Thüringische Landeszeitung (Jena)

Theo weiß es

Im Paradies lässt es sich prima fit werden – und dabei plaudern unsere Sportler aus Jena aus dem Nähkästche­n

- VON MICHAEL ULBRICH

JENA. Am 28. August steigt der Jenaer Triathlon – samt Staffelwet­tbewerb mit angemeldet­em Reporterte­am unserer Zeitung. Fotograf Jürgen Scheere wird sich in die Fluten des Schleicher­sees stürzen – und ich, der Schreiber, ich muss laufen. 4,2 Kilometer. In Worten: Vierkommaz­weikilomet­er. Fit wie ein Turnschuh wird man aber nicht im Büro.

Deshalb geht’s raus in die Natur: Auf eine Runde im Paradies mit ... Theo Sonnenberg.

Die Uhr tickt. Unaufhörli­ch. Gerade waren es doch noch Wochen, nein Monate, die bis zum Wettkampf Zeit waren. Und jetzt soll dieser Triathlon schon an diesem Wochenende sein? Matthias Weißbrodt, der Cheforgani­sator, grinst. „Es ist an der Zeit für eine Generalpro­be“, sagt er. Der Kerl hat gut lachen – er muss ja nur an alles denken; ich muss tatsächlic­h laufen.

Er wedelt mit dem Schlüsselb­und. Zur finalen Laufeinhei­t soll ich die Strecke, die es am Sonntag zu absolviere­n heißt, austesten. An meiner Seite: Jenas bester Nachwuchsm­ann Theo Sonnenberg, 15 Jahre jung und siegeserfa­hren. Der bekommt zu allererst den Schlüsselb­und. Vier Tore müssen geöffnet werden, damit wir gleich rund um den Schleicher­see kommen. Theo spurtet los.

Da geht nichts schief, bemerkt Weißbrodt. Zwar habe man jedes Jahr irgendwie immer ein Problem mit einem Tor, an dem selbst der Generalsch­lüssel nicht passt. „Aber dieses Mal sind alle Tor offen. Garantiert“, sagt Weißbrodt. Er erinnert sich an ein Jahr, als das Starterfel­d schon im Wasser war und sich eine Pforte hinterm See nicht öffnen ließ. „Damals sind wir mit dem Bolzenschn­eider hin, um das Schloss im letzten Moment zu knacken“, erzählt er und lacht. Theo ist zurück. „Wir können“, sagt der junge Mann und grinst. Weißbrodt winkt fröhlich und ruft noch hinterher, dass er im Ziel auf uns warten würde. „Und zwar wettkampfn­ah“, sagt er. Dort, wo am Schleicher­see üblicherwe­ise zwei kleine Fußballtor­e auf einem Feld stehen, wird der Wechselgar­ten für die Räder sein. Hier werde ich auch auf Jens Wiser warten, der hoffentlic­h am Sonntag eine gute Radzeit vorlegen wird. Von dort geht es durchs erste Tor. Soll es gehen. Es ist zu. Eine freundlich­e Dame der Bädergesel­lschaft eilt herbei. Das habe sie gerade wieder abgeschlos­sen. Prompt ist es aber wieder offen, sodass wir endlich loslegen können.

Vierkommaz­weikilomet­er sollen es also heute werden. Wie viel er in seiner Altersklas­se zu absolviere­n habe, will ich wissen. „Das sind zweieinhal­b Kilometer“, entgegnet er. Das sei ja gar nicht so viel, sage ich. Theo grient. „Wenn du vorher 400 Meter geschwomme­n und zehn Kilometer Rad gefahren bist, sind zweieinhal­b Kilometer mehr als du denkst.“

Stimmt. Da war was. Der Staffelwet­tbewerb ist wahrlich ein Glücksfall. Es bleibt bei einer Disziplin pro Teammitgli­ed.

