Thüringische Landeszeitung (Jena)
Theo weiß es
Im Paradies lässt es sich prima fit werden – und dabei plaudern unsere Sportler aus Jena aus dem Nähkästchen
JENA. Am 28. August steigt der Jenaer Triathlon – samt Staffelwettbewerb mit angemeldetem Reporterteam unserer Zeitung. Fotograf Jürgen Scheere wird sich in die Fluten des Schleichersees stürzen – und ich, der Schreiber, ich muss laufen. 4,2 Kilometer. In Worten: Vierkommazweikilometer. Fit wie ein Turnschuh wird man aber nicht im Büro.
Deshalb geht’s raus in die Natur: Auf eine Runde im Paradies mit ... Theo Sonnenberg.
Die Uhr tickt. Unaufhörlich. Gerade waren es doch noch Wochen, nein Monate, die bis zum Wettkampf Zeit waren. Und jetzt soll dieser Triathlon schon an diesem Wochenende sein? Matthias Weißbrodt, der Cheforganisator, grinst. „Es ist an der Zeit für eine Generalprobe“, sagt er. Der Kerl hat gut lachen – er muss ja nur an alles denken; ich muss tatsächlich laufen.
Er wedelt mit dem Schlüsselbund. Zur finalen Laufeinheit soll ich die Strecke, die es am Sonntag zu absolvieren heißt, austesten. An meiner Seite: Jenas bester Nachwuchsmann Theo Sonnenberg, 15 Jahre jung und siegeserfahren. Der bekommt zu allererst den Schlüsselbund. Vier Tore müssen geöffnet werden, damit wir gleich rund um den Schleichersee kommen. Theo spurtet los.
Da geht nichts schief, bemerkt Weißbrodt. Zwar habe man jedes Jahr irgendwie immer ein Problem mit einem Tor, an dem selbst der Generalschlüssel nicht passt. „Aber dieses Mal sind alle Tor offen. Garantiert“, sagt Weißbrodt. Er erinnert sich an ein Jahr, als das Starterfeld schon im Wasser war und sich eine Pforte hinterm See nicht öffnen ließ. „Damals sind wir mit dem Bolzenschneider hin, um das Schloss im letzten Moment zu knacken“, erzählt er und lacht. Theo ist zurück. „Wir können“, sagt der junge Mann und grinst. Weißbrodt winkt fröhlich und ruft noch hinterher, dass er im Ziel auf uns warten würde. „Und zwar wettkampfnah“, sagt er. Dort, wo am Schleichersee üblicherweise zwei kleine Fußballtore auf einem Feld stehen, wird der Wechselgarten für die Räder sein. Hier werde ich auch auf Jens Wiser warten, der hoffentlich am Sonntag eine gute Radzeit vorlegen wird. Von dort geht es durchs erste Tor. Soll es gehen. Es ist zu. Eine freundliche Dame der Bädergesellschaft eilt herbei. Das habe sie gerade wieder abgeschlossen. Prompt ist es aber wieder offen, sodass wir endlich loslegen können.
Vierkommazweikilometer sollen es also heute werden. Wie viel er in seiner Altersklasse zu absolvieren habe, will ich wissen. „Das sind zweieinhalb Kilometer“, entgegnet er. Das sei ja gar nicht so viel, sage ich. Theo grient. „Wenn du vorher 400 Meter geschwommen und zehn Kilometer Rad gefahren bist, sind zweieinhalb Kilometer mehr als du denkst.“
Stimmt. Da war was. Der Staffelwettbewerb ist wahrlich ein Glücksfall. Es bleibt bei einer Disziplin pro Teammitglied.
