Thüringische Landeszeitung (Jena)
Riesenboviste derzeit zuhauf zu finden
Weil es zu warm und trocken war, gab es bis vor kurzem keine große Pilzvielfalt in den Wäldern
JENA/UNTERGNEUS. Der Calvatia gigantea trägt seinen Namen nicht umsonst. Der Gigant unter den Herbstpilzen, besser bekannt als Riesenbovist, kann in Ausnahmefällen und unter idealen Wachstumsbedingungen mehr als 20 Kilogramm auf die Waage bringen.
Ein Prachtexemplar, wenn im Vergleich auch einen deutlich leichteren Fund, hat am Mittwoch Jens Rödger aus Untergneus am Saum seines eigenen Waldes in Rausdorf gemacht. Der Riesenbovist ist etwa 1,7 Kilogramm schwer und circa 27 mal 24 Zentimeter groß. Das Sporengewächs soll in Scheiben geschnitten und paniert in der Pfanne der Untergneuser Familie landen. Und zwar bald, denn der XXL-Speisepilz ist nur genießbar, solange er innen weiß ist.
Erhard Rödger, der Vater des Riesenbovist-Finders, geht seit seiner Kindheit gern auf Pilzsuche. Er gesteht: „Ich richte mich dabei ein bisschen nach dem Mond. Zunehmender Vollmond ist für Pilzsammler ein gutes Zeichen.“Weil der Mond seit einigen Tagen wieder zunimmt, war der 78-Jährige bereits wieder im Wald unterwegs. „14 Speisepilzsorten sind es, bei denen ich mir sicher bin, sie 100prozentig bestimmen zu können. Dazu gehören unter anderem Pfifferlinge, Sand- und Parasolpilz, Stockschwämmchen, Ziegenlippe, Riesenbovist und Perlpilz. Zuletzt habe ich Maronen, Steinpilze, Borkenpilze und zwei Rotkappen gefunden.“
Verarbeiten Erhard Rödger und seine Frau Johanna die Pilze nicht zu einem leckeren Gericht, blanchieren sie die Sporengewächse und frieren sie ein.
Der Fund des 1,7 Kilogramm schweren Riesenbovists überrascht Pilzberater Holger Kössel aus Scheiditz nicht. „Riesenboviste gibt es im Moment sehr häufig. Sie kommen vor allem auf stark gedüngten Wiesen und an Waldrändern vor“, sagt er. „Ob Riesenboviste nun ein Genuss sind, darüber lässt sich sicher streiten. Ich persönlich mag sie aufgrund ihres etwas metallischen Geschmacks überhaupt nicht.“Kössel weist darauf hin, dass mittlerweile nachgewiesen ist, „dass der Mond überhaupt keine Rolle beim Pilzwachstum spielt“. Wie der Experte erklärt, habe es bis vor mehr als einer Woche einen „absoluten Pilznotstand“in ganz Deutschland gegeben. Grund seien die Trockenheit und die Wärme gewesen. „Trockenheit und Temperaturen über 25 Grad sind für Pilze Gift. Wenn dann noch Wind dazukommt, sieht es ganz schlecht aus. Pilze bestehen zu etwa 90 Prozent aus Wasser und brauchen optimale Bedingungen, um sich durch Sporen fortzupflanzen. Der Pilz selbst, der im Boden, im Substrat, am Holz oder andernorts wächst, leidet mit Sicherheit auch unter Trockenheit und Wärme, aber er lebt weiter. Allerdings hat er eben keine Veranlassung dazu, Fruchtkörper zu bilden.“
Der Mangel an Pilzen habe Experten einige Sorgen bereitet: Pilzausstellungen mussten abgesagt werden, die wenigen gefundenen Exemplare wurden ausgetauscht. „Für die Südthüringer Pilzausstellung, die immer am ersten Wochenende im Oktober in Eisfeld stattfindet, bin ich in den Schlosspark nach Hummelshain gefahren. Dort gibt es eigentlich immer den Tintenfischpilz, der aus Australien eingeschleppt wurde und der sich mittlerweile in ganz Deutschland und Europa verbreitet hat. Aber selbst für den war es zu trocken. Es stand nicht einer dieser Pilze im Park.“Letztlich konnten in der Ausstellung in Eisfeld etwa 250 Arten – von sonst circa 500 – präsentiert werden.
Wer derzeit auf Pilzsuche geht, der wird wohl auch fündig werden. Es hat geregnet und ist kälter geworden, die Pilze sprießen. „Das geht jetzt Schritt für Schritt von den Wiesen über die Waldwege und in die Wälder hinein, je nachdem, wo die Feuchtigkeit zuerst ankommt“, sagt Kössel. Natürlich werde das Pilzwachstum auch durch den Boden bedingt. „Im Saale-Holzland-Kreis, in der Gegend um Hermsdorf, haben wir beispielsweise Buntsandstein. In Richtung Jena ist der Boden kalkhaltig und braucht mehr Feuchtigkeit, damit dort Pilze wachsen.“
Gute Pilzecken seien Kössel zufolge unter anderem die Regionen um Hummelshain und Wolfersdorf. „Dort ist der Grundwasserspiegel hoch.“
Kössel, der im Jahr 2006 seinen Pilzberaterschein absolviert hat, rät allen Pilzsammlern nicht nur zu entsprechender Kleidung und zur Vorsicht vor Zecken, die, wenn es nicht ständig unter fünf Grad ist, nach wie vor aktiv sind. Sondern empfiehlt auch, nicht ohne Messer, Pinsel, einen luftdurchlässigen Korb – und auf keinen Fall mit Plastiktüte – Pilze zu sammeln. „Ein Pilzhandbuch, das nicht älter als zehn Jahre ist, wäre auch nicht schlecht sowie eine Rolle Alufolie. In die Folie sollten je einzeln Pilze eingepackt werden, die man nicht kennt.“
Wer unbekannte Pilze bestimmen lassen will oder sonstige Fragen an den Pilzberater hat, kann sich an Holger Kössel wenden unter Tel.: (01520) 8652047 oder (036692) 22978. • Die Landespilzausstellung der Thüringer Arbeitsgemeinschaft für Mykologie e.V. findet am 15. und 16. Oktober jeweils von 10 bis 16 Uhr in der Festhalle Ilmenau statt.