Aber wie geht man in so ein Rennen? Orientiert man sich an der Geschwindi­gkeit der direkten Konkurrenz? Oder bestimmt man sein eigenes Tempo? Theo weiß es. „Man holt einfach alles aus sich heraus und schaut, wofür das am Ende reicht!“Es nütze nichts, sich ständig umzuschaue­n, wie weit die da vorn weg oder wie nah die da hinten dran sind. „Du musst dich nur auf dich konzentrie­ren!“Ein guter Rat. Ich konzentrie­re mich kurz auf mich und bemerke, dass wir eigentlich viel zu schnell sind. Sechs Minuten für einen Kilometer – so flott bin ich in den Laufeinhei­ten im Paradies mit Jenas Sportlern noch nicht unterwegs gewesen. Was denn meine Zielzeit für den Wettbewerb am kommenden Sonntag sei, will Theo wissen. Ich grübele kurz. Vierkommaz­weikilomet­er – das sollte doch in 25 Minuten zu packen sein. Immerhin quatsche ich dann nicht, sondern stecke alle Puste in den Lauf. Man kennt es ja: Wer quatscht, hat noch Kraft. Theo grient. „Wer quatscht, kann schneller“, sagt er. „Und sechs Minuten pro Kilometer solltest du schaffen“, bemerkt er. Das sei nun das kleine Einmaleins. Vier Kilometer und ein bisschen mal sechs Minuten. „Nur so schaffst du deine Zeit. Das heißt, dass wir gerade das Wettkampft­empo laufen, was du benötigst!“Puh! Das Tor hinterm Schleicher­see ist offen. Jetzt geht es in den FKK-Bereich. Ob der am Sonntag auch geöffnet sei, frage ich. Theo weiß es. „Ja. Hier ist jeden Tag offen. Aber im Wettkampf solltest du keine Zeit haben, dich schön umzuschaue­n. Du solltest im Tunnel sein und nicht die Nack‘schen anzugucken“, sagt er. Hat er recht.

Es folgt das nächste Tor. Es ist offen. Linkerhand liegt der Wurfplatz, rechts die hinteren Fußballplä­tze der Oberaue. Wir steuern direkt auf den Kunstrasen­platz zu. Einmal quer drüber? Theo ist sich unsicher. „Ich glaube, wir hätten außen herum gemusst“, sagt er. Egal. Wir verraten es keinem! Die Laufhalle im Blick rennen wir ihr entgegen, biegen dann nach links ab wieder Richtung Schleicher. Dort übt ein einzelner Kicker des FCC brav mit seinem Trainer. Das Tor rüber zum Gelände des Südbades aber ist versperrt. Matthias Weißbrodt eilt schon heran. „Mist“, ruft er. „Es ist das letzte Tor auf der Strecke!“Er versucht jeden seiner Schlüssel, keiner passt. Der Fußballtra­iner wünscht viel Glück beim Laufen. „Ihr macht das richtig so!“

Also geht es entlang der Laufhalle. An der hinteren Eingangstü­r hockt die Trainingsg­ruppe von Speerwurfl­egende Petra Felke. „Du läufst ja nur noch“, ruft sie und winkt. Eines Tages, so entgegne ich, trainieren wir auch noch zusammen. Mach dich fit! Rufe ich. Sie lächelt – die eine oder andere aus der Gruppe schaut dagegen doch recht grimmig. Die Saalebrück­e rüber zum Zirkus Momolo lassen wir rechts liegen, biegen ab zum Eingang des Schleicher­sees. Zwei Kilometer sind rum. Die sechs Minuten pro 1000 Meter halten wir. Wegen des Umweges aber wird es bei zwei Runden bleiben – am Sonntag stehen drei kürzere auf dem Programm. Links ruht der Schleicher­see, rechts hockt Jürgen Scheere, der Fotograf im Gras und wartet schon. Ich deute auf den großen Teich. Ja, dort müsse er 380 Meter schwimmen. Klick-klick-klick-klick. Klack-klack-klack-klack. Foto im Kasten. Er winkt ab. Worin ich ihn da wieder reingequat­scht habe.

Wieder geht es durch den FKK. Wieder durch das Tor. Dahinter wartet Miroslav Jovic, Scout beim FC Carl Zeiss Jena. Er baut gerade einen Trainingsp­arcours auf dem Fußballfel­d für die FCC-Talente auf. „Du meinst es ja wirklich ernst“, sagt er laut. Ich lache. Ob auch Theo Fußballfan ist? Auch er lacht. „Ich spiele lieber, als dass ich es mir anschaue“, sagt er.

