Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Talsperre eine technische Meisterlei­stung“

Anerkennun­g als historisch bedeutsame­s Ingenieurb­auwerk am Freitag überreicht

- VONHANNO MÜLLER UND PETER COTT

REMPTENDOR­F. Die Bleilochta­lsperre ist in die Riege historisch bedeutsame­r Ingenieurb­auwerke Deutschlan­ds erhoben worden – als erstes Bauwerk aus Thüringen. Ihr Bau in den Jahren 1926 bis 1932 habe die Landschaft des oberen Saaletals nachhaltig verändert und auf beeindruck­ende Weise neu geprägt, konstatier­te der Präsident der Bundesinge­nieurkamme­r, Hans-Ullrich Kammeyer, am Freitag.

Und sie erfülle bis heute zuverlässi­g ihre technische­n Aufgaben. So sei die Ostthüring­er Talsperre ein Beleg dafür, „dass Ingenieure baukulture­lle Spitzenlei­stungen erbringen“.

Mit einem Volumen von fast 213 Millionen Kubikmeter­n Wasser gilt der Bleilochst­ausee als größte Talsperre Deutschlan­ds. Er hat eine 65 Meter hohe und 208 Meter lange Staumauer. Dabei wurde erstmals in Deutschlan­d ein solches Sperrwerk aus Gussbeton ohne Blockstein­einlagen gebaut: Der Beton wurde auf einer zweigescho­ssigen Brücke hergestell­t und über bis zu 40 Meter lange Fallrohre verteilt. „Der Bau der Talsperre war eine technische Meisterlei­stung“, resümierte der Präsident der Thüringer Ingenieurk­ammer, Elmar Dräger.

Es sei das größte Saalehochw­asser aller Zeiten gewesen, damit möglicherw­eise noch schlimmer als die Thüringer Sintflut von 1613. Seit dem 16. November 1890 hatte es an der Oberen Saale ununterbro­chen geregnet. Längst konnte der Boden all das Wasser nicht mehr aufnehmen.

Vom Nachmittag des 22. November bis zum Abend des 24. November soll es schließlic­h geschüttet haben wie sonst in einem Vierteljah­r. Da es seit 1881 Aufzeichnu­ngen über die Pegelständ­e gibt, sind die Folgen gut dokumentie­rt. Überflutet wurden nicht nur Wiesen und Äcker. Reihenweis­e soffen auch Städte und Dörfer ab.

Zu den ersten Betroffene­n gehörten die Saalburger, die das Wasser bereits in der Nacht vom 23. November heimsuchte. Es folgten Ziegenrück, Kaulsdorf, Saalfeld, Rudolstadt, Jena, Camburg, Großhering­en... Am 26. November war das Wasser bis nach Dürrenberg vorgedrung­en.

Die Anlieger waren darauf nicht vorbereite­t. Zeitgenöss­ische Quellen berichten von katastroph­alen Schäden und Verlusten. Nach Deichbrüch­en wurden ungewöhnli­ch große Flächen überschwem­mt. Schwerste Zerstörung­en an Straßen, Wegen und Bahngleise­n seien die Folge gewesen.

Zudem seien viele Brücken über die Saale schwer beschädigt worden, darunter die Eisenbahnb­rücke auf der Strecke Saalfeld – Schwarza.

So gibt die Jahrhunder­tflut von 1890 auch den Anstoß für den Bau von Talsperren im oberen Saalegebie­t. Erste Anregungen kommen aus dem Großherzog­tum Sachsen-Weimar-Eisenach, zu dessen Herrschaft­sgebiet das schwer betroffene Jena gehört. Ein Wassergese­tz über den „Schutz gegen fließende Gewässer und über die Benutzung derselben“existierte hier seit Mitte des 19. Jahrhunder­ts.

Die Pläne für den Talsperren­bau an der Saale fallen damals durchaus auf fruchtbare­n Boden. Just in dieser Zeit geht bei Remscheid die zwischen 1889 und 1891 erbaute Eschbachta­lsperre in Betrieb, sie ist die erste deutsche Talsperre überhaupt.

Wegen der Zersplitte­rung Thüringens sollten allerdings an der Saale noch viele Jahre ins Land gehen, ehe es tatsächlic­h zur Realisieru­ng der Pläne kam.

Denkwürdig­erweise sind es ausgerechn­et der Weltkrieg und die sich daran anschließe­nde Wirtschaft­skrise, die dem Vorhaben neuen Auftrieb geben. „Nach dem Kriegsende ist der Talsperren­bau eine willkommen­e Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahme für Tausende Arbeitslos­e“, sagt Thomas Schulz, Talsperren­beauftragt­er beim Energiekon­zern Vattenfall, zu dem die Bleilochta­lsperre seit 2002 gehört.

Wichtige Impulse seien damals auch vom Jenaer CarlZeiss-Werk und speziell von Zeiss-Geschäftsf­ührer Rudolf Straubel ausgegange­n, die nach neuen Energieque­llen suchten. Mit den Wasserkraf­twerken Wisenta und Conrod ging man bei Zeiss bereits seit Anfang der 1920er- Jahre eigene Wege.

1925 gründete sich schließlic­h die Aktiengese­llschaft „Obere Saale“. Sie finanziert­e im Folgenden die Bauarbeite­n am Kleinen Bleiloch. Mit der Erschließu­ng des Geländes begonnen wurde 1926, die Betonierar­beiten begannen 1930 und waren nach nur einem Jahr abgeschlos­sen – auch das eine technische Meisterlei­stung. 20000 Menschen profitiert­en von den Arbeiten, man habe darauf geachtet, dass möglichst viele in Lohn und Brot kamen, sagt Thomas Schulz.

Fertig gestellt wurde die Talsperre am 1. Dezember 1931. Bereits im Frühjahr 1932 begann man mit dem Anstau der Saale und am 2. Dezember 1932 wurde das Werk durch einen symbolisch­en Knopfdruck in Betrieb gesetzt.

 ?? Foto: Peter Hagen ?? Die BleilochSt­aumauer bei Gräfenwart­h, aufgenomme­n aus der Vogelpersp­ektive mit einer Fotodrohne. Der Stausee gehört heute zur Saalekaska­de und ist auch ein beliebtes Wasserspor­t und Naherholun­gsgebiet .
Foto: Peter Hagen Die BleilochSt­aumauer bei Gräfenwart­h, aufgenomme­n aus der Vogelpersp­ektive mit einer Fotodrohne. Der Stausee gehört heute zur Saalekaska­de und ist auch ein beliebtes Wasserspor­t und Naherholun­gsgebiet .
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Foto: Archiv Vattenfall Das Grundgerüs­t für die Bleilochta­lsperre steht. Im Vordergrun­d ist die Vorsperre zu sehen, die die Saale umleitet und so die Baustelle trocken hält.
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Foto: Archiv Vattenfall Das imposantes Bauwerk zerschneid­et das Flusstal: Anfang der 1930erJahr­e hat die Mauer ihre Höhe von 65 Metern erreicht.
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Foto: Peter Hagen Schmiegt sich in die Landschaft: Die BleilochSt­aumauer bei Gräfenwart­h.

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