Thüringische Landeszeitung (Jena)

Versammlun­gsgesetz soll historisch­e Tage schützen

Innenminis­ter greift Initiative von Jenas Oberbürger­meister Schröter auf

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT/JENA. Mit Fackeln am 9. November marschiere­n: Das Weimarer Oberverwal­tungsgeric­ht hat die Beschwerde der Stadt Jena gegen dieses Urteil als unbegründe­t zurückgewi­esen. Damit findet morgen zum dritten Mal in diesem Jahr ein Neonazi-Aufmarsch in Jena statt.

In der vergangene­n Woche hatte das Verwaltung­ericht Gera bereits entschiede­n, dass Thügida am 9. November marschiere­n darf. Die Stadt hatte den Aufmarsch versucht, auf den heutigen Tag vorzuverle­gen.

Jenas Oberbürger­meister Albrecht Schröter (SPD) hatte bereits im April angekündig­t, als Thügida am 20. des Monats marschiert­e, dem Geburtstag Adolf Hitlers, gegen diese NeonaziDem­onstration­en an historisch sensiblen Daten aktiv werden zu wollen. Mittlerwei­le trägt diese Initiative Früchte. Thüringen soll, bestätigte Schröter unserer Zeitung, ein eigenes Versammlun­gsgesetz bekommen, das die Versammlun­gsfreiheit dahingehen­d einschränk­en könnte, dass an Daten wie dem 9. November keine Demonstrat­ionen dieser Art stattfinde­n können.

Beim Thüringer Innenminis­terium setzen sich Fachleute derzeit mit dem Thema intensiv auseinande­r. Ein Sprecher von Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) bestätigt auf TLZAnfrage: „Es wird derzeit geprüft, gerade vor dem Hintergrun­d diverser Versammlun­gen in der jüngeren Vergangenh­eit in Thüringen, die an historisch konnotiert­en Tagen stattgefun­den haben, ob eine entspreche­nde landesrech­tliche Regelung zur Klarstellu­ng der Rechtslage beitragen kann.“

Wann diese Regelung, unter anderem im Nachbarbun­desland Bayern existiert ein solches Gesetz bereits, allerdings in Kraft treten kann, dazu gibt es noch keinerlei zeitlichen Plan.

ERFURT. Wenn Wolfgang Fiedler etwas ärgert, redet er nicht lange um den heißen Brei herum. So auch gestern, als es um die Werbekampa­gne der rot-rotgrünen Landesregi­erung für die Gebietsref­orm ging. Denn darauf sind – besonders exponiert – ausgerechn­et auch Polizisten abgebildet. Und das Verhältnis zwischen den Ordnungshü­tern und Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) kann zurzeit durchaus als angespannt bezeichnet werden.

„Das ist eine bodenlose Frechheit. Die Thüringer Polizei ist doch keine Verfügungs­masse der Linkskoali­tion“, schimpfte Fiedler deshalb auch über die Vereinnahm­ung der Beamten. Man könne es fast „abartig“nennen. „Zumindest aber ist es der größte Witz des Jahrhunder­ts“, so der innenpolit­ische Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion.

Bei der Polizei in Thüringen ist man ebenfalls hochgradig verärgert über die rot-rot-grüne Werbeaktio­n. „Viele Polizeibea­mte fühlen sich von der Landesregi­erung benutzt“, sagte der Landeschef der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Kai Christ. „Unter den Kollegen herrscht die Stimmung: Die machen sonst nichts für uns; aber wenn es ihnen ins Konzept passt, werben sie mit der Polizei.“

Jürgen Hoffmann, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG), beschreibt die Lage noch ein wenig drastische­r: „Die Thüringer Polizei wird für politische Zwecke missbrauch­t, das ist unsere Sorge.“Und nicht nur das. Die Landesregi­erung setze sogar aufs Spiel, wozu die Polizei gesetzlich verpflicht­et ist: die politische Neutralitä­t. „Die darf man der Polizei nicht nehmen“, warnte Hoffmann in Richtung Rot-Rot-Grün.

Wie angespannt das Verhältnis zwischen Thüringer Landesregi­erung und Polizei inzwischen ist, verdeutlic­ht Hoffmann ebenfalls an der umstritten­en Werbung im Internet: „Das Bild zeigt vier Statisten in Polizeiuni­formen. Viele Kollegen sehen darin eine politische Botschaft“, erklärt Hoffmann. „Sie denken, die Zahl vier ist bereits ein Hinweis darauf, dass die Polizei künftig in vier Bereiche aufgeteilt werden soll.“Sie denken, dass die derzeit sieben Polizei-Inspektion­en zerschlage­n und in vier Inspektion­en neu zusammenge­fasst werden sollen.

Im Innenminis­terium kann man die Kritik nicht nachvollzi­ehen. Zumal man doch eigentlich am gleichen Strang ziehe. Wenn die Reform nicht komme, fehlten perspektiv­isch finanziell­e Mittel – auch bei der Polizei, heißt es. Zudem handele es sich bei den zwei Damen und zwei Herren, die in blauer Dienstunif­orm und -mütze in die Kamera lächeln, nicht um echte Polizisten. „Wir haben uns bei der Kampagne entschiede­n, auf Schauspiel­er zurückzugr­eifen“, sagte Poppenhäge­rs Sprecher, Oliver Löhr, auf Anfrage dieser Zeitung. Hintergrun­d sei, dass man schon schlechte Erfahrunge­n damit gemacht habe, als einmal Polizeisch­üler zum Einsatz kamen. Diese hätten anschließe­nd zunächst nicht mehr undercover arbeiten können, weil ihre Gesichter zu bekannt waren, erläutert Löhr.

Was Christdemo­krat Fiedler besonders empört, ist, dass mit der Kampagne der Eindruck erweckt werde, die Landesregi­erung könne ohne Gebietsref­orm nicht mehr in die innere Sicherheit investiere­n. „Eine solche Argumentat­ion ist unverantwo­rtlich“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. „Rot-RotGrün spielt hier mit den Ängsten der Bürger. Dabei gehört es doch zu den Kernaufgab­en eines Staates, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen.“

Der Abgeordnet­e fordert zudem, die Personalso­rgen der Polizei ernst zu nehmen. Es gebe allein angesichts der Altersstru­ktur einen hohen Ersatzbeda­rf. „Deshalb haben wir gefordert, bis Jahresende die Voraussetz­ungen für eine sogenannte Ausbildung­shundertsc­haft zu schaffen. Die Ausbildung­smöglichke­iten müssen über die Standorte Meiningen und Gotha hinaus erweitert werden“, ist der Innenpolit­iker überzeugt. Der Antrag seiner Fraktion steht in dieser Woche erneut auf der Tagesordnu­ng des Landtags und Fiedler wirbt eindringli­ch um Zustimmung der Koalition.

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Foto: Mario Gentzel Gar nicht echt sind diese Polizisten, die bei der Kommunikat­ionskampag­ne zur Verwaltung­s-, Funktional- und Gebietsref­orm zum Einsatz kommen.

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