Aber wie geht man in so ein Rennen? Orientiert man sich an der Geschwindigkeit der direkten Konkurrenz? Oder bestimmt man sein eigenes Tempo? Theo weiß es. „Man holt einfach alles aus sich heraus und schaut, wofür das am Ende reicht!“Es nütze nichts, sich ständig umzuschauen, wie weit die da vorn weg oder wie nah die da hinten dran sind. „Du musst dich nur auf dich konzentrieren!“Ein guter Rat. Ich konzentriere mich kurz auf mich und bemerke, dass wir eigentlich viel zu schnell sind. Sechs Minuten für einen Kilometer – so flott bin ich in den Laufeinheiten im Paradies mit Jenas Sportlern noch nicht unterwegs gewesen. Was denn meine Zielzeit für den Wettbewerb am kommenden Sonntag sei, will Theo wissen. Ich grübele kurz. Vierkommazweikilometer – das sollte doch in 25 Minuten zu packen sein. Immerhin quatsche ich dann nicht, sondern stecke alle Puste in den Lauf. Man kennt es ja: Wer quatscht, hat noch Kraft. Theo grient. „Wer quatscht, kann schneller“, sagt er. „Und sechs Minuten pro Kilometer solltest du schaffen“, bemerkt er. Das sei nun das kleine Einmaleins. Vier Kilometer und ein bisschen mal sechs Minuten. „Nur so schaffst du deine Zeit. Das heißt, dass wir gerade das Wettkampftempo laufen, was du benötigst!“Puh! Das Tor hinterm Schleichersee ist offen. Jetzt geht es in den FKK-Bereich. Ob der am Sonntag auch geöffnet sei, frage ich. Theo weiß es. „Ja. Hier ist jeden Tag offen. Aber im Wettkampf solltest du keine Zeit haben, dich schön umzuschauen. Du solltest im Tunnel sein und nicht die Nack‘schen anzugucken“, sagt er. Hat er recht.
Es folgt das nächste Tor. Es ist offen. Linkerhand liegt der Wurfplatz, rechts die hinteren Fußballplätze der Oberaue. Wir steuern direkt auf den Kunstrasenplatz zu. Einmal quer drüber? Theo ist sich unsicher. „Ich glaube, wir hätten außen herum gemusst“, sagt er. Egal. Wir verraten es keinem! Die Laufhalle im Blick rennen wir ihr entgegen, biegen dann nach links ab wieder Richtung Schleicher. Dort übt ein einzelner Kicker des FCC brav mit seinem Trainer. Das Tor rüber zum Gelände des Südbades aber ist versperrt. Matthias Weißbrodt eilt schon heran. „Mist“, ruft er. „Es ist das letzte Tor auf der Strecke!“Er versucht jeden seiner Schlüssel, keiner passt. Der Fußballtrainer wünscht viel Glück beim Laufen. „Ihr macht das richtig so!“
Also geht es entlang der Laufhalle. An der hinteren Eingangstür hockt die Trainingsgruppe von Speerwurflegende Petra Felke. „Du läufst ja nur noch“, ruft sie und winkt. Eines Tages, so entgegne ich, trainieren wir auch noch zusammen. Mach dich fit! Rufe ich. Sie lächelt – die eine oder andere aus der Gruppe schaut dagegen doch recht grimmig. Die Saalebrücke rüber zum Zirkus Momolo lassen wir rechts liegen, biegen ab zum Eingang des Schleichersees. Zwei Kilometer sind rum. Die sechs Minuten pro 1000 Meter halten wir. Wegen des Umweges aber wird es bei zwei Runden bleiben – am Sonntag stehen drei kürzere auf dem Programm. Links ruht der Schleichersee, rechts hockt Jürgen Scheere, der Fotograf im Gras und wartet schon. Ich deute auf den großen Teich. Ja, dort müsse er 380 Meter schwimmen. Klick-klick-klick-klick. Klack-klack-klack-klack. Foto im Kasten. Er winkt ab. Worin ich ihn da wieder reingequatscht habe.
Wieder geht es durch den FKK. Wieder durch das Tor. Dahinter wartet Miroslav Jovic, Scout beim FC Carl Zeiss Jena. Er baut gerade einen Trainingsparcours auf dem Fußballfeld für die FCC-Talente auf. „Du meinst es ja wirklich ernst“, sagt er laut. Ich lache. Ob auch Theo Fußballfan ist? Auch er lacht. „Ich spiele lieber, als dass ich es mir anschaue“, sagt er.
