. Das würde die Produktivkraft erhöhen und käme der Konjunktur viel stärker zugute als Steuersenkungen.“(dpa)