Thüringische Landeszeitung (Jena)
Vom Kriegsherrn zum Friedensbringer
Kolumbiens Staatschef Santos bekommt Nobelpreis. Hoffnung nach gescheitertem Referendum
MEXIKOSTADT. Es war in Kolumbien 4 Uhr morgens, als der Friedensnobelpreis in Oslo Präsident Juan Manuel Santos zuerkannt wurde. Aber schon wenige Minuten später waren sich die Medien einig: „Das ist ein riesiger Rückhalt für den Friedensprozess“, schrieb das Wochenmagazin „Semana“. „Dieser Preis ist für alle Kolumbianer, vor allem für die Millionen Opfer!“, sagte Santos danach. UNGeneralsekretär Ban Ki-moon nannte die Entscheidung ein Zeichen der Hoffnung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Santos. Er habe nicht nur seinem Land, sondern der ganzen Region „dringend benötigte neue Hoffnung verliehen auf ein Ende des Blutvergießens“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
In Kolumbien, das seit dem Referendum vom Sonntag in einer Krise steckt, wird die Auszeichnung als Fingerzeig gesehen, dass der Friedensprozess zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) und der Regierung trotz der Ablehnung im Volk zum positiven Ende gebracht werden muss.
Zur Erinnerung: Santos hatte am Sonntag den Friedensvertrag der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt. Diese hatte sich mit einer dünnen Mehrheit überraschend dagegen ausgesprochen. Die Straferleichterungen für die Linksrebellen, die für Menschenrechtsverbrechen nicht ins Gefängnis müssen, wenn sie geständig sind, stößt der Bevölkerung auf. Auch sind viele dagegen, dass für die Guerilla-Organisation Sitze im Parlament reserviert sind.
Die Position von Santos war seit Sonntag extrem geschwächt. Das „NO“im Referendum war seine größte Niederlage als Politiker. Nun geht der 65-Jährige gestärkt in die Verhandlungen über die Korrekturen am Friedensabkommen. Der Staatschef hatte alles dem Frieden mit den FARC untergeordnet: die Wirtschaftspolitik, den Kampf gegen Korruption und den gegen die Armutsschere – Kolumbien hat viele Probleme neben dem Bürgerkrieg.
Es ist schwierig, Juan Manuel Santos politisch einzuordnen. Mal war er Falke, dann Friedenstaube, mal Neoliberaler, dann wieder Freund der Linken. Wenn es eine Konstante gibt, ist es die: Kolumbiens Staatschef hat Freunde und Gegner immer wieder überrascht. Manche sagen, der Spross einer der mächtigsten Familien des Landes hätte es vor allem auf seinen Platz in der Geschichte abgesehen gehabt, als er im August 2010 das Projekt Friedensstiftung anging. Er ist Nachfolger von Álvaro Uribe, der mit allen legalen und illegalen Mitteln die FARC bekämpft hatte. Und die Kolumbianer dachten, Santos werde das Werk von Uribe fortsetzen. Schließlich hatte er ihm von 2006 bis 2009 als Verteidigungsminister gedient und den Krieg gegen die Guerilla verantwortet. Santos Name verbindet sich dabei mit einem der dunkelsten Verbrechen aus jener Zeit: die Ermordung unschuldiger Zivilisten durch die Armee, um sie so als gefallene Kämpfer der Guerilla auszugeben und die Erfolgsstatistiken aufzublähen.