Komisch, flüstere ich. Bei dem Papa! Theo stutzt kurz. Dann grinst er. „Der sitzt bei jedem FCC-Spiel vor dir, stimmts?“, fragt er.
Ja, das ist wohl wahr. Theos Papa gehört zu den „Eagles“, dem ältesten FCC-Fanclub, nein dem ältesten Fanclub der DDR überhaupt. Man würde jetzt aber nicht von Geburts wegen auch ein „Eagle“. Theo belässt es auch lieber beim Triathlon – oder eben beim selber kicken. In die Nachwuchsakademie des Klubs habe es ihn aber nie gezogen. „Wenn, dann spiele ich mit Freunden aus Spaß an der Freude. Ich mag es nicht, wenn es dann beim Fußball ausartet, jeder seins macht, um der Beste zu sein“, sagt er. Doch auch Triathleten hätten doch hier und da den Ruf, Egoisten zu sein.
Theo schüttelt mit dem Kopf. „Dafür gibt es doch zum Beispiel die Regionalliga, in der man als Viererteam zusammenarbeiten muss“, sagt er. Und der beste Beweis, dass Triathlon nicht nur ein Einzelsport ist, sei der Wettkampf am Wochenende. „Da gibt es die Staffel. Ihr seid zu dritt – allein würdet ihr auch nichts erreichen“, bemerkt er. Dass es hier und da Experte gebe, „die nicht zur Siegerehrung kommen oder einem den Sieg nicht gönnen“, wie es Theo sagt, das sei nun mal so. „Aber es gibt auch sehr viele nette Triathleten“, sagt er und lacht. Und genauso gebe es doch unter den Mannschaftssportlern auch Egoisten. „Beim Jenaer Crosslauf hat mal ein Fußballer mitgemacht, der hat direkt vor mir Haken geschlagen, um mich nicht vorbeizulassen“, erinnert er sich.
Wir passieren Kilometer drei. Die sechs Minuten stehen weiterhin unerschütterlich. Jetzt laufen wir um den Kunstrasen herum, an der Laufhalle vorbei wieder Richtung Eingang des Schleichersees. Eine dritte Runde würde den Rahmen sprengen, also entscheiden wir uns für eine kleine Schleife im Gelände des Südbaades. Nach knapp 3,6 Kilometern sind wir am Badehäuschen direkt am See angelangt. Dort endet die Generalprobe standesgemäß.
Matthias Weißbrodt hat einen jener Kalender dabei, den alle Athleten am Sonntag erhalten, die aufs Siegerstockerl kommen. „Ihr seid zu zweit und damit beide auf dem Treppchen“, sagt er und präsentiert stolz die besten Bilder aus dem Vorjahr auf die kommenden zwölf Monate verteilt. Und weil es am Sonntag im Ziel auch traditionell Kuchen gibt, darf der bei der Generalprobe auch nicht fehlen. Kuchenfee Claudia ist mit Schneewittchenkuchen nach Omas Rezept herbeigeeilt. Schließlich stünde ja noch Ende September der Halbmarathon im Disneyland Paris an – und da sei Schneewittchenkuchen ja genau der richtige.
Und Jürgen Scheere? Der nimmt sich nur ein kleines Stückchen des Kuchens und verschwindet dann in der Umkleidekabine. „Er hat jetzt Schwimmtraining“, sagt Weißbrodt. Es wird ja auch mal Zeit. Unter die besten 100 Staffeln wollen wir es schließlich schaffen, sage ich.
Ein letzter Blick zur Uhr. 6:18 Minuten pro Kilometer. Und trotzdem im Ziel. Geschafft, rot angelaufen, aber im Ziel – das zählt! Ich fühle mich gewappnet. Theo klatscht ab. „Du schaffst das ganz sicher!“
Und Theo weiß es.