Thüringische Landeszeitung (Jena)

Keinen Schritt voraus

Plätze in Jena einfach schneller belegen

- VON SIBYLLE GÖBEL s.goebel@tlz.de

Das Prinzip der Gewaltente­ilung in Deutschlan­d ist ein hohes Gut: Justiz muss unabhängig sein, diejenigen, die Recht sprechen, dürfen nicht zu Erfüllungs­gehilfen der Politik werden. Man mag die Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­htes, die ThügidaKun­dgebung an einem Datum wie dem 9. November in Jena zu erlauben, als empörend und nicht nachvollzi­ehbar empfinden. Aber man muss sie akzeptiere­n. Denn in einem Rechtsstaa­t zu leben heißt eben auch, denjenigen die versammlun­gsrechtlic­hen Vorteile eines solchen Staates zuzubillig­en, die diesen Staat in Frage stellen. So schwer es auch fällt. Und so naheliegen­d der Gedanke ist, dass es den Anmeldern der Demonstrat­ion von morgen mitnichten um ein Gedenken an den Jahrestag des Mauerfalls bestellt ist, dessentweg­en sie angeblich auf die Straße gehen. Aber ein Gericht hat sich an Fakten zu halten und darf sich nicht im Deuten und Interpreti­eren ergehen.

Eine Frage, die sich angesichts der morgigen Demonstrat­ion aber stellt, ist die: Warum haben sich, nachdem das rechtsextr­eme ThügidaBün­dnis in Jena bereits im April zu Hitlers und im August zum HeßGeburts­tag marschiere­n durfte, nicht alle demokratis­chen Kräfte der Stadt zusammenge­tan und vorausscha­uend an allen historisch sensiblen Daten auf allen großen Plätzen Bürgerfest­e und Kundgebung­en angemeldet? Warum sind sie jenen, die die Demokratie aushebeln wollen, nicht einen Schritt voraus? Dann hätten die Versammlun­gsbehörden nämlich durchaus bessere Argumente, rechte Aufmärsche zu untersagen. Und den Anmeldern damit auch den Triumph zu verwehren, den sie jedes Mal bei einem von Gerichten aufgehoben­en Verbot empfinden.

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