Thüringische Landeszeitung (Jena)
Poppenhägers Wandertag
Na, das war ein Coup. Im Innenministerium wurden am Donnerstag 47 000 Unterschriften gegen die Gebietsreform übergeben. Ein für den Freistaat – sollte es eine entsprechende Kategorie geben – GuinnessBuch verdächtiger Rekord. Und was war los im Innenministerium? Es war menschenleer. Also fast.
Der sozialdemokratische Minister Holger Poppenhäger und der überwiegende Teil der Mitarbeiter waren in puncto Teambuilding unterwegs – oder konkret: auf Wandertag in Gotha. Deshalb mussten sich der Ministeriumssprecher und wenige übrige Getreue um die erfolgsschwangeren Reformgegner und ihre 32 Kartons kümmern.
Die Abwesenheit der Hausspitze werteten die einen als (glücklichen) Zufall. Für andere war es einmal mehr ein Indiz, dass „der Holger, der Teufelskerl, wirklich mit allen Wassern gewaschen ist“.
Fotos wie die frohsinnigen Renitenten dem wie immer lächelnden (aber innerlich ausnahmsweise brodelnden) Minister die Signaturlisten in die Hand drücken, gibt es wegen der weitsichtigen ministerialen Terminplanung nicht.
Überhaupt scheint Poppenhäger bei seinem Reformfahrplan wirklich an alles gedacht zu haben. Da sollen den drei koalitionären Fraktionsvorsitzenden am kommenden Montagabend voraussichtlich zwei Karten präsentiert werden. Möglichst spät soll der Termin angesetzt werden, damit keine Tageszeitung die Möglichkeit hat, auch nur einen Informationsfetzen in der Dienstagsausgabe unterzubringen. Einige Stunden später nämlich blickt dann am Dienstagmorgen die versammelte Ministerrunde über die Poppenhäger‘schen Vorstellungen. Und dann? Verziehen sich erst mal alle, die dem Innenminister seit Monaten so richtig auf die Nerven gehen, in die Oktoberferien: Widerspenstige rotrotgrüne Fraktionäre, unbelehrbare Oppositionelle und nicht zuletzt Bürgermeister, Landräte etc. – für ein, zwei Wochen sind viele weg.
In dieser Zeit könnte Poppenhäger seine Karten wahrscheinlich komplett umgestalten, aus acht Kreisen nur noch vier Landkreise machen und ganz neue Grenzen ziehen – kaum einer nähme Notiz davon. Was für paradiesische Zeiten brechen an für den ansonsten unter Dauerbeobachtung stehenden Innenminister.
In den vergangenen Monaten war es so: Wenn nicht Poppenhäger für Schlagzeilen sorgte, sprang allenfalls noch großzügig seine Kollegin aus dem Bildungsressort in die Bresche. Birgit Klau
bert, in kongenialer Kooperation mit Staatssekretärin Gabi Ohler, erbarmte sich in regelmäßigen Abständen (Hortnerinnen, Klassenfahrten, beitragsfreies KitaJahr, LauingerAffäre...) und nahm den Innenminister aus der medialen Schusslinie.
Zuletzt allerdings soll Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit der Arbeitsteilung seiner beiden KabinettsKoryphäen mehr als unzufrieden gewesen sein. Weshalb er kurzerhand die Fraktionschefs Susanne HennigWellsow, Matthias
Hey und Dirk Adams in die Spur schickte. Dass sich das offenbar instinktlose Trio ausgerechnet für eine die Polizei diffamierende Fotomontage entschied, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, konnte der Regierungschef nun wirklich nicht ahnen.
Aber als Ablenkungsmanöver hat es ja irgendwie geklappt...