Thüringische Landeszeitung (Jena)
Ermittlungen gegen AfD-Politiker Rudy
Kehrtwende im Fall Brandner: Politiker entlastet – Wegen Morddrohungen ist jetzt Norddeutscher im Visier der Fahnder
ERFURT. Der AfD-Landtagsabgeordnete Thomas Rudy stand vor einem mittleren Chaos, als er seine Wohnung betrat. Er kam aus Moskau, es war spät am Mittwoch.
In der Wohnung fehlten Aktenordner, „viele“, wie es heißt. Auch auf dem Fußboden sah manches anders aus. Die Steuerfahnder hatten dem 57-Jährigen einen Besuch abgestattet – genau genommen: zwei. Sie hatten Rudys Privatwohnung in Ostthüringen sowie seine Unterkunft in Erfurt durchsucht, wo er lebt, wenn der Landtag tagt.
Steuerhinterziehung lautet der Verdacht. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt. Der Vorwurf basiert auf einer Anzeige, die vor gut vier Monaten bei den Behörden einging. Die Immunität, die den Abgeordneten prinzipiell vor Strafverfolgung schützt, wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft vor neun Wochen durch den Justizausschuss des Landtags aufgehoben. Danach wurden die Durchsuchungen vorbereitet.
Einzelheiten will die Staatsanwaltschaft nicht nennen. „Aus Ermittlungsgründen und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes“, sagte der Sprecher der Anklagebehörde, Martin Zschächner, gestern unserer Zeitung. „In der Vergangenheit sind Vorwürfe gegen Politiker erhoben worden, die sich später in Luft aufgelöst haben.“
Ein prominentes Beispiel ist Stephan Brandner, AfD-Landtagsabgeordneter aus Gera. Der Fall begann mit Morddrohungen – gegen den 50-Jährigen..
Es war zu Beginn des vergangenen Jahres, da meldete sich eine unbekannte Stimme auf Brandners Handy. „Wir Russen kennen nur Selbstjustiz“, sagte der Mann, er sprach mit deutlichem Akzent. Er drohte: Brandner habe seine Chance gehabt, er hätte verschwinden können; doch jetzt sei es zu spät; jetzt würden sie ihn fertigmachen, würden kommen und ihn töten.
Brandner, gebürtiger Westfale und von der Stasi überwacht, ging zur Staatsanwaltschaft und erstattete Anzeige. Die ermittelte und hörte sich die Drohanrufe an: Da war von KO-Tropfen die Rede, mit denen Brandner eine Frau besinnungslos gemacht habe, um Sex mit ihr zu haben. Die Bettszenen hätte er gefilmt und als Video ins Internet gestellt.
Das waren die Vorwürfe. Damit wendete sich das Blatt gegen den Politiker. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn, der Justizausschuss, dem er vorsitzt, hob in seiner Abwesenheit seine Immunität auf.
Dann stellte sich heraus: Die Vorwürfe gegen Brandner waren allesamt erlogen. Nun ermittelt die Staatsschaft Gera gegen den Anrufer wegen Bedrohung: keinen Russen, sondern einen 42-jährigen Marokkaner.
„Das war eine fürchterliche Zeit“, sagt Brandner. „Deutschlandweit wird über einen berichtet. Dann muss man seiner Mutter, die in NRW lebt, erst einmal erklären, was da los ist.“