Thüringische Landeszeitung (Jena)
Genuss ganz ohne grüne Soße
„Sardellen Salat sehr gut“: Das Goethe und SchillerArchiv zeigt die leckersten Handschriften
WEIMAR. So herzhaft appetitliche Exponate ziehen die Wissenschaftler in Weimars Goetheund Schiller-Archiv (GSA) nur selten aus dem Fundus: Nun servieren sie in der AusstellungsReihe mit Autographen aus eigenen Beständen eine kleine, substanzielle Schau zum Themenkreis Essen und Trinken. Da fühlt sich der Besucher, zumal der klassisch interessierte, aufs Köstlichste bewirtet.
Mit einer hartnäckigen Legende räumt aber Kuratorin Evelyn Liepsch gleich zu Anfang auf: „Wir wissen aus keiner Quelle, dass es bei Goethe eine grüne Soße gab.“Verschiedenste Soßen, auch solche mit Kräutern, genoss der Dichterfürst freilich zur Veredelung eines Mahls, nur die Frankfurter Grüne Soße kannte er nicht.
Stattdessen tischt Liepsch ihren Gästen als Hors d‘OEuvre das Familienkochbuch der „Lindheimerin“, Goethes Großmutter Anna Maria Textor, von anno 1724 auf und erklärt den heute vergessenen Brauch, Mädchen – etwa zur Konfirmation – ein Kochbuch zu schenken, in dem sie dann zeitlebens handschriftlich Rezepte eintrugen. Weitere Exponate dieser Art stammen aus den Nachlässen der Arnims und der Nietzsches, und hier wie dort gilt: „Nach der Hochzeit übernahm oft der Ehemann die Federführung“, sagt Liepsch schmunzelnd.
Daher finden sich in diesen Kochbüchern so allerlei Rezepte: für Sardellensalat oder als „Hobelspäne“apostrophierte Eierschaumplätzchen ebenso wie für Tinten, Arzneien, Schuhwichse oder Kleber, um Gläser zu leimen. Also jegliche Mixturen, die so ein Haushaltsvorstand benötigte. Eindruck macht sodann ein Wirtschaftsbuch von Johann Caspar Goethe, Wolfgangs Vater. Der orderte 1753 u. a. 18 Laibe Brot, 3 Malter Mehl und 242 Pfund Butter – für seine Vorratskammer. Was die frugalen Mengen angeht, korrespondiert dieses Stück mit einem zweiten in der Vitrine gegenüber: Wieland bestellte bei den Gebrüdern Ramann in Erfurt „baldmöglichst einen Eimer guten rothen Erlauer“. Im Weinkonsum waren unsere Klassiker fast so engagiert wie in der Dichtkunst.
Sehr beliebt in diesen Kreisen war offenbar der Sardellensalat, für den Liepsch gleich mehrere Rezepte parat hat. Etwa jenes der Claudine von Arnim, einer Schwiegertochter Bettinas: Sie mischt ¼ Pfund Sardellen mit Hähnchenbrust, Kalbsbraten, 2 kl. Kartoffeln, 2 kl. Essiggurken, roten Rüben vor allem sowie Kapern. Goethe befand: „Die Welt ist ein Sardellen Salat; / er schmeckt uns früh, er schmeckt uns spat.“So stiftete dieses Gericht auch den Titel für die aktuelle GSA- Handschriftenschau.
Zu seinen Leibspeisen gehörten seit der ersten Italienreise natürlich Teigwaren. Ergo ließ er sich, zurück in Weimar, die Makkaroni am liebsten aus einer Dresdner Nudelmühle kommen. Eine andere Köstlichkeit aus Sachsen genoss er schon des Morgens: Dresdner Grütze aus Buchweizen oder Heidekorn in heißer Bouillon.
Friedrich Schiller, obzwar an Wirtschaftskraft nicht ebenbürtig, stand dem kaum nach. Aus seiner Feder findet der Besucher ein „Punschlied“: „Vier Elemente/ Innig gesellt/ Bilden das Leben/ Bauen die Welt.“Damit meinte er, wie er sodann genüsslich ausführte, Citrone, Zucker, Wasser und Alkohol.
Ein zweites Zeugnis Schillerschen Prassens liefert Georg Debertshäusser, eine Randfigur der Kulturgeschichte: Er sandte die – nun ausgestellte – Rechnung über Essen, Bier, Licht und Pferdeverpflegung, die ein gewisser Doktor Ritter in seinem Bauerbacher Gasthaus prellte, an Frau von Wolzogen, dessen Gönnerin. Sie ist bis heute unbeglichen.
Weiter geht‘s über den Versuch Ottilie von Goethes, ein Nationalkochbuch herauszugeben – sie kam nicht übers Vorwort hinaus –, über Menüvorschläge samt Tafelgestaltungen René François Le Goullons, Anna Amalias Hofkoch, sowie Bestelllisten Franz Liszts für Konserven – er mochte Pasteten, marinierte Austern und Gepökeltes – bis hin zum krönenden Exponat, der festlichen Menüfolge aus Anlass der GSA-Eröffnung am 28. Juni 1896: Gurkencremesuppe, Fleischpasteten, Kalbsrücken à la Italienne, Hummer à la Provençale, gebratene Ente, Spargel sowie Desserts, darunter „Bombe à la Russe“.
Nach dieser üppigen Kost benötigt der Ausstellungsbesucher vielleicht ein Verdauungsschläfchen, doch auch den ArchivMitarbeitern trug dieses Ausstellungsprojekt ungewohnte Erfahrungen ein. „Es war viel los am Wochenende“, verrät Liepsch, „wir haben viel gebacken!“
Wieland ordert Rotwein wie üblich eimerweise