Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ich glaube – vielleicht

- VON PASTOR EVANGELISC­HMETHODIST­ISCHE KIRCHE JENA ERIC SÖLLNER,

Von Außen betrachtet scheint die Sache klar zu sein. Menschen, die in die Kirche gehen, die glauben halt an Gott. Menschen, die nicht in die Kirche gehen, glauben eben nicht. Wenn es doch so einfach wäre!

Meine eigene Erfahrung widerspric­ht dieser einfachen Einteilung. Und ich begegne immer wieder Menschen, für die das auch nicht so klar ist. Manche haben ganz bewusst nie einen Fuß in eine Kirche gesetzt. Im Gespräch vertrauen sie mir ihre Zweifel an: „Ich weiß nicht, ob an der Sache mit Gott was dran ist.“Andere stellen einfach fest: „Gott sieht man ja nicht“. Doch es klingt eher wie ein Bedauern. Und ab und zu traut sich sogar jemand zu fragen: „Wie glaubt man denn an Gott?“.

Wenn ich in solchen Gesprächen dann sage, dass es mir auch so geht und ich das auch nicht immer so genau weiß, ist das Erstaunen groß. „Aber sie sind doch Pastor. Bei ihnen gehört der Glaube doch zu Beruf.“Das stimmt. Und doch ist es eben mein ganz persönlich­er Glaube. Der ist nicht einfach da. Es ist mit meinem Glauben nicht so, wie ich mal Fahrradfah­ren gelernt habe und es dann eben kann. Mein Glaube ist lebendig, verändert sich, schwankt. Mein Glaube geht schon lange Zeit mit mir. Aber genau so lange geht eben auch der Zweifel mit mir.

Wenn ich davon ein Bild malen müsste, dann zeichnete ich einen Fluss. Der fließt zwischen dem einen Ufer „Glauben“und dem anderen Ufer „Nichtglaub­en“. Ich fahre auf diesem Fluss und bin malnäheran­einemUferu­ndmal näher am anderen. Welches Ufer mir näher ist, liegt auch an den Menschen und Dingen, die mir begegnen.

Natürlich habe ich mit der Zeit gelernt, dass es Dinge gibt, die meinen Glauben stärken. Das tut mir gut, weil ich meinen Glauben als tragend und hilfreich erlebe. In der vertrauens­vollen Verbindung zu Gott kann ich aufatmen, und orientiere ich mich für mein Leben. Ach ja, da ist das Wort gefallen, was mir am passendste­n für meinen Glauben erscheint: Vertrauen. Wie Vertrauen muss ich auch Glauben immer wieder wagen. Manchmal gelingt mir das wie selbstvers­tändlich. Manchmal fällt mir das unendlich schwer. Glauben ist nicht einfach, aber sehr stärkend. Auch das hat er mit dem Vertrauen gemeinsam.

Ich denke manchmal, die Menschen, die in die Kirche gehen, müssten mehr von ihren Zweifeln reden. Vielleicht trauen sich dann die, die nicht in die Kirche gehen, von ihrem Glauben zu reden. Oder, was meinen Sie?

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