Thüringische Landeszeitung (Jena)
Waziri Rezwan als Fachkraft von übermorgen
Afghanischer Flüchtling zeigt als Praktikant bei der Jenaer Firma Feinblech, wie Integration gelingt und wo mehr nötig ist
JENA. Unternehmen sollen sich stärker bei der Integration von Zuwanderern engagieren. Wie die Forderung der Bundesregierung bei der Jenaer Firma Feinblech GmbH umgesetzt wird, ließ sich Raimund Becker, der zweitwichtigste Mann bei der Bundesagentur für Arbeit, gestern in Göschwitz erklären.
2000 Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr nach Jena gekommen. Etwa 1000 Menschen von ihnen erhalten derzeit die Unterstützung des städtischen Jobcenters Jenarbeit: Sie sind zwar in Jena angekommen – aber noch nicht auf dem Arbeitsmarkt!
Vier Menschen erfahren eine besondere Betreuung in einem Projekt, das den Namen „Perspektive für junge Flüchtlinge“(PerJuF) bekommen hat. Die Agentur für Arbeit Jena hat 24 Flüchtlinge in dieses Programm entsendet. Nach 14 Wochen Vorbereitung begann jetzt die betriebliche Phase mit einem Praktikum.
„Die Arbeit hier ist sehr gut. Ich freue mich zu arbeiten“, sagt Waziri Rezwan, Flüchtling afghanischer Herkunft und Teilnehmer in dem Projekt. An einer Fräsmaschine, an der er gestern Kleinteile bearbeitete, hat er zuvor noch nie gestanden. Doch das Technische liegt ihm. Auch während seiner Flucht verdiente er sich mit kleinen Hilfsjobs in diesem Bereich Geld für den Lebensunterhalt.
Daniel Bachmann, er ist einer der beiden Juniorchefs bei der Jenaer Feinblech GmbH, zeigt sich von der Motivation des jungen Mannes angetan. „Ich würde ihm sofort einen Ausbildungsvertrag anbieten“, sagt Bachmann. Er weiß aber auch dass dies nicht so einfach geht, vor allem wegen der Sprachkenntnisse, die für das Bestehen einer Facharbeiterprüfung unabdingbar sind.
Bachmann geht es vor allem um Gewissheit für das Unternehmen: Kleine- und mittelständische Unternehmen würden viel Kraft und Zeit investieren. Da bräuchten sie die Sicherheit, dass ein junger Mensch, der mit einer Ausbildung beginne, auch ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland bekomme. Wie zur Bestätigung ging zuletzt diese Zahl durch die Nachrichten: Die 30 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland hatten bis Ende Juli gerade einmal 54 Flüchtlinge eingestellt.
Und noch einmal das Thema Deutschkenntnisse: Da müssten die Schulen, die in der Sprachausbildung tätig sind, eine Vorreiterrolle einnehmen und intensiver arbeiten, so Bachmann.
Da seit zwei, drei Jahren die Gewinnung neuer Lehrlinge für die Feinblech GmbH immer schwieriger werde, entschloss sich die Firma im September 2014 erstmals, mit Emil Vajs einen ausländischen Jugendlichen einzustellen, der zu Hause keine Chance hatte. In den vergangenen zwei Jahren machte er eine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik. Die vollwertige Anerkennung scheitert nun nur noch an einer zu wiederholenden Deutschprüfung.
Bundesagenturvorstand Raimund Becker nannte das PerJuF-Projekt eine gute Möglichkeit, die Menschen „abzuholen“. Man müsse sehen, dass die Duale Berufsausbildung, also das gleichzeitige Lernen in Betrieb und Berufsschule, auch etwas ganz Neues für ausländische Jugendliche sei. Fairerweise sei daher zu sagen, Flüchtlingen könnten eher die Fachkräfte von übermorgen sein als die von morgen.
Der Internationale Bund (IB) ist in Jena Träger des PerJuFProjektes. IB-Chef Jochen Daffinger sagte gestern, dass der IB vor gut 25 Jahren auch das Thema Jugendarbeitslosigkeit angegangen sei. Erfolgreich sei vor allem, wer nicht schwarz-weiß denke, sondern individuell auf die Menschen eingehe. Das schließt das Zwischenmenschliche ein: Siehe Emil Vajs, der über den IB zur Firma Feinblech gekommen war. Weil ein deutscher Facharbeiter auch in einem deutschen Verein engagiert sein sollte, schickte der IB Vajs gleich mal zum Sportverein Lobeda 77.