Thüringische Landeszeitung (Jena)
Stadtrat muss an den Aufstieg glauben
Rolf Tänzer: „Desolater Zustand“der Vereinsführung – Lenkert für Erhalt der Südkurve – Umbau soll Ende 2019 fertig sein
JENA. Es ist nicht so, dass die Stadträte für Fußball nichts übrig haben. Wenn sie kritisch auf den Stadionumbau blicken, hat das einen Grund: Der Zuschussbedarf der Stadt hängt vom sportlichen Erfolg ab.
Es passte ins Bild, als wenige Stunden vor der Ratssitzung durchsickerte, dass der Investor des FC Carl Zeiss Jena, Roland Duchâtelet, erwägt, seine Anteile zu verkaufen. Ob dies nur eine Drohung ist oder sich ernsthafte Absichten dahinter verstecken, sei einmal dahingestellt: Fakt ist, dass der Wunsch nach einer soliden Vereinsführung sich wie ein roter Faden durch die Sitzung am Mittwoch zog.
So beklagte Ralf Tänzer (SPD) den „desolaten Zustand“in der Vereinsführung. „Der Wille muss da sein, in eine höhere Spielklasse aufzusteigen“, forderte er auch. Der Wille allein reicht aber offenbar nicht: Sollte der Verein in der 4. Liga bleiben, muss die Stadt zwei Millionen Euro beisteuern. Nur bei einem Aufstieg in die dritte oder zweite Liga sind es nur noch 1,2 Millionen Euro.
Hintergrund sind die unterschiedlichen Einnahmen, die unter anderem aufgrund höherer Zuschauerzahlen und entsprechender Fernsehgelder dann weitaus höher ausfallen. Professor Clemens Beckstein (Piraten) sprach von einem Risiko, das die Stadt nicht im Griff habe. So heißt es auch unmissverständlich in der Vorlage des Oberbürgermeisters: „Würde man annehmen, dass der FC Carl Zeiss einen professionellen, der 3. Liga angemessenen Geschäfts- und Spielbetrieb nicht realisieren kann oder will, wäre dem Projekt die Grundlage entzogen.“
Die Stadt Jena prüfte eine Minimalvariante und eine Zielkonfiguration. Erstere entspricht in etwa dem, was der Stadtrat einst beschloss: eine gerade so DFLtaugliche Fußballarena. Hier sind beispielsweise 500 Quadratmeter für Vip-Räumlichkeiten vorgesehen, eine Nettogrundfläche von 6249 Quadratmetern würde bebaut werden. Die neue, größere Variante hat dagegen gleich 9066 Quadratmeter Grundfläche und 1500 Quadratmeter für den VipRaum. Und Bürgermeister Frank Schenker (CDU) sprach davon, ganz vorsichtig kalkuliert zu haben: Die Kosten wurden nicht zu niedrig angesetzt, die Erlöse nicht zu hoch. Noch vor einem Jahr kursierte eine Investitionssumme von etwa 22 Millionen Euro für den Stadionneubau im Areal des Ernst-Abbe-Sportfeldes – jetzt ist die 40-MillionenMarke überschritten.
Dabei hätte die Debatte über die Südkurve fast zu einer Nebensächlichkeit avancieren können. Dass dies nicht geschah, lag an zwei Faktoren: Bis zu 200 Fans des Clubs kamen zum Rathaus am Markt, um dort für den Erhalt der Südkurve lautstark zu demonstrieren. Und dann gab Ralph Lenkert (Linke) den ebenso romantischen wie fußballverrückten Politiker: Er sprach von dem besonderen Moment, im November die untergehende Sonne in der Südkurve zu erleben, und von der traditionsreichen Fanszene, die im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen eben nicht rechtslastig sei.
So erinnerte Lenkert an jenes Banner, das beim Pokalknaller die Fans beider Mannschaften symbolisch vereinte: „Egal, ob in Jena oder München – Südkurve bleibt für immer.“Lenkert war bei diesem Fußballfest tatsächlich auch im Stadion, verfolgte das Spiel allerdings in der Nordkurve. Und seine Argumente für die Wirtschaftlichkeit?
Fußball sei ein weicher Standortfaktor, Fußball sei ein Werbeträger für die Stadt, denn Jena sei zweimal in den vergangenen Woche positiv in den Nachrichten gewesen – auch überregional: Neben dem Pokalspiel war dies auch der Blockade der rechtsradikalen Thügida geschuldet.
Und die Leichtathleten? Der Projektstab legte mehrere Varianten vor, wobei der Standort an der Wöllnitzer Straße nunmehr favorisiert wird: „Hierfür wurden Investitionszuschüsse in Höhe von 40 Prozent in Aussicht gestellt, sowie die Beteiligung von Sportgymnasium und Friedrich-Schiller-Universität (FSU) an den laufenden Betreibungskosten, für die eine Kalkulation erstellt wurde. Weiterhin hat die FSU gegebenenfalls Interesse daran, die Betreibung der auf ihrem Grundstück gelegenen Anlage selbst zu übernehmen“, heißt es in der Vorlage. Darin wird die FSU als Grundstückseigentümer als wichtigster Verhandlungspartner genannt „ und es wurde vereinbart, die Verhandlungen im Herbst 2016 mit der Unterzeichnung von Vorverträgen abzuschließen.“
Die nächsten Schritte sind klar umrissen: Die Vergabe soll im Verhandlungsverfahren mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb europaweit durchgeführt werden. Der Teilnahmewettbewerb kann gestartet werden, nachdem der Stadtrat die Vergabeunterlagen bestätigt hat. Beides ist für März 2017 vorgesehen. Im Herbst 2017: Baubeginn der Leichtathletikanlage, die im Sommer 2018 fertiggestellt sein soll. Die Bauarbeiten für die Arena ziehen sich von April 2018 bis Ende 2019 hin.
Bis dahin könnte der Verein aufgestiegen sein. Oder auch nicht.