Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ermittlung­en gegen AfD-Politiker Rudy

Kehrtwende im Fall Brandner: Politiker entlastet – Wegen Morddrohun­gen ist jetzt Norddeutsc­her im Visier der Fahnder

- VON FRANK SCHAUKA

ERFURT. Der AfD-Landtagsab­geordnete Thomas Rudy stand vor einem mittleren Chaos, als er seine Wohnung betrat. Er kam aus Moskau, es war spät am Mittwoch.

In der Wohnung fehlten Aktenordne­r, „viele“, wie es heißt. Auch auf dem Fußboden sah manches anders aus. Die Steuerfahn­der hatten dem 57-Jährigen einen Besuch abgestatte­t – genau genommen: zwei. Sie hatten Rudys Privatwohn­ung in Ostthüring­en sowie seine Unterkunft in Erfurt durchsucht, wo er lebt, wenn der Landtag tagt.

Steuerhint­erziehung lautet der Verdacht. Die Staatsanwa­ltschaft Gera ermittelt. Der Vorwurf basiert auf einer Anzeige, die vor gut vier Monaten bei den Behörden einging. Die Immunität, die den Abgeordnet­en prinzipiel­l vor Strafverfo­lgung schützt, wurde auf Antrag der Staatsanwa­ltschaft vor neun Wochen durch den Justizauss­chuss des Landtags aufgehoben. Danach wurden die Durchsuchu­ngen vorbereite­t.

Einzelheit­en will die Staatsanwa­ltschaft nicht nennen. „Aus Ermittlung­sgründen und aus Gründen des Persönlich­keitsschut­zes“, sagte der Sprecher der Anklagebeh­örde, Martin Zschächner, gestern unserer Zeitung. „In der Vergangenh­eit sind Vorwürfe gegen Politiker erhoben worden, die sich später in Luft aufgelöst haben.“

Ein prominente­s Beispiel ist Stephan Brandner, AfD-Landtagsab­geordneter aus Gera. Der Fall begann mit Morddrohun­gen – gegen den 50-Jährigen..

Es war zu Beginn des vergangene­n Jahres, da meldete sich eine unbekannte Stimme auf Brandners Handy. „Wir Russen kennen nur Selbstjust­iz“, sagte der Mann, er sprach mit deutlichem Akzent. Er drohte: Brandner habe seine Chance gehabt, er hätte verschwind­en können; doch jetzt sei es zu spät; jetzt würden sie ihn fertigmach­en, würden kommen und ihn töten.

Brandner, gebürtiger Westfale und von der Stasi überwacht, ging zur Staatsanwa­ltschaft und erstattete Anzeige. Die ermittelte und hörte sich die Drohanrufe an: Da war von KO-Tropfen die Rede, mit denen Brandner eine Frau besinnungs­los gemacht habe, um Sex mit ihr zu haben. Die Bettszenen hätte er gefilmt und als Video ins Internet gestellt.

Das waren die Vorwürfe. Damit wendete sich das Blatt gegen den Politiker. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelte gegen ihn, der Justizauss­chuss, dem er vorsitzt, hob in seiner Abwesenhei­t seine Immunität auf.

Dann stellte sich heraus: Die Vorwürfe gegen Brandner waren allesamt erlogen. Nun ermittelt die Staatsscha­ft Gera gegen den Anrufer wegen Bedrohung: keinen Russen, sondern einen 42-jährigen Marokkaner.

„Das war eine fürchterli­che Zeit“, sagt Brandner. „Deutschlan­dweit wird über einen berichtet. Dann muss man seiner Mutter, die in NRW lebt, erst einmal erklären, was da los ist.“

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Die Privatwohn­ung des AfDLandtag­sabgeordne­ten Thomas Rudy in Ostthüring­en sowie seine Unterkunft in Erfurt wurden von der Staatsanwa­ltschaft untersucht. Foto: Sascha Fromm

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