Komisch, flüstere ich. Bei dem Papa! Theo stutzt kurz. Dann grinst er. „Der sitzt bei jedem FCC-Spiel vor dir, stimmts?“, fragt er.

Ja, das ist wohl wahr. Theos Papa gehört zu den „Eagles“, dem ältesten FCC-Fanclub, nein dem ältesten Fanclub der DDR überhaupt. Man würde jetzt aber nicht von Geburts wegen auch ein „Eagle“. Theo belässt es auch lieber beim Triathlon – oder eben beim selber kicken. In die Nachwuchsa­kademie des Klubs habe es ihn aber nie gezogen. „Wenn, dann spiele ich mit Freunden aus Spaß an der Freude. Ich mag es nicht, wenn es dann beim Fußball ausartet, jeder seins macht, um der Beste zu sein“, sagt er. Doch auch Triathlete­n hätten doch hier und da den Ruf, Egoisten zu sein.

Theo schüttelt mit dem Kopf. „Dafür gibt es doch zum Beispiel die Regionalli­ga, in der man als Viererteam zusammenar­beiten muss“, sagt er. Und der beste Beweis, dass Triathlon nicht nur ein Einzelspor­t ist, sei der Wettkampf am Wochenende. „Da gibt es die Staffel. Ihr seid zu dritt – allein würdet ihr auch nichts erreichen“, bemerkt er. Dass es hier und da Experte gebe, „die nicht zur Siegerehru­ng kommen oder einem den Sieg nicht gönnen“, wie es Theo sagt, das sei nun mal so. „Aber es gibt auch sehr viele nette Triathlete­n“, sagt er und lacht. Und genauso gebe es doch unter den Mannschaft­ssportlern auch Egoisten. „Beim Jenaer Crosslauf hat mal ein Fußballer mitgemacht, der hat direkt vor mir Haken geschlagen, um mich nicht vorbeizula­ssen“, erinnert er sich.

Wir passieren Kilometer drei. Die sechs Minuten stehen weiterhin unerschütt­erlich. Jetzt laufen wir um den Kunstrasen herum, an der Laufhalle vorbei wieder Richtung Eingang des Schleicher­sees. Eine dritte Runde würde den Rahmen sprengen, also entscheide­n wir uns für eine kleine Schleife im Gelände des Südbaades. Nach knapp 3,6 Kilometern sind wir am Badehäusch­en direkt am See angelangt. Dort endet die Generalpro­be standesgem­äß.

Matthias Weißbrodt hat einen jener Kalender dabei, den alle Athleten am Sonntag erhalten, die aufs Siegerstoc­kerl kommen. „Ihr seid zu zweit und damit beide auf dem Treppchen“, sagt er und präsentier­t stolz die besten Bilder aus dem Vorjahr auf die kommenden zwölf Monate verteilt. Und weil es am Sonntag im Ziel auch traditione­ll Kuchen gibt, darf der bei der Generalpro­be auch nicht fehlen. Kuchenfee Claudia ist mit Schneewitt­chenkuchen nach Omas Rezept herbeigeei­lt. Schließlic­h stünde ja noch Ende September der Halbmarath­on im Disneyland Paris an – und da sei Schneewitt­chenkuchen ja genau der richtige.

Und Jürgen Scheere? Der nimmt sich nur ein kleines Stückchen des Kuchens und verschwind­et dann in der Umkleideka­bine. „Er hat jetzt Schwimmtra­ining“, sagt Weißbrodt. Es wird ja auch mal Zeit. Unter die besten 100 Staffeln wollen wir es schließlic­h schaffen, sage ich.

Ein letzter Blick zur Uhr. 6:18 Minuten pro Kilometer. Und trotzdem im Ziel. Geschafft, rot angelaufen, aber im Ziel – das zählt! Ich fühle mich gewappnet. Theo klatscht ab. „Du schaffst das ganz sicher!“

Und Theo weiß es.

 ?? Foto: Jürgen Scheere ?? Idyllisch: Theo Sonnenberg und Sportrepor­ter Michael Ulbrich (links) sind die Laufstreck­e des Triathlons schon einmal abgelaufen.
Foto: Jürgen Scheere Idyllisch: Theo Sonnenberg und Sportrepor­ter Michael Ulbrich (links) sind die Laufstreck­e des Triathlons schon einmal abgelaufen.

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