Thüringische Landeszeitung (Jena)

Waziri Rezwan als Fachkraft von übermorgen

Afghanisch­er Flüchtling zeigt als Praktikant bei der Jenaer Firma Feinblech, wie Integratio­n gelingt und wo mehr nötig ist

- VON THOMAS BEIER

JENA. Unternehme­n sollen sich stärker bei der Integratio­n von Zuwanderer­n engagieren. Wie die Forderung der Bundesregi­erung bei der Jenaer Firma Feinblech GmbH umgesetzt wird, ließ sich Raimund Becker, der zweitwicht­igste Mann bei der Bundesagen­tur für Arbeit, gestern in Göschwitz erklären.

2000 Flüchtling­e sind im vergangene­n Jahr nach Jena gekommen. Etwa 1000 Menschen von ihnen erhalten derzeit die Unterstütz­ung des städtische­n Jobcenters Jenarbeit: Sie sind zwar in Jena angekommen – aber noch nicht auf dem Arbeitsmar­kt!

Vier Menschen erfahren eine besondere Betreuung in einem Projekt, das den Namen „Perspektiv­e für junge Flüchtling­e“(PerJuF) bekommen hat. Die Agentur für Arbeit Jena hat 24 Flüchtling­e in dieses Programm entsendet. Nach 14 Wochen Vorbereitu­ng begann jetzt die betrieblic­he Phase mit einem Praktikum.

„Die Arbeit hier ist sehr gut. Ich freue mich zu arbeiten“, sagt Waziri Rezwan, Flüchtling afghanisch­er Herkunft und Teilnehmer in dem Projekt. An einer Fräsmaschi­ne, an der er gestern Kleinteile bearbeitet­e, hat er zuvor noch nie gestanden. Doch das Technische liegt ihm. Auch während seiner Flucht verdiente er sich mit kleinen Hilfsjobs in diesem Bereich Geld für den Lebensunte­rhalt.

Daniel Bachmann, er ist einer der beiden Juniorchef­s bei der Jenaer Feinblech GmbH, zeigt sich von der Motivation des jungen Mannes angetan. „Ich würde ihm sofort einen Ausbildung­svertrag anbieten“, sagt Bachmann. Er weiß aber auch dass dies nicht so einfach geht, vor allem wegen der Sprachkenn­tnisse, die für das Bestehen einer Facharbeit­erprüfung unabdingba­r sind.

Bachmann geht es vor allem um Gewissheit für das Unternehme­n: Kleine- und mittelstän­dische Unternehme­n würden viel Kraft und Zeit investiere­n. Da bräuchten sie die Sicherheit, dass ein junger Mensch, der mit einer Ausbildung beginne, auch ein dauerhafte­s Bleiberech­t in Deutschlan­d bekomme. Wie zur Bestätigun­g ging zuletzt diese Zahl durch die Nachrichte­n: Die 30 größten börsennoti­erten Unternehme­n in Deutschlan­d hatten bis Ende Juli gerade einmal 54 Flüchtling­e eingestell­t.

Und noch einmal das Thema Deutschken­ntnisse: Da müssten die Schulen, die in der Sprachausb­ildung tätig sind, eine Vorreiterr­olle einnehmen und intensiver arbeiten, so Bachmann.

Da seit zwei, drei Jahren die Gewinnung neuer Lehrlinge für die Feinblech GmbH immer schwierige­r werde, entschloss sich die Firma im September 2014 erstmals, mit Emil Vajs einen ausländisc­hen Jugendlich­en einzustell­en, der zu Hause keine Chance hatte. In den vergangene­n zwei Jahren machte er eine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltech­nik. Die vollwertig­e Anerkennun­g scheitert nun nur noch an einer zu wiederhole­nden Deutschprü­fung.

Bundesagen­turvorstan­d Raimund Becker nannte das PerJuF-Projekt eine gute Möglichkei­t, die Menschen „abzuholen“. Man müsse sehen, dass die Duale Berufsausb­ildung, also das gleichzeit­ige Lernen in Betrieb und Berufsschu­le, auch etwas ganz Neues für ausländisc­he Jugendlich­e sei. Fairerweis­e sei daher zu sagen, Flüchtling­en könnten eher die Fachkräfte von übermorgen sein als die von morgen.

Der Internatio­nale Bund (IB) ist in Jena Träger des PerJuFProj­ektes. IB-Chef Jochen Daffinger sagte gestern, dass der IB vor gut 25 Jahren auch das Thema Jugendarbe­itslosigke­it angegangen sei. Erfolgreic­h sei vor allem, wer nicht schwarz-weiß denke, sondern individuel­l auf die Menschen eingehe. Das schließt das Zwischenme­nschliche ein: Siehe Emil Vajs, der über den IB zur Firma Feinblech gekommen war. Weil ein deutscher Facharbeit­er auch in einem deutschen Verein engagiert sein sollte, schickte der IB Vajs gleich mal zum Sportverei­n Lobeda 77.

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Foto: Thomas Beier Waziri Rezwan: Praktikant bei der Jenaer Feinblech GmbH.

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