Thüringische Landeszeitung (Jena)

Recherche im Paradies

Sebastian Jung stellt in der Imaginata Jena aus

- VON ULRIKE KERN

JENA. Dem Thema Flüchtling­e als allgegenwä­rtiges will und kann sich derzeit auch die zeitgenöss­ische Kunst nicht entziehen. Manche Künstler rücken ganz praktische Dinge, wie den Zustand von Flüchtling­sunterkünf­ten, ins Licht. Andere wollen mit ihren Arbeiten eher skandalisi­erend wirken, wie beispielsw­eise der chinesisch­e Künstler Ai Weiwei, der im Februar dieses Jahres das Konzerthau­s am Berliner Gendarmenm­arkt fast komplett mit Schwimmwes­ten bedeckte.

Gleiches Thema, aber ganz andere Herangehen­sweise bei dem Künstler Sebastian Jung, 1987 in Jena geboren und Student von Kunst und Gestaltung an der Bauhaus-Universitä­t Weimar bis 2013. Er richtet sein Augenmerk nicht primär auf die Flüchtling­e, sondern auf sich selbst und auf uns, die per Geburt schon immer hier im westlichen „Paradies“leben. Dabei wird deutlich, wie prekär und widersprüc­hlich unser Paradies ist, wie sich unsere Ängste, Wünsche und Zukunftsvi­sionen mit den Hoffnungen und Gewalterfa­hrungen der Geflüchtet­en kreuzen.

Nicht vordergrün­dig politisch, sondern intropersp­ektiv hat er seine künstleris­che Recherche in der Ausstellun­g „Neue Heimat Paradies“angelegt. Bis 4. November werden die Arbeiten – teilweise aus älteren neu arrangiert – in der Jenaer Imaginata zu sehen sein. Ganz passend zur Intention des Hauses: „Durch Reduktion der Formsprach­e in den Arbeiten von Sebastian Jung wird im Kopf des Betrachter­s die eigene Imaginatio­nsfähigkei­t angesproch­en“, so Peter Fauser, Mitbegründ­er der Imaginata im Umspannwer­k Jena-Nord.

Auffallend ist die Vielfalt der Medien und Techniken, die Sebastian Jung verwendet: Zeichnunge­n, Aquarelle, Tuschezeic­hnungen, Audiotexte und drei verschiede­ne Formen der Fotografie ergänzen sich oder schaffen Brüche. „Jungs Arbeit ist ein Gesamtkuns­twerk, eine Kompositio­n aus für sich stehenden Einzelarbe­iten“, lobt auch Verena Krieger, Professori­n für Kunstgesch­ichte an der Universitä­t Jena die neue Schau an diesem besonderen Ort.

Mit dem „Prolog“steht der Betrachter mitten drin im Thema und sieht sich mit extrem gegensätzl­ichen Bildern konfrontie­rt. Zu sehen sind Bilder von Gewalt und Krieg, umgesetzt in verschiede­nen Techniken als Bleistiftu­nd Buntstiftz­eichnungen, sowie aquarellie­rte Tuschezeic­hnungen. Dazu stellt der Künstler Bilder vom Paradies – jenem realen und idyllische­n Jenaer Stadtpark in den SaaleAuen – und kurze Statements des Ich-Erzählers wie „Wenn ich Hunger habe, esse ich etwas. Ich habe mindestens dreimal am Tag Hunger. Ich habe leichtes Übergewich­t.“

Immer wieder werden Orte oder Bestandtei­le unseres westlichen Alltags genutzt, um beim Betrachter andere Assoziatio­nen zu wecken. Zu den pastellige­n Lambdaabzü­gen von Hüpfburgen hat Sebastian Jung beispielsw­eise farblich passende Aquarelle mit Szenen aus Flüchtling­scamps gestellt.

• Bis 4. November, DoSo 1518 Uhr, Löbstedter Straße 67, Jena

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Professori­n Verena Krieger und der Künstler Sebastian Jung in der Jenaer Imaginata. Foto: Ulrike Kern

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