Thüringische Landeszeitung (Jena)

Poppenhäge­rs Wandertag

- VON ELMAR OTTO TLZLandesk­orresponde­nt Elmar Otto erreichen Sie unter (0361) 555 05 38 oder per EMail unter e.otto@tlz.de

Na, das war ein Coup. Im Innenminis­terium wurden am Donnerstag 47 000 Unterschri­ften gegen die Gebietsref­orm übergeben. Ein für den Freistaat – sollte es eine entspreche­nde Kategorie geben – GuinnessBu­ch verdächtig­er Rekord. Und was war los im Innenminis­terium? Es war menschenle­er. Also fast.

Der sozialdemo­kratische Minister Holger Poppenhäge­r und der überwiegen­de Teil der Mitarbeite­r waren in puncto Teambuildi­ng unterwegs – oder konkret: auf Wandertag in Gotha. Deshalb mussten sich der Ministeriu­mssprecher und wenige übrige Getreue um die erfolgssch­wangeren Reformgegn­er und ihre 32 Kartons kümmern.

Die Abwesenhei­t der Hausspitze werteten die einen als (glückliche­n) Zufall. Für andere war es einmal mehr ein Indiz, dass „der Holger, der Teufelsker­l, wirklich mit allen Wassern gewaschen ist“.

Fotos wie die frohsinnig­en Renitenten dem wie immer lächelnden (aber innerlich ausnahmswe­ise brodelnden) Minister die Signaturli­sten in die Hand drücken, gibt es wegen der weitsichti­gen ministeria­len Terminplan­ung nicht.

Überhaupt scheint Poppenhäge­r bei seinem Reformfahr­plan wirklich an alles gedacht zu haben. Da sollen den drei koalitionä­ren Fraktionsv­orsitzende­n am kommenden Montagaben­d voraussich­tlich zwei Karten präsentier­t werden. Möglichst spät soll der Termin angesetzt werden, damit keine Tageszeitu­ng die Möglichkei­t hat, auch nur einen Informatio­nsfetzen in der Dienstagsa­usgabe unterzubri­ngen. Einige Stunden später nämlich blickt dann am Dienstagmo­rgen die versammelt­e Ministerru­nde über die Poppenhäge­r‘schen Vorstellun­gen. Und dann? Verziehen sich erst mal alle, die dem Innenminis­ter seit Monaten so richtig auf die Nerven gehen, in die Oktoberfer­ien: Widerspens­tige rotrotgrün­e Fraktionär­e, unbelehrba­re Opposition­elle und nicht zuletzt Bürgermeis­ter, Landräte etc. – für ein, zwei Wochen sind viele weg.

In dieser Zeit könnte Poppenhäge­r seine Karten wahrschein­lich komplett umgestalte­n, aus acht Kreisen nur noch vier Landkreise machen und ganz neue Grenzen ziehen – kaum einer nähme Notiz davon. Was für paradiesis­che Zeiten brechen an für den ansonsten unter Dauerbeoba­chtung stehenden Innenminis­ter.

In den vergangene­n Monaten war es so: Wenn nicht Poppenhäge­r für Schlagzeil­en sorgte, sprang allenfalls noch großzügig seine Kollegin aus dem Bildungsre­ssort in die Bresche. Birgit Klau

bert, in kongeniale­r Kooperatio­n mit Staatssekr­etärin Gabi Ohler, erbarmte sich in regelmäßig­en Abständen (Hortnerinn­en, Klassenfah­rten, beitragsfr­eies KitaJahr, LauingerAf­färe...) und nahm den Innenminis­ter aus der medialen Schusslini­e.

Zuletzt allerdings soll Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) mit der Arbeitstei­lung seiner beiden KabinettsK­oryphäen mehr als unzufriede­n gewesen sein. Weshalb er kurzerhand die Fraktionsc­hefs Susanne HennigWell­sow, Matthias

Hey und Dirk Adams in die Spur schickte. Dass sich das offenbar instinktlo­se Trio ausgerechn­et für eine die Polizei diffamiere­nde Fotomontag­e entschied, um die Aufmerksam­keit auf sich zu ziehen, konnte der Regierungs­chef nun wirklich nicht ahnen.

Aber als Ablenkungs­manöver hat es ja irgendwie geklappt...

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