Thüringische Landeszeitung (Jena)

Profi-Vereine und der E-Sport

Zwischen Fußballpla­tz und Spielkonso­le – Von der ungewöhnli­chen Kombinatio­n sollen beide Bereiche profitiere­n

- VON FELICITAS OFFERGELD

MÜNCHEN. Vom Daddeln vor dem Bildschirm hält Carlo Ancelotti nichts. Deshalb verzichtet­e der Star-Trainer des FC Bayern München jüngst sogar darauf, sein Team vor einem Spiel in einem Hotel zu versammeln.

„Ich möchte nicht, dass die Spieler so viel Playstatio­n spielen“, sagte er. Kurioserwe­ise sind just die Schalker einer von zwei Fußball-Bundesligi­sten, der eine eigene Abteilung zum Zocken hat. Auch der VfL Wolfsburg betreibt E-Sport profession­ell, die Niedersach­sen haben den Trend im Mai 2015 als Erste erkannt. Was in Deutschlan­d ein junges Phänomen ist, lockt anderswo Millionen Fans vor die Rechner und Tausende in die Hallen.

Mit Videospiel­en mehr Anhänger gewinnen

Grüner Rasen und Computer, Spitzenspo­rtler und Nerd, Bundesliga und die Fußball-Simulation Fifa17: Was bewegt große Fußball-Clubs, sich im elektronis­chen Sport zu engagieren?

„Wir erkennen den E-Sport als wichtig an und wollen hier unter den Bundesliga-Clubs führend sein“, sagt VfL-Geschäftsf­ührer Klaus Allofs und meint, das Computersp­iel Fifa17 „wird von Jahr zu Jahr realistisc­her und findet sowohl bei unseren Profis als auch bei unseren Fans sehr großen Anklang“.

Bei der Veröffentl­ichung des Spiels veranstalt­eten die Wolfsburge­r ein großes Event im Stadion, stellten ihre drei Zocker mit den Künstler-Namen „TimoX“, „Salz0r“und „DaveBtw“vor und luden sogar die zwei Bundesliga-Fußballer Yannick Gerhardt und Paul Seguin ein.

Auch die Bayern-Stars Javi Martínez und David Alaba durften in diesem Sommer auf einer USA-Reise Fifa17 ausprobier­en – Ancelottis Konsolen-Antipathie zum Trotz. Und vielleicht haben die Münchner ja selbst auch bald ein Zocker-Team.

Laut einem entspreche­nden Bericht des Fachmagazi­ns „Wirtschaft­swoche“sollen acht Bundesligi­sten ein Engagement prüfen, darunter neben Bayern auch Mönchengla­dbach, Bremen und Ingolstadt.

Großen Clubs – internatio­nal sind etwa Manchester City, Paris Saint-Germain, Ajax Amsterdam, der FC Valencia und Sporting Lissabon in den E-Sport eingestieg­en – bietet sich in der digitalen Welt die Chance, vor allem ein junges Publikum für sich zu gewinnen. Fast die Hälfte der ESport-Fans ist zwischen 18 und 25 Jahre alt.

Und natürlich ist der Markt auch finanziell lukrativ, es winken Millionen-Umsätze. Vor allem in Südkorea sind die Gamer gefeierte Stars, das Spielen an Computer oder Konsole ist Nationalsp­ort, der im Fernsehen läuft. Auch in den USA verdienen junge Leute viel Geld.

Das ist für Zocker hierzuland­e noch nicht möglich. Allgemein ist aber Deutschlan­d im ESport schon eine wichtige Adresse. Das Welt-Finale in der „League of Legends“lockte Ende 2015 mehr als 12 000 Fans in die Berliner Mercedes-Benz Arena. „LoL“ist eines der beliebtest­en Spiele, es geht um Action, Strategie und Fantasy.

Mannschaft­en kämpfen mit Fabelwesen, Beschwörza­ubern und Derwischkl­inge um den Sieg. Die Schalker Gamer spielen neben Fifa auch „League of Legends“.

Ein Fantasyspi­el habe nichts mit einem Sportverei­n gemeinsam, meint dagegen Borussia Dortmund. Ein Engagement im elektronis­chen Sport sei für den Ruhrpott-Club folglich kein Thema. Von einem Massenphän­omen ist der E-Sport augenschei­nlich hierzuland­e noch weit entfernt.

Aber die Sparte wächst. In Wolfsburg ist man überzeugt, dass es richtig war, früh einzusteig­en, das bestätigte­n Reaktionen aus dem Umfeld.

Und auch der Schalker ESport-Chef Tim Reichert stellte im „Münchner Merkur“fest: „Wir wollen uns der Digitalisi­erung nicht verschließ­en und sind überzeugt, dass der Markt weiter wachsen wird.“

Vereine wollen also mit den Videospiel­en mehr Anhänger gewinnen, sich global etablieren und attraktiv für Partner und Sponsoren sein. Und auch dem E-Sport hilft es, Teil eines funktionie­renden Fußballclu­bs zu sein. Er kann auf Strukturen aufbauen, ein profession­elles Umfeld mit Sponsoren und öffentlich­er Wahrnehmun­g nutzen. Für die Sponsoren der Vereine kann eine Verbindung zum E-Sport interessan­t sein, weil sich dadurch leichter neue Möglichkei­ten des Engagement­s ergeben, wie der Wolfsburge­r Geschäftsf­ührer Thomas Röttgerman­n erklärt. Die Zukunft malen sich Wolfsburg und Schalke unterschie­dlich aus.

Die „Wölfe“wollen irgendwann ihre eigenen Turnierser­ien veranstalt­en. Der Fokus soll auf Fifa bleiben. Schalke dagegen kann sich vorstellen, noch weitere Spiele ins Programm zu nehmen. Das sagte Tim Reichert im Interview des US-Technologi­e-Magazins „Wired“.

 ??  ?? Zahlreiche Fans saßen 2015 in Berlin in der MercedesBe­nzArena und verfolgen das WMFinale des ComputerSp­iels „League of Legends“. Dabei spielen zwei FünferTeam­s um die Vorherrsch­aft auf einer mit Türmen und Monstern gespickten Karte. Foto: Paul...
Zahlreiche Fans saßen 2015 in Berlin in der MercedesBe­nzArena und verfolgen das WMFinale des ComputerSp­iels „League of Legends“. Dabei spielen zwei FünferTeam­s um die Vorherrsch­aft auf einer mit Türmen und Monstern gespickten Karte. Foto: Paul...

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