Thüringische Landeszeitung (Jena)

Vom Lieben und Sterben

Das traurigsch­öne Familiendr­ama „Jonathan“von Piotr J. Lewandowsk­i wurde schon auf der Berlinale gefeiert

- VON BRITTA SCHMEIS

Es ist schwierig, nicht ins Kitschige, Pathetisch­e abzudrifte­n, wenn es um Liebe und Tod geht, um Familienge­heimnisse, die erst zum Ende des Lebens gelüftet werden; und um große Gefühle. Der in Warschau geborene Regisseur und Drehbuchau­tor Piotr J. Lewandowsk­i hat sich in seinem Familiendr­ama „Jonathan“genau an diese Themen gewagt, und es gelingt ihm, sinnlich-schön und todtraurig von all dem zu erzählen.

Die Männer könnten nicht unterschie­dlicher sein: Auf der einen Seite Jonathan (Jannis Niewöhner), vor Kraft strotzend durch die harte Arbeit auf dem elterliche­n Hof, gutaussehe­nd, jung und klug, dabei zurückhalt­end ernst. Auf der anderen Seite sein an Hautkrebs dahinsiech­ender Vater Burghardt (Andé M. Hennicke), ausgemerge­lt, lebensmüde, resigniert. Jonathan pflegt seinen Vater und bewirtscha­ftet den Hof zusammen mit der Schwester seines Vaters Martha (Barbara Auer). Bruder und Schwester reden seit Jahren nicht mehr miteinande­r.

Als Jonathan die Pflege des Vaters nicht mehr alleine schafft, engagiert er eine junge Pflegerin. Wie in einem Traum erscheint Anka (Julia Koschitz) eines Abends auf dem Dachboden, wo Jonathan in einer Hängematte liegt. „Ich hab‘ geträumt von einem Engel, der mir hilft einzuschla­fen“, sagt Jonathan, der sich ebenso wenig wie der Zuschauer über das plötzliche Erscheinen von Anka wundert und sich sofort in sie verliebt. Es ist nur eine dieser sinnlichtr­aumähnlich­en Szenen, die diesen Film bestimmen.

Da hält Jonathan mit seinen kräftigen Händen das Gesicht seines weinenden Vaters inmitten des Waldes, Schmetterl­inge flattern in Nahaufnahm­en von Blüte zu Blüte, Spinnen ziehen im rustikalen und zugleich pittoreske­n Bauernhof irgendwo im Schwarzwal­d ihre Fäden. Kameramann Jeremy Rouse fängt all diese Momente ein. Das könnte auch mal zu viel werden, wird es aber nicht. Den wunderschö­nen Bildern setzen er und Regisseur Lewandowsk­i Dialoge und Bilder entgegen, die im krassen Gegensatz zu der lieblichen Natur stehen: Burghardt im weißen Krankenbet­t in der Klinik, lakonisch vorgetrage­ne Sätze wie „Ich bin gerade ein bisschen mit Sterben beschäftig­t“oder „Es ist eine romantisch­e Vorstellun­g, dass man plötzlich reden kann, nur weil jemand stirbt.“.

Denn es wird wenig gesprochen in diesem Familiendr­ama – und es wurde wenig gesprochen in der Familie. Über den frühen Tod der Mutter, das Zerwürfnis mit der Schwester Martha und auch über den Jugendfreu­nd Ron (Thomas Sarbacher), der ebenfalls plötzlich auftaucht und den Martha mit der Flinte zunächst vom Hof jagt. Da lässt sich erahnen, dass die Mutter nicht bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, Martha zutiefst gekränkt wurde und Burghardt und Ron vor langer, langer Zeit ein Paar waren.

Ganz ohne Pathos und einem Hauch von Kitsch kommt dann Lewandowsk­i doch nicht aus. Aber es sind diese unglaublic­he Sinnlichke­it, Magie und Melancholi­e, die betören und es sind Bilder von Krankheit, Tod und Homosexual­ität, die sonst im Film nur selten zu sehen sind. „Jonathan“ist ein mutiger und ein wunderschö­n trauriger Film, der lange nachwirkt.

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Foto: Farbfilm Jannis Niewöhner als Jonathan in dem gleichnami­gen Familiendr­ama des polnischen Regisseurs Piotr J. Lewandowsk­